© Universum - Michelle Yeoh zeigt als Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi keine Angst.
Im November 2010 wurde die Freiheitskämpferin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi überraschend aus ihrem fünfzehn Jahre lang andauernden Hausarrest in Myanmar freigelassen. Währenddessen befand sich der französische Filmemacher Luc Besson bereits mitten in den Dreharbeiten zu ‚The Lady – Ein geteiltes Herz‘, sein Beitrag zur Beschleunigung der Freilassung Aung San Suu Kyis aus der Militärhaft. Nur wenig später traf sich Hauptdarstellerin Michelle Yeoh mit der Frau, die sie in Bessons Film darstellen sollte. Eine willkommende Abwechslung zu den über zweihundert Stunden Audio- und Videomaterial sowie den Lehrstunden in Burmesisch, die Yeoh in Vorbereitung auf ihre Rolle über sich ergehen lassen musste.
Aung San Suu Kyi (Michelle Yeoh) und Ehemann Michael Aris (David Thewlis)
Der Film konzentriert sich aber nicht allein auf das politische Engagement, sondern auch auf die Beziehung zwischen Aung San Suu Kyi und ihrem britischen Ehemann Michael Aris (David Thewlis). Die beiden bilden ein Paar, das sein persönliches Glück dem friedlichen Kampf um Gerechtigkeit und Demokratie unterordnet. Ende der achtziger Jahre leben sie mit ihren beiden Söhnen noch glücklich in Oxford, England. Der Schlaganfall ihrer Mutter lässt Suu in ihr Heimatland Burma zurückkehren, das gerade von schweren Unruhen erschüttern wird. Regimegegner bitten Suu, die als Tochter eines Volkshelden sehr populär ist, den Vorsitz der neu gegründeten Partei für ein demokratisches Burma zu übernehmen. Trotz Drohungen und Gewalt gegen sich und ihre Anhänger führt Suu einen unermüdlichen Wahlkampf und gewinnt. Die Militärs erkennen den Sieg jedoch nicht an und stellen sie unter Hausarrest. Der Kontakt zu ihrem geliebten Mann und den Kindern ist schlagartig auf ein Minimum beschränkt, bald wird er komplett verboten. In England versucht Michael Aris derweil die Friedensbemühungen seiner Frau voranzutreiben und auf das Schicksal seiner Frau und ihres Heimatlandes aufmerksam zu machen. Als er dann aber erkrankt, muss Suu eine schier unmögliche Entscheidung treffen: Sie dürfte nach England ausreisen, doch anschließen nie wieder nach Burma zurück. Der Kampf um die Freiheit eines Volkes steht dem Wunsch nach persönlichem Glück gegenüber.
Wären es Zoe Saldana, Milla Jovovich oder Natalie Portman, würden sie unter der Regie von Luc Besson wahrscheinlich eine Waffe zücken und mit handfester Gewalt versuchen den Konflikt zu lösen. Aber von dieser Vorstellung muss man sich bei diesem neuesten Werk des Franzosen Luc Besson verabschieden. Hier erlebt der Zuschauer kein Actionkino, wie er es von dem Produzenten und Regisseur von Filmen wie ‚Columbiana‘, ‚Das fünfte Element‘ oder ‚Leon – Der Profi‘ gewohnt ist, sondern eine handfeste, geschichtliche Aufarbeitung, bei der von Beginn an klar ist, dass es eine Herzensangelegenheit Bessons war, diese Geschichte zu erzählen. Dabei legt er zuerst die tragischen Grundvoraussetzungen fest, die den wichtigsten Männern in Suus Leben wiederfahren. Zuerst springt er in das Jahr 1947, wo Aung San Suu Kyi in ihrer Heimat Rangun noch liebevoll von ihrem Vater umsorgt wird, bevor dieser bei einer Kabinettssitzung der Anti-Fascist People’s Freedom League gemeinsam mit sechs weiteren Mitgliedern ermordet wird. Daraufhin sehen wir ihren Ehemann Michael Aris im Oxford des Jahres 1998, wo dieser bereits sterbenskrank seinen eigenen Überlebenskampf gegen den Krebs führt – und verlieren wird. Erst nachdem diese beiden markanten Punkte gesetzt wurden, beginnt der Film mit der Erzählung von Aung San Suu Kyi, einer Frau die sich durch den grausamen Mord an ihrem Vater, dem Leiden ihres Volkes und dem späteren Verlust ihres Ehemannes ein Leben lang mit dem Tod beschäftigen musste.
Aung San Suu Kyi Söhne Kim (Jonathan Raggett) & Alexander (Jonathan Woodhouse)sowie Ehemann Michael (David Thewlis) nehmen den Friedensnobelpreis entgegen
In ihrer Heimat ist das Bild ihres Vaters bereits längst zum Symbol für den Frieden geworden, die Menschen hier sehen in seiner Tochter die einzige Rettung aus ihrer Misere. Nur Suu ist in der Lage, das Land in die Freiheit zu führen, da sich die Menschen aufgrund ihrer Abstammung automatisch hinter ihr versammeln würden. Zweifel sind sichtlich vorhanden, nicht umsonst trägt der Film in Deutschland den Zusatz „Ein geteiltes Herz“. Dieses wird bei jeder Entscheidung, die Suu treffen muss in Anspruch genommen, da es sich zumeist um Situationen handelt, bei der sie sich für ihr Land oder für ihre Familie entscheiden muss – so gut wie immer gewinnt hierbei ihr Land. Michelle Yeoh spielt mit unergründlicher Miene, lässt den Zuschauer an den Gefühlen teilhaben, die auch ihr Volk aus ihrem Gesicht ablesen kann. Mit diesen Zügen steht sie fest hinter dem militärisch unterjochten Burma, lässt niemals einen Zweifel aufkommen, der sie selbst plagen könnte. Aber das ist nur die Oberfläche, denn natürlich sehnt sich Suu nach ihrer Familie, in wenigen Momenten sehen wir Yeoh diese Gefühle dezent ausdrücken, oftmals durch eine einzelne Träne, erst später auch durch emotional starke Ausbrüche. Die Rückkehr nach Oxford ist niemals vergessen, sondern stets präsent, aber sie bleibt „So lange wie es eben dauert“ in Burma. Sie allein muss dort Stärke beweisen und mit öffentlichen Reden vor Millionen von Menschen die Nachricht von möglicher Demokratie und Freiheit unter das Volk bringen. Da das in den Augen des Militärs ein zu erfolgreich laufendes Unterfangen ist, wird Suu von der Welt abgeschnitten, darf ihren Mann nicht mehr sehen, das Haus nicht mehr verlassen und sich schon gar nicht vor dem Volk zeigen. Damit beginnt die immense Belastungsprobe, auf die sie, aber auch ihre Familie gestellt wird, die lange Zeit nichts von ihr zu hören bekommt. Ihr Ehemann schlägt sich durch den Alltag, während Suu in einen Hungerstreik tritt, der sie gefährlich abmagern lässt.
Hier tritt David Thewlis in Erscheinung, der zuletzt in Filmen wie Roland Emmerichs ‚Anonymus‘ und Steven Spielbergs ‚Gefährten‘ zu sehen war. Geplagt von der Situation, bleibt er standhaft hinter den Überzeugungen seiner Frau stehen, unterstützt sie mit kleinen Gesten, aufbauenden Worten, aber auch mit dem Engagement um ihre Ernennung zur Friedensnobelpreisträgerin. Aris wird von Thewlis geradezu hilflos dargestellt, wenn es um seine eigene Person geht, sein Talent liegt auf der Unterstützung einer Ehefrau. Er überzeugt als der verschrobene Universitätsprofessor, der liebevoll und fürsorglich das Leben seiner Frau im Auge behält, während sie all ihre Kraft auf die eine Sache in ihrem Leben lenkt, die ihr über alle Maßen hinweg wichtig ist. 1991 erhält sie hierfür durch die Bemühungen ihres Mannes den Friedensnobelpreis überreicht, obwohl sie sich in Burma immer noch in Gefangenschaft befindet. Es ist eine nette und wegweisende Geste, die aber auch falsch wirkt. Während die Preisträgerin isoliert und abgeschottet in ihrer Heimat festsitzt, feiert die Nobelpreisgesellschaft ausgelassen den Neuzugang mit einem Glas Champagner. Man mag nur hoffen, dass dieser Friedenspreis einen kleinen Teil zu der Freilassung beigetragen hat, ansonsten wäre es eine zumindest filmisch gänzlich fehlwirkende Ehrung gewesen.
‚The Lady‘ arbeitet auf genau zwei Ebenen geradezu hervorragend. Zum einen ist das der Zwiespalt von Aung San Suu Kyi, die neben dem Kampf um Freiheit auch den inneren Kampf mit sich selbst führt, lässt sie doch ein Leben lang ihre Familie im Stich, auch wenn diese ihre Beweggründe utopisch verständnisvoll über sich ergehen lässt. Zum anderen ist es die bedrückende Isolation die dieser Frau wiederfährt und die viele Jahre lang anhält. Die Nachricht ihrer Freilassung wirkt dermaßen emotional, wenn auch leise und zurückhaltend inszeniert, dass sich auch der Zuschauer dementsprechend befreit fühlen wird. Am Ende wird Luc Besson genau das geschafft haben, was er bezweckt hatte. Die Leiden und das Schicksal einer Frau aufzuzeigen, die für ihre Heimat eingetreten ist ohne dabei auf ihr persönliches Befinden zu achten, aber auch die Unterstützung ihrer geliebten Familie bekommen hat. Damit hat er Aung San Suu Kyi ein wichtiges Denkmal gesetzt.
Denis Sasse
‘The Lady – Ein geteiltes Herz‘