Und wieder einmal zeigt sich, dass der „Bestseller“-Aufdruck nicht in direktem Zusammenhang mit der Qualität der angebotenen Lektüre steht sondern lediglich den Mainstream-Geschmack repräsentiert. Dies soll nun nicht heißen, dass es sich bei „Mieses Karma“ um ein schlechtes Buch handelt. Nein, viele Menschen werden es als kurzweilig, unterhaltsam und möglicherweise sogar lehrreich empfinden. Mir jedoch sind, obwohl ich die Idee an sich reizvoll, reizend und durchaus vielversprechend finde, einige Ausdrucksweisen so auf die Nerven gefallen, dass ich keine besonders großen Sympathien für David Safiers Werk entwickeln konnte.
Kim Lange, eine erfolgreiche, selbstsüchtige Fernsehmoderatorin, stirbt durch einen als witzig beschriebenen, in Wirklichkeit einfach nur saublöden und irrealistischen Zufall und beginnt ein neues Leben im Körper einer Ameise. Buddha erklärt ihr kurz die Zusammenhänge der Reinkarnationslehre und bestraft sie quasi für ihre schlimmen Taten (darunter solche Verbrechen wie außerehelicher Beischlaf, Karrieregeilheit, Familienvernachlässigung wegen Zeitmangels u.ä., wie sie doch heute einen Großteil unserer Gesellschaft praktiziert). Nur durch gute Taten könne sie irgendwann das Nirvana erreichen, gibt er ihr noch mit auf den Weg hinunter in den Ameisenbau. Und so plätschert die Geschichte nun dahin: Kim merkt auf einmal, wie sehr sie ihre Tochter Lilly und vielleicht auch ihren Mann Alex vermisst, nähert sich beiden unter Lebensgefahr und trifft nicht nur auf mehrere ebenfalls als Tiere wiedergeborene Menschen sondern auch auf Nina, eine ehemalige Freundin, die sich noch am Tage der Beerdingung des Menschen Kim an Alex ranschmeißt. Zusammen mit dem Schürzenjäger Casanova, der Nina so stark liebt wie Kim sie hasst, sammelt sie ein wenig gutes Karma, das sie nach mehreren Toden schließlich als Meerschweinchen wieder auf die Welt kommen lässt. Natürlich in Lillys Nähe. Später richtet sie als aufrührerisches Kalb großen Schaden an, weshalb sie die Inkarnationsleiter wieder hinabsteigen muss, doch nach zwei Jahren in verschiedenen Tierkörpern endlich will Buddha sie ins Nirvana schicken, weil sie anscheinend ausreichend Punkte hierfür gesammelt hat. Da Kim jedoch auf einmal ihre große Liebe zu ihrer Familie entdeckt hat, überzeugt sie den Dicken schließlich davon, dass sie als Mensch wiedergeboren werden darf, um sich ihrer Familie zu nähern und ihre Tochter vor Nina zu beschützen. So erwacht sie im Körper einer ziemlich fetten aber äußerst gutmütigen Hamburgerin, verlässt sofort deren treudoofen Mann und heuert als Putzfrau bei ihrem ehemaligen Geliebten an, der sich kurze Zeit später trotz ihrer Leibesfülle in sie verliebt und so weiter und so fort… Die Beschreibung des Finales erspare ich dem geneigten Leser an dieser Stelle und versuche lieber noch ein paar positive Arrangements zu erwähnen.
Nett und durchaus nachdenkenswert finde ich die Aussagen Buddhas zum Nachleben, welches augenscheinlich differenziert organisiert ist. „Jeder bekommt das Leben nach dem Tod, an das er zuvor geglaubt hat“ wobei Buddha hier einen Sonderstatus inne hat und auch die Seelen derer verwaltet, die an gar nichts glauben, damit die Ungläubigen nicht für ihren Unglauben bestraft werden. Eine durchaus angenehme Theorie, die mir den Buddhismus noch ein wenig sympathischer macht.
Dennoch bleiben, unabhängig von den unangenehmen und fast schon blasphemischen Beschimpfungen gegenüber Buddha, auch Zweifel an der Beschreibung der Reinkarnation an sich: Wenn wir wirklich in unserem nächsten Leben auf der Evolutionsleiter genau auf der Stufe erwachen, die der Anzahl und Qualität der vorher ausgerichteten guten Taten entspricht, dann haben wohl die Kinder, die in Afrika verhungern oder im indischen Slum ihr Dasein fristen, in vorigen Leben nicht ausreichend gutes Karma gesammelt?
Hätte ich „Mieses Karma“ nicht gerade in der Zeit gelesen, in der ich in buddhistischen Klöstern in „Klein-Tibet“ unterwegs gewesen bin, wodurch ich eindeutig und unzweifelhaft in eine friedliche und gelassene Stimmung geraten war, wäre mir das Ende der Geschichte wohl nicht unter die Augen gekommen. Denn dann hätten die auf jeder 3. Seite als Fußnote abgedruckten „Erinnerungen Casanovas“, die wohl zu Beginn als ulkige Erläuterungen der Handlung gedacht waren, im Verlaufe der Geschichte aber immer plumper und langweiliger wurden, möglicherweise dazu geführt, dass ich der Lektüre durch einen genervten Wurf in Richtung Papierkorb ein schnelles Ende gesetzt hätte. Doch Dank meiner friedvollen und neugierigen Einstellung durfte auch ich noch den finalen Satz des Romans mit nach Hause nehmen. Dieser gibt Kims wichtigsten Gedanken wieder, den sie formuliert, nachdem sie schließlich ihr Glück bei, in und mit ihrer Familie gefunden hat und der auch für Viele von uns ein erneuter Anstoß sein mag, sich mit dem Hier und Jetzt zufrieden zu geben und damit glücklich zu sein: „Fürs Nirvana braucht man kein Nirvana!“