Mimosas

Von Pressplay Magazin @pressplayAT

Mimosas

7Drama

Mimosas ist ein humorvoll, absurdes Märchen, dessen Sinn sich zwar nicht ganz erschließt, aber doch fasziniert.

Eine Karawane in den Bergen Marokkos bringt einen sterbenden Scheich in die mittelalterliche Stadt Sijilmasa, wo er begraben werden will. Doch der Scheich stirbt schon vorher und nur zwei, Said und Ahmed, erklären sich bereit die Reise fortzusetzen und die Leiche des Scheichs wohlbehalten zu seiner letzten Ruhestätte zu begleiten. Parallel dazu, vielleicht in einer anderen Welt und zu einer anderen Zeit, bekommt Shakib, ein Arbeitssuchender, den Auftrag Ahmed zu folgen und ihm bei seiner Reise zur Seite zu stehen. Ein Taxi fährt mit Shakib in die Wüste. Dann taucht er auch schon bei Ahmed und Said in den Bergen auf und schließt sich ihnen einfach an. Von da an nimmt die Wanderung der drei eine absurde Wendung nach der anderen.

Was zuerst wie ein realistisches, existenzialistisches Drama beginnt, wenngleich es schon von Anfang an mit ominösen (Genre-)Elementen angereichert wird, wollen doch Said und Ahmed den Scheich scheinbar nur ausrauben und werden gleichzeitig von Unbekannten verfolgt, entwickelt sich spätestens ab dem Zeitpunkt, wo das Trio vollzählig ist, zu einem humorvollen Trip ins Unbekannte. So wie auch die Figuren, ist auch der Zuschauer stets im Ungewissen was als nächstes geschehen könnte. Ein Umstand der besonders dem absichtlichen Verweigern des Regisseurs auf Logik und Handlungsführung zu verdanken ist. Stellenweise erinnert Mimosas dabei fast an Godard’s Weekend, treten doch auch hier unvermittelt Charaktere auf, komplett losgelöst von Raum und Zeit.

Überhaupt lässt sich Mimosas weder räumlich noch zeitlich Verorten und diese Entrückung aus jeglicher real zu erfassenden Dimension vermittelt dem Film etwas märchenhaftes, ja, fast sogar traumhaftes. Irgendwann weiß selbst der Zuschauer nicht mehr, was real ist und was nicht und ob nicht überhaupt alles nur ein Hirngespinst des Protagonisten ist. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass der Film stellenweise nur rätselhaft ist, um rätselhaft zu sein, dass hier gar kein tieferer Sinn oder Hintergedanke vorhanden ist, wie es in Godard’s Film oder den Werken von Lynch durchaus der Fall ist. Dadurch wirkt Mimosas manchmal zu gezwungen, zu selbstverliebt, zu sehr dem Selbstzweck verhaftet, ominös zu sein, nur um es eben zu sein, ohne damit etwas bewirken oder aussagen zu wollen. Selbst der große Titelschriftzug am Ende hilft da nicht viel weiter, denn Mimosas ist lediglich der Name des Kaffeehauses in dem Oliver Laxe und Santiago Fillol das Drehbuch geschrieben haben – ändert aber nichts an der Tatsache, dass Mimosas ein großartiger Titel ist.

Von daher ist das Ende nicht nur offen und abrupt, sondern es stellt sich unweigerlich auch die Frage, was will der Film dem Publikum überhaupt erzählen? Kann man sich als Zuschauer von diesem Umstand loslösen und Mimosas frei davon betrachten, dann bekommt man eine unterhaltsame Geschichte und originell humorvolle Figuren geboten, die vor allem in ihrem Zusammenspiel großartig funktionieren. Erwartet man sich jedoch eine klare Auflösung und dass alles einen Sinn ergibt und zusammenpasst, dann wird man enttäuscht sein, denn eine stringente, logische Geschichte zu erzählen war ganz offensichtlich nicht das Anliegen von Laxe und Fillol.

Mimosas ist ein angenehm amüsantes, leicht märchenhaftes Drama über drei Männer – deren Darsteller allesamt großartig spielen –, die vielleicht genau so wenig über ihre Geschichte und ihr Leben bescheid wissen, wie der Zuschauer. Kann man sich mit dem begnügen, was der Film bietet, wird man auf jeden Fall unterhalten, auch wenn der Nachgeschmack vorhanden ist, dass hier absichtlich mehr ungesagt blieb und entrückt wurde, nur um des Selbstzwecks willen, nur damit sich der Regisseur auf die Schulter klopfen kann, das Publikum an der Nase herumgeführt zu haben – dabei hätte das Mimosas gar nicht notwendig gehabt.

Regie: Oliver Laxe, Drehbuch: Oliver Laxe, Santiago Fillol, Darsteller: Ahmed Hammoud, Shakib Ben Omar, Said Aagli, Hamid Fardjad, Filmlänge: 93 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale V’16


Autor

Marco Rauch

Aufgabenbereich selbst definiert als: Kinoplatzbesetzer. Findet den Ausspruch „So long and take it easy, because if you start taking things seriously, it is the end of you” (Kerouac) sehr ernst zu nehmend.


 
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