Militärisch heraushalten


“Deutschland ist »nicht privilegiert« und »keine Weltmacht« – mit teilweise überraschenden Feststellungen hat Gregor Gysi, der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, am Dienstag begründet, warum sich die BRD nicht an der US-geführten Intervention in Syrien beteiligen soll:

Während ich diesen Text schreibe, ist das Schicksal der kurdischen Stadt Kobani unklar. Aber die Situation von Kobani, eingeklemmt zwischen der türkischen Armee und den mörderischen Söldnertruppen des »Islamischen Staates« (IS) wirft ein Schlaglicht auf die politische und moralische Verfasstheit des Westens, der sich gern als Wertegemeinschaft interpretiert sehen will. Die Türkei treibt ihr eigenes Spiel. Eine Intervention mit ihren Truppen kommt für sie erst in Frage, das kommuniziert sie in Richtung Washington, wenn sie gegen Assad Krieg führen darf. Derweil blockiert sie Nachschubwege für die Kurden, lässt aber nach wie vor potentielle IS-Kämpfer unbehelligt passieren. Auch die Nachschubwege für den IS scheinen nach wie vor intakt zu sein. Das Schicksal der Kurden ist der Türkei keinesfalls gleichgültig; sie scheint es zu begrüßen, dass die PKK und die mit der PKK verbündete PYD durch die Kämpfe mit dem IS zumindest erheblich geschwächt werden. Aber die übrigen NATO-Staaten – also die USA und Europa – scheinen diese schweren Menschenrechtsverletzungen zu tolerieren.

Ich konstatiere ein schweres Versagen des Westens – gemessen an seinen eigenen Wertvorstellungen. Eine Wertegemeinschaft ist die NATO jedenfalls nicht mehr, sondern ein Interventionsbündnis. Aber es gibt auch ein weiteres Versagen. Der UN-Sicherheitsrat ist nach der UN-Charta insbesondere und ausschließlich dafür zuständig, auf Gefährdungen des Friedens in angemessener Weise zu reagieren. Im Sicherheitsrat gibt es die fünf privilegierten Vetomächte, gegen die kein Beschluss zustande kommt. Das impliziert auch eine besondere Verantwortung dieser Mächte. Dass der Sicherheitsrat nicht wirklich aktiv wird, ist Ausdruck großer Verantwortungslosigkeit.

Natürlich kennen wir die politischen Gründe, die eine Einigungsfähigkeit erschweren. Unter diesen Gründen findet sich die Haltung zum Assad-Regime, auch die sehr angespannten Beziehungen der USA zu Russland spielen eine Rolle. Aber ist es wirklich zu viel verlangt, dass sich die Mächte USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien darauf verständigen müssen, was jetzt gegen den IS unternommen werden muss und kann? Und wenn sie handeln, auch militärisch, müssen sie ausschließlich gemeinsam handeln, damit sich ihre unterschiedlichen Interessen ausgleichen. (…)

Militärisch hat Deutschland sich völlig herauszuhalten. Dieses Land ist nicht privilegiert, es ist keine Weltmacht, und es hat auch eine andere Geschichte.”

Quelle: https://www.jungewelt.de/schwerpunkt/der-seite-der-kurden


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