Minimalismus ist mehr als Konsumverzicht

Für gewöhnlich wird mit dem Begriff Minimalismus vor allem die Reduzierung des persönlichen Besitzes, das Entrümpeln des Kleiderschrankes und eine konsumkritische Haltung verbunden.

Wenn man auf Wikipedia nach “Minimalismus” sucht, wird man in dem Zusammenhang auf die Seite “einfaches Leben” geleitet.

Im Einfachen Leben wird darauf geachtet, das eigene Verhalten hinsichtlich Konsum, Besitz und Beziehungen auf Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit zu hinterfragen. Ein Übermaß an Besitz aufgrund von Status- und Prestigestreben wird als hinderlich und belastend betrachtet. „Shopping“ als Unterhaltung oder Freizeitbeschäftigung wird konsequent vermieden. Stattdessen wird planmäßig eingekauft. Die Freizeit genießt eine hohe Wertschätzung. Es wird deutlich zwischen reinem Begehren und echter Notwendigkeit unterschieden. Insofern unterscheidet sich das Einfache Leben klar von der Jagd nach Schnäppchen im Sinne der „Geiz-ist-geil“-Mentalität. (Zitat Wikipedia)

Die Freizeit genießt eine hohe Wertschätzung

Aber was machen wir mit all der Freizeit, die wir durch unser minimalistisch entrümpeltes Leben bekommen haben?

Wir fahren schnell da hin und machen das oder jenes und auf dem Rückweg können wir dann die Gelegenheit nützen und noch schnell jemanden besuchen, weil es ja am Weg liegt. Gemeinsam wird dann dieses oder jenes unternommen, weil schließlich wollen wir ja unser Leben genießen. Und wenn wir spät am Abend zu Hause ankommen, dann wird noch schnell das Internet gecheckt und die neuesten Fotos auf FB hochgeladen oder im Blog verarbeitet.

Zu viele Möglichkeiten

Nicht nur ein übervoller Kleiderschrank und zu viel Besitz machen das Leben schwer, auch wenn ich meine Freizeit mit zu vielen Aktivitäten überfrachte, am Handy jederzeit erreichbar bin und im Internet stets via social media präsent bin, ist das nichts anderes als ein zuviel von allem.

Nachdem ich vielseitig interessiert bin neige ich dazu, mich in der Fülle der Möglichkeiten zu verlieren. Das fängt bereits bei den Informationen an, die ich mir per Newsletter zuschicken lasse. Es gibt ja so viele interessante Newsletter, die so viele weise Dinge beinhalten, die mein Leben bereichern.

Und dann kommen noch die vielen anderen Angebote dazu, Seminare, Selbsterfahrungsgruppen und Workshops, wo ich ganz viel Neues und Interessantes erfahren kann.

Auf die vielen tollen Blogs will ich natürlich auch nicht verzichten, ich habe sie abonniert und bekomme immer dann ein Mail, wenn ein neuer Beitrag veröffentlicht wird. Es gibt so viele ganz tolle Menschen, die sich ganz viele tolle Gedanken machen, die ganz unglaublich tolle Sachen machen.

Aber da sind auch noch meine Hobbys, das Handarbeiten, Wandern, Tanzen, Lesen etc. Noch mehr Entscheidungen und immer bedeutet eine Entscheidung für das eine gleichzeitig eine Entscheidung gegen all die anderen Möglichkeiten.

Ich fühle mich überfordert

Manchmal fühle ich mich überfordert. Wenn ich mich nicht entscheiden kann, was ich aus der Fülle auswählen soll. Wenn ich Angst habe, eine wichtige Sache zu verpassen, weil ich den Newsletter mit den Öko-Veranstaltungstipps nicht gelesen habe. Manchmal quillt mein Posteingang über vor lauter Mails, weil ich seit einiger Zeit keine gute Internetverbindung habe und daher nicht regelmäßig im Netz bin.

Gänseblümchen

Die Freizeit entrümpeln

Minimalistisch leben bedeutet für mich daher auch mich zu fragen, was soll in meiner Freizeit Platz haben. Wie möchte ich meine Zeit verbringen, was ist mir wirklich wichtig im Leben.

Muss ich überall dabei sein? Darf ich auch einmal etwas verpassen? Verpasse ich dann wirklich etwas? Ist es nicht vielmehr so, dass genau das, was ich mache, das ist, was in dem Moment gerade passt? Oder sollte es nicht zumindest in Wahrheit genau so sein?

Wenn ich achtsam durchs Leben gehe, in mich hineinfühle und in meiner Mitte bin, dann gibt es keine Verschwendung von Zeit, dann gibt es kein Verpassen, kein Versäumen, denn dann ist der Moment, in dem ich vor den Gänseblümchen zwischen den Steinen stehe, sie betrachte und mich an ihrem Anblick erfreue, genau das, was im Moment zählt. Und ich verpasse nicht die Palmen im Palmenhaus und nicht die Orchideen der Orchideensammlung.

Und wenn ich einen Spaziergang in der Natur mache, dann verpasse ich auch nicht das tolle Event, mit den kreativen Künstlern, die so anregend sind, sondern ich mache genau das, wo ich mich hingezogen fühle.

Im Moment zu leben und das zu tun, was mir in dem Moment wichtig ist, das ist das wahre Leben.

Das Stichwort heißt Entschleunigung

Oft sind wir Getriebene. Wenn wir noch sitzen, dann machen wir uns gedanklich schon auf den Weg und wenn wir am Weg sind, dann denken wir schon an das Ziel und wenn wir das Ziel erreicht haben, dann sind unsere Gedanken schon bei der Auswahl der nächsten Ziele.

In Wahrheit verpassen wir aber genau mit diesem Verhalten den Moment, in dem sich gerade unser Leben abspielt. Ich glaube, dass ein Teil der Sinnentleertheit unserer Zeit genau aus diesem Phänomen heraus entsteht. Es ist schwer den Moment zu genießen, wenn ich in Gedanken ganz wo anders bin.

Eine ganzheitlich Erfahrung kann ich nur machen, wenn ich ganz in dem Moment bin – Körper, Geist und Seele. Wenn meine Gedanken der Zeit voraus eilen, werden auch Körper und Seele getrennt. Wir fühlen uns getrieben und zerrissen und spüren ganz tief in uns eine Sehnsucht, weil das nicht alles sein kann, was gerade ist.

Sehnsucht – ein Zeichen unserer Zeit

Viele Menschen tragen in sich eine tiefe Sehnsucht, weil sie den Sinn nicht mehr fühlen können. Überflutet von Reizen in dieser schnelllebigen Zeit wird den Glücksversprechungen der Werbung nachgejagt.

Und wenn wir dann versuchen, uns dagegen zu wehren, jagen wir leider noch immer. Von einem Selbstfindungsseminar zum nächsten, von einem Öko-Workshop zum alternativen Erlebniswandern mit Gleichgesinnten.

Die Lösung liegt nicht im außen

Genügsamkeit oder Suffizienz, wie Herr Paech das nennt, darf nicht bei Besitz und Konsum halt machen.

Es ist genug in die Sonne zu schauen und ihre warmen Strahlen zu genießen.
Es ist genug das Plätschern vom Bach zu hören, während ich an seinem Ufer spazieren gehe.
Es ist genug einfach zu sein.

Die Fülle des Lebens spüren

Genug ist aber vor allem das, was für mich genug ist – sich mit anderen zu vergleichen macht unzufrieden.

Zufriedenheit mit dem eigenen Leben setzt voraus, dass ich das Genug spüren kann. Dann endet die Jagd nach mehr und ich kann endlich genießen.
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