Midnight in Paris

Er ist ein wahres Phänomen der Filmgeschichte. Seit mehr als 40 Jahren ist er unermüdlich dabei, neue Filme zu schreiben, zu produzieren und hin und wieder in ihnen mit zu spielen. Es geht stets um die Wirren menschlicher Beziehungen, und diese Wirren werden in verstrickten Dialogen ausdiskutiert, bis es kein Halten mehr gibt. Habe ich in den letzten Jahren seine Filme gelangweilt, ja sogar erbost verlassen, betrachte ich Woody Allens neuen Film „Midnight in Paris“ fast als Friedensangebot.
Gil und Inez sind frisch verlobt und besuchen die französische Hauptstadt. Während Gil vom faszinierenden Flair der Stadt der Liebe begeistert ist, schwärmt Inez eher für Modebouthiquen und Einrichtungshäuser. Inez' Eltern sind auch in Paris und sie fühlen sich gar nicht wohl, denn der Vater – ein republikanischer Hardliner – nimmt den Franzosen ihre Außenpolitik dermaßen übel, dass er die Stadt abgrundtief zu hassen beginnt. Die Letzten im Bunde sind Paul und Carol, ein befreundetes Paar, welches ebenfalls in Paris verweilt, um Urlaub zu machen. Paul ist ein echter Klugscheißer, wie er im Buche steht und hat zu allem und jeden einen belanglosen Kommentar parat. Bei derartiger Gesellschaft beginnt Gil, sich schnell zu langweilen, sucht er doch eigentlich Inspiration für seinen Roman. Doch keiner seiner Freunde teilt seine nostalgische und romantische Ader. Eines Abends steuert Gil nach einer Weinverkostung leicht beschwipst durch die pittoresken Straßen auf der Suche nach seinem Hotel. Als es Mitternacht schlägt hält plötzlich ein altmodisches Auto und dessen Insassen laden ihn ein, zu einer ganz besonderen Party zu fahren. Plötzlich landet Gil im Haus von Scott und Zelda Fitzgerald und trifft dort nicht nur Ernest Hemmingway, sondern sogar Gertrude Stein und Pablo Picasso, die allesamt seine ganz persönlichen Helden sind. Er verbringt eine rauschende Nacht und am nächsten Morgen glaubt er, er hätte alles geträumt.
Wer in den letzten Jahren den Blog verfolgt hat, weiß vielleicht jetzt schon, wie mir „Midnight in Paris“ gefallen hat. HA HA! Irrtum. Entgegen aller Erwartungen war ich nämlich recht angetan und sogar fast schon amüsiert über den neuen Film. Auch, wenn es im Kinosaal um mich herum ununterbrochenes Gekicher und Gegluckse gab, und ich mich nicht getraut habe, zu fragen, was gerade so lustig sei, fühlte ich mich hier seit langem mal wieder wohl in einem Woody Film. Woody Allen hat eben eine sehr altmodische Art, Filme zu machen und Geschichten zu erzählen. Dass sein Konzept nicht mehr zeitgemäß ist, merkt man jeder Minute des Films an. Aber er ist eben Woody Allen. Er geht auf die 80 zu und es sind wohl keine Quantensprünge mehr zu erwarten und den großen Wurf, hat er doch in all den Jahren und ebenso vielen Filmen längst absolviert. Mich störte, dass seine Filme immer einfallsloser wurden. Oberflächliche Figuren, die sich stundenlange belanglose Debatten über Seeigelzefish lieferten. Furchtbar. Mit dem Element der Reise in die Vergangenheit kommt nun endlich etwas Abwechslung rein, so albern und unrealistisch es auch sein mag. Es ist schon fast niedlich, auf welch plumpe Art die mäßig kostümierten und geschminkten Berühmtheiten in die Handlung eingeführt werden und entbehrt nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik. Hier blitzt auch hin und wieder Allens Talent für die alte Komödie durch, welches er in seinen nächsten Filmen vielleicht ein bisschen mehr einfließen lassen sollte. Außerdem sind zahlreiche hochkarätige Schauspieler zu sehen, die in ihren Rollen sehr viel Spaß zu haben schienen, inklusive Owen Wilson als Gil. Es gibt einige lustige Situationen, in denen Gil mit Hemingway über seinen Roman und mit Salvador Dali über die Ästhetik von Nashörnern diskutiert. Die Gespräche in der Gegenwart sind eher Allen-untypisch, wischt er doch all die Kleinigkeiten, die sonst stets Gegenstand ewiger Gespräche waren rotzfrech und fast schon schnoddrich zur Seite.
Trotz all der positiven Dinge, die mir plötzlich an seiner Arbeit auffallen, ist „Midnight in Paris“ immer noch ein typischer Allen-Film, auch wenn ich mir mittlerweile von einigen Allen-Experten bescheinigen ließ, dass ihnen dieser Film nicht besonders gefallen hat. Darin kann ich nur Gutes erkennen und freue mich nun fast schon auf den nächsten Streich. Der kommt nächstes Jahr, trägt den etwas kryptischen Titel „The Bop Decameron“ und zeigt Jesse Eisenberg und Ellen Page. Yay!
Midnight in Paris (USA, F, 2011): R.: Woody Allen; D.: Owen Wilson, Rachel McAdams, Kathy Bates, Adrien Brody, u.a; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Kineast On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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