Mina Ahadi im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig
Der Fall Sakineh Ashtiani im Iran löst weltweit Proteste aus. Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime ist überzeugt, dass der westliche Druck die seit fünf Jahren Inhaftierte im Iran moralisch unterstützt. Außerdem begrüße ein Großteil der Bevölkerung Irans eine westliche Einmischung.
(Deutschlandfunk)
Rainer Berthold Schossig: Während wir hier über junge Kunst im Iran reden, beschäftigt das Schicksal einer inhaftierten Iranerin in diesen Tagen eine wachsende Öffentlichkeit ganz besonders: Sakineh Ashtiani. Sie sitzt seit fünf Jahren etwa in iranischen Gefängnissen ein, weil sie des Ehebruchs und der Beteiligung an der Ermordung ihres Mannes angeklagt wird. Noch lebt sie, doch in wenigen Tagen könnte sie sterben. Ursprünglich sollte sie gesteinigt werden, eine im Iran noch immer übliche Hinrichtungsart. Inzwischen wurde die Erlaubnis zur Tötung durch den Strang erteilt. – Im Studio nun ist Minah Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime in Köln. Sie begleiten das Schicksal von Sakineh Ashtiani seit über fünf Jahren, Frau Ahadi. Für aufgeklärte europäische Ohren und Herzen klingen die Todesurteile durch Steinigung, aber auch durch den Strang geradezu mittelalterlich, extrem brutal, ehrlos. Wie beurteilen durchschnittliche Menschen im Iran diese Form von Terrorjustiz beziehungsweise ja Justizmord?
Minah Ahadi: Nach meiner Sicht sind die Menschen zum Beispiel im Iran seit 30 Jahren Opfer von diesem barbarischen Umgang. Das heißt, mehrere Menschen haben das in der eigenen Familie erlebt, zum Beispiel Hinrichtung. Hinrichtungen sind sehr viel im Iran und besonders politisch aktive Personen. Auf der anderen Seite ist auch Steinigung schon barbarisch, ist unmenschlich. In letzter Zeit gab es zum Beispiel sehr viele Demonstrationen und sogar das islamische Regime hat es nicht geschafft, Frauen auf der Straße zu steinigen. Die letzten vier, fünf Jahre haben wir nur von anonymen und geheimen Steinigungen gehört und das wird immer wieder in Gefängnissen gemacht, nicht auf der Straße.
Schossig: Wenn die Scharia eine juristische Norm ist, dann wäre ja Iran ein Rechtsstaat, mit diesem schönen deutschen Wort zu bezeichnen. Ist denn das Schicksal von Sakineh Ashtiani ein durchschnittliches iranisches Häftlingsschicksal, oder ist es auch für iranische Begriffe außergewöhnlich schmerzhaft?
Ahadi: Im Iran gibt es eine islamische Regierung und alle Gesetze sind islamisch und die Scharia ist dort ein Gesetz. Dieses Gesetz hat bis jetzt sehr viel Leid, sehr viel Unterdrückung, sehr viel Frauenfeindlichkeit verursacht. Deswegen denke ich, Frau Ashtianis Lebensgeschichte ist schon eine Lebensgeschichte, die mehrere Menschen dort gehabt haben, weil man hat mit Gesetzen zu tun, die unmenschlich und frauenfeindlich sind. Derzeit sitzen 26 Menschen in Gefängnissen, 19 Frauen, die gesteinigt werden sollen. Das heißt, es ist schon so, wir haben immer wieder mit diesen Fällen zu tun.
Schossig: In diesem Falle würden wir sagen, im Zweifel für die Angeklagte. Für die angebliche Schuld von Sakineh Ashtiani gibt es bislang keine Beweise. Millionen Menschen nun, im Westen vor allem, setzen sich weltweit dafür ein, dass sie weiterleben kann. Wie schätzen Sie diese, vor allem ja eben aus Europa und Amerika kommende Solidarität ein? Wird sie nicht im Iran als europäische beziehungsweise westliche Zumutung, Einmischung, ja als Angriff gesehen?
Ahadi: Natürlich sagt das islamische Regime so etwas und ist gegen diese Einmischung, aber Millionen Menschen sind dafür. Gerade gestern haben einige Leute aus Gefängnissen angerufen und mit mir gesprochen, und die haben gesagt, Minah, du darfst uns nicht vergessen, wir sind auch in Gefahr zum Beispiel. Das heißt, diese Solidarität und dieser Druck hat bis jetzt sehr viel geholfen und wir haben sehr viele Menschen gerettet, und ich denke, Sakineh Mohammadi Ashtiani oder Shahlo Dschahad und mehrere Frauen, die im Gefängnis sitzen, und auch Männer, die in Gefahr sind, das ist eine sehr, sehr wichtige Sache, und Menschen im Iran möchten weltweit Protest und Aktionen und auch diese Einmischung, aber das islamische Regime ist gegen diese Einmischung.
Schossig: Sie kämpfen seit über 25 Jahren als Sprecherin des Internationalen Komitees gegen Steinigung zum Beispiel gegen diese barbarische Hinrichtungsmethode, Sie engagieren sich im Zentralrat der Ex-Muslime, allerdings all dies von außen, von Köln aus. Welche Hoffnung haben Sie, dass sich in absehbarer Zeit in Ihrer Heimat, ich sage mal, europäische Maßstäbe von Schuld und Sühne, sprich von Rechtsstaatlichkeit werden durchsetzen können?
Ahadi: Erstens ich denke, Menschenrechte sind universell und ich bin gegen diesen Kulturrelativismus, der sagt, die Menschen sind Muslim und haben andere Rechte oder es tut vielleicht nicht weh, wenn eine Frau zu Hause geschlagen wird und sogar gesteinigt wird. Ich denke, alle Menschen im 21. Jahrhundert sind Menschen und möchten Menschenrechte.
So weit es den Iran betrifft, ich denke, es gibt im Iran eine sehr große Frauenbewegung, eine sehr große säkulare Bewegung, eine sehr große jugendlichen Bewegung, und schon vor einem Jahr waren Millionen auf den Straßen gegen dieses islamische Regime. Ich habe sehr viele Hoffnung und ich denke, in einer Welt mit so vielen Kommunikationsmöglichkeiten wir können es schon schaffen, das islamische Regime abzuschaffen und einen säkularen Staat aufzubauen.
Schossig: Danke an Minah Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime.
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