Mit Ach und Krach hat unsere Regierung dann doch endlich den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde beschlossen. Das ist erbärmlich genug, wenn man von einem solchen Lohn leben oder gar eine Familie ernähren muss und doch gibt es eine ganze Menge Besserverdiener, die finden, dass der Mindestlohn noch viel zu hoch ist. Schließlich gebe es ja auch keinen gesetzlichen Mindestgewinn für Unternehmer, den man bitte schön ja auch gleich per Gesetz vorschreiben könne.
Aber schlimmer geht immer, denn ob mit oder ohne Mindestlohn gibt es eine Menge Menschen in diesem schönen Lande, die sich nicht mal für einen Mindestlohn ausbeuten lassen dürfen, sondern die gar keinen Job haben. Weil so viele fleißige Hände heutzutage gar nicht mehr gebraucht werden. Oder nein, das stimmt so nicht: Es würden schon fleißige Hände gebraucht, in der Altenpflege, in Schulen und Kindergärten, in Krankenhäusern, auf Feldern und in Gärten – nur bezahlen will sie keiner. Da ist auch der Mindestlohn zu viel. Und so hat man die Ein-Euro-Jobs erfunden, um Parks von Müll zu befreien, alten Menschen vorzulesen oder was es sonst noch an Beschäftigungen gibt, die irgendwie “zusätzlich” sind, weil kein Mensch dafür bezahlen will. (Nebenbei zeigen die durchaus existierenden total sinnfreien Maßnahmen, bei denen man Ein-Euro-Jobber tatsächlich fürs Rumsitzen bezahlt, was Arbeit tatsächlich ist: Nämlich sinnlose Quälerei. Nichts als eine Disziplinierungsmaßnahme, um die Leute vom Denken abzuhalten. Der einzige Sinn von Arbeit in unserem System ist natürlich, um Geld damit zu verdienen. Und wenn das nicht ist, das ist halt nichts, egal, was man sich einredet oder einreden lässt.)
Und selbst Ein-Euro-Jobs werden viel zu gut bezahlt, finden manche Wirtschaftsprofessoren. Denn wenn man zusätzlich zum Existenzminimum, was ja Hartz IV offiziell ist, noch was dazu verdienen kann, verdient man zu viel, um sich einen richtigen Job zu suchen, bei dem man dann am Ende als Geringverdiener ja auch nicht mehr raus hat. Aber halt deutlich stärker ranklotzen muss. Das ist irgendwie ungerecht findet etwa Viktor Steiner und ist deshalb für eine prinzipielle Arbeitspflicht für alle.
Was ja viel gerechter ist. Damit hat man nämlich dann flächendeckend Geringverdiener – und dann muss der ehrliche Geringverdiener, der für seine 900 Euro pro Monat 60 Stunden pro Woche Pakete austrägt oder Pizza liefert, nicht mehr auf den Ein-Euro-Jobber neidisch sein, der gemütlich seine 30 Stunden in einer sinnlosen ABM abfeiert und am Ende ungefähr das Gleiche raushat. Wobei das dank Mindestlohn ja jetzt anders werden soll, zumindest da, wo der dann tatsächlich auch gezahlt wird. Wodurch dann aber auch wieder Arbeitsplätze verloren gehen, wie die Gegner des Mindestlohns unken, weil die Unternehmen, die diese Löhne halt nicht zahlen können, dann eben pleite gehen.
Doch auch da haben clevere Köpfe längst vorgedacht und den „Null-Euro-Job“ erfunden. Das ist kein Witz, sondern logisch, denn wenn Arbeit gar nichts mehr kostet, finden sich plötzlich eine Menge Abnehmer dafür. Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) will nämlich Aktivcenter für “marktferne Langzeitleistungsbezieher” einrichten. Dort werden dann “Arbeitsgelegenheiten” (AGH) eingerichtet, die überhaupt nicht vergütet werden. Gerade in Hamburg, wo so viele Millionäre leben wie in keiner anderen deutschen Stadt, gibt es auch überdurchschnittliche viele Gering- und Garnichtverdiener. Sozialsenator Scheele kritisierte die Ein-Euro-Jobs schon vor einigen Monaten als “weitgehend sinnfrei” und “nicht motivationsfördernd”.
Die logische Konsequenz daraus ist, dass nun motivierende, sinnvolle Jobs geschaffen werden, die auch viel mehr mit echter Arbeit zu tun haben. Also sinnvoller Arbeit, weil sich Geld damit verdienen lässt – das aber nicht der Arbeiter bekommt, sondern der, der so freundlich ist, ihn oder sie arbeiten zu lassen. (Das gehört sich nämlich so, deshalb bekommt der Chef prinzipiell immer mehr, als die Leute, die für ihn arbeiten.) Zunächst 500 AGH sollen in ausgewählten Gewerken, etwa in der Holzbearbeitung, im Garten- und Landschaftsbau, oder in Küchen und Cafés angeboten werden. Diese neuen Null-Euro-Jobs sollen die “reale Arbeitswelt” besser abbilden als klassische AGH und insofern eine bessere Vorbereitung auf eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt bieten.
Besonders praktisch: Weil es sich nicht um klassische AGH handelt, gibt es auch keine Mehraufwandspauschale, keine lästigen Regeln für den Arbeitsschutz oder gar verbindliche Urlaubsregeln. Genial. Deshalb überrascht es nicht, dass auch in anderen Städten ähnliche Überlegungen angestellt werden – etwa in Bremen, wo Ein-Euro-Jobs in ehrenamtliche Arbeit umgewidmet werden soll. Die natürlich auch nicht bezahlt wird, denn sonst wäre es ja keine Ehre, sie zu tun.