Die jungle-world hat ein langes Interview mit Mina Ahadi veröffentlicht, in dem sie auch Stellung bezieht zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Verhaftung der beiden deutschen Journalisten.
Sie hatten den Kontakt zwischen Sakineh Ashtianis Familie und den deutschen Journalisten hergestellt. War das nicht ein viel zu hohes Risiko? In der Zeit warf man Ihnen indirekt vor, Sie hätten die Journalisten in eine Falle tappen lassen, um Ihrer Kampagne gegen Steinigung Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Dazu will ich klarstellen, dass erstens nur einer der beiden Journalisten Kontakt zu mir hatte. Er hatte sich Anfang September an mich gewandt und gesagt, er überlege, Ashtianis Sohn Sajjad zu interviewen, und fragte mich, ob ich einen Kontakt vermitteln könnte. Ich habe Sajjad gefragt, ob er ein Interview gibt, und er hat zugesagt. Außerdem habe ich bei der Übersetzung geholfen. Aber alles andere hat der Journalist selbst organisiert. Natürlich haben wir über das Risiko einer Festnahme gesprochen. Alle wissen, dass im Iran ein Regime herrscht, das freie Meinungsäußerungen nicht zulässt.
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Nach der Darstellung des iranischen Fernsehens hat auch Sakineh Ashtiani Ihnen vorgeworfen, ihren Fall weltweit bekannt gemacht zu haben. Die Aussagen und Geständnisse der Gefangenen dürften mit großer Wahrscheinlichkeit erzwungen und inszeniert sein. Trotzdem: Was sagen Sie Kritikern, die Ihnen vorwerfen, dass Ihre internationale Kampagne gegen Steinigung Sakineh Ashtiani missbrauche und kontraproduktiv für sie sein könnte?
Die Kampagne war der letzte Ausweg zur Rettung von Sakineh. Ich beschäftige mich seit vier Jahren mit diesem Fall. Sakineh Ashtiani und ihr Sohn Sajjad haben sich in Briefen an Ahmadinejad gewandt, Sajjad war immer wieder bei den Behörden in Teheran, um alles zu tun, um die Hinrichtung seiner Mutter abzuwenden. Sakineh hat in ihrer Verzweiflung bei Ayatollah Khamenei dreimal um eine Amnestie ersucht, alles ohne Erfolg. Das Datum für die Steinigung stand schon fest, im Juli hätte sie gesteinigt werden sollen. Wir haben mit der Kampagne angefangen, als Sajjad mich angerufen hat und sagte: »Alles ist vorbei.« Ich habe mit beiden Kindern von Sakineh gesprochen und sie gefragt, ob sie einverstanden seien, dass wir eine internationale Kampagne starten. Ich könnte auch für niemanden eine Kampagne organisieren, der das nicht will. Wenn mir niemand ein Foto schickt, kann ich das nicht. Und die Kampagne hat Erfolg! Dass Sakineh noch lebt, ist ein Verdienst dieser Kampagne. Sie war nicht kontraproduktiv. Die Kinder mussten nicht erleben, wie ihre Mutter gesteinigt wird.
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Das Auswärtige Amt will offenbar nicht, dass die Namen der beiden Reporter veröffentlicht werden. Auch die Zeitung Bild am Sonntag hat lange gezögert, bis sie überhaupt bestätigte, dass es sich bei den im Iran inhaftierten Journalisten um ihre Mitarbeiter handelt, ihre Namen nennt sie nicht. Warum ist das so?
Das Auswärtige Amt und die Bild am Sonntag sind der Auffassung, das sei für die Betroffenen besser, dabei sind deren Namen im Iran ja bekannt. Das Außenministerium und die Zeitung meinten, man könne das Problem durch diplomatische Zusammenarbeit mit dem islamischen Regime lösen. Ihre Strategie war es zunächst, auf Berichte über die inhaftierten Journalisten zu verzichten. Ich hielt das von Anfang an für problematisch.
Sie könnten die Namen der beiden ja öffentlich machen, wenn Sie wollten.
Ich kenne nur einen der Namen. Ich habe ihn nicht veröffentlicht – im Interesse der Bild am Sonntag und des Außenministeriums, die das nicht wünschen. Ich kritisiere das, halte mich aber an die Abmachung, die Namen nicht zu nennen.
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Betont die Regierung, dass Sie Kommunistin sind, weil sie hofft, dass dann auch Menschen in Deutschland oder anderen Ländern Ihnen mit Skepsis begegnen?
Das Regime glaubt, Kommunistin zu sein, sei mein Schwachpunkt, sonst findet es nichts, was es gegen mich verwenden könnte. Zum Glück ist es hier akzeptiert, dass man sich politisch in verschiedenen Gruppen engagiert. Mein Kampf gegen Steinigung und meine Lebengeschichte zeigen, dass ich versuche, Menschen zu helfen, und das ist vielleicht eine neue, sympatische Politik von iranischen Kommunisten. Ich bin in der Arbeiterkommunistischen Partei Irans aktiv, ich bin keine Stalinistin, ich bin Menschenrechtlerin und gegen jede Form von Diktatur. Wenn ich als Repräsentantin für das Komitee gegen Steinigung auftrete, schreibe ich nicht »Kommunistin« auf meine Visitenkarte, sondern »Menschenrechtlerin«, ich trenne zwischen beiden politischen Betätigungen, mache aber kein Geheimnis daraus, dass ich mich in der Arbeiterkommunistischen Partei Irans engagiere.
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