Michael Schmidt-Salomon – Keine Macht den Doofen

Das neu­este, vor eini­gen Tagen erschie­nene Buch „Keine Macht den Doofen” von Michael Schmidt-Salomon ist tat­säch­lich eine Streitschrift, eine recht pole­mi­sche sogar, die nicht jedem gefal­len wird und von ihrem Inhalt her auch nur in Ländern west­li­cher Prägung ver­öf­fent­licht wer­den konnte. Allein schon durch seine Abrechnung mit den Religionen würde er in etli­chen Regionen der Welt mit dem Tode bestraft wer­den. An vie­len Stellen gewinnt man den Eindruck, hier hat sich jemand sei­nen Ärger über die Zustände in der Welt von der Seele geschrie­ben, denn obwohl nur 124 Seiten lang, hat es das Buch mit sei­nen sechs Kapiteln durch­aus in sich. Trotz der meist har­schen und scho­nungs­lo­sen, aber berech­tig­ten, Wortwahl, liest sich das für jeden ver­ständ­li­che Buch mit sei­nem ironisch-sarkastischen Unterton den­noch ange­nehm, oft mit einem Schmunzeln.

keine macht den doofen buchcover Michael Schmidt Salomon Keine Macht den DoofenGleich im ers­ten Kapitel „Homo demens — Warum ich mich schäme, Mensch zu sein” geht es dem Homo sapi­ens an den Kragen:

Ein ein­zig­ar­ti­ger Blutstrom zieht sich durch die Jahrhunderte, er ist der rote Faden in jener sinn­lo­sen Aneinanderreihung von Mord udn Totschlag, Ausbeutung und Gewalt, die sich Geschichte nennt.
[…]
Kein noch so neu­ro­ti­scher Schimpanse würde jemals in den Krieg zie­hen, um zu bewei­sen, dass er den coo­le­ren ima­gi­nä­ren Freund (»Gott«) an sei­ner Seite hat.
[…]
noch immer bil­den wir auf­recht gehen­den Deppen uns ein, dass das Universum von einem »Schöpfergott« exklu­siv für uns und die Unsrigen erschaf­fen wurde.

Anschließend macht er mit dem Leser einen Parforceritt durch die Entwicklung des Universums, in dem er das Lebensalter des Universums auf ein Kalenderjahr umlegt. Bei die­ser Betrachtungsweise taucht der Homo sapi­ens erst am 31. Dezember, wenige Minuten vor Mitternacht aus dem Dunkel der Geschichte auf und erst in den letz­ten Millisekunden vor Mitternacht

[…] erfand [er] nicht nur den Blitzableiter, die Glühbirne und die Digitalkamera, son­dern schlach­tete auch Hunderte Millionen Artgenossen in unzäh­li­gen Kriegen ab.

Ob die­ses Ablaufs der Geschichte des Universums, kann man nur von Größenwahn spre­chen, sich nicht nur als Mittelpunkt des Universums zu betra­chen, son­dern sich auch noch mit dem Namen Homo sapi­ens zu schmü­cken. Weisheit sieht anders aus. Unser Verhalten als Spezies gleicht eher dem eines Homo demens, trotz unse­rer unbe­streit­ba­ren Fähigkeit zu Erkenntnis und ratio­na­lem Handeln, denn wir wei­gern uns wie­der bes­se­ren Wissens anzu­er­ken­nen, daß wir

[…] bloß »Leben sind, das Leben will, inmit­ten von Leben, das leben will«

Als Ursache für das Fehlverhalten des Homo demens prägt Schmidt-Salomon den Begriff des ideo­lo­gi­schen Hirnwurms. Dieses leicht ver­ständ­li­che Sprachbild ent­nimmt er dem selbst­mör­de­ri­schen Verhalten von Ameisen, deren Gehirne von Leberegel-Larven befal­len sind. Diese ver­las­sen ihren Bau, klet­tern bis zur Spitze eines Grashalmes, bei­ßen sich dort fest um von einem Säugetier gefres­sen zu wer­den. Das nur für die Ameise töd­li­che, irr­sin­nige Verhalten ermög­licht es dem Leberegel sei­nen Lebenszyklus in der Galle des Endwirtes zu schlie­ßen. Im Grunde greift er mit dem Hirnwurm den vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins 1976 gepräg­ten Begriff des Mems auf. Gemeint sind damit Ideen, die sich in den Köpfen fest­setz­ten und einer Infektion gleich, von Indididuum zu Individuum wei­ter­ge­ge­ben wer­den. So kann nach dem Autor der Befall mit Hirnwürmern zu selek­ti­ven Minderbegabungen — dem Gegenstück von Inselbegabungen — füh­ren, wie er in den fol­gen­den Kapiteln näher aus­ge­führt.

Gleich im zwei­ten Kapitel „Die wun­der­same Welt der Religioten“ wird der wohl gefähr­lichste Hirnwurm vorg­stellt: Die irr­sin­ni­gen Vorstellungen der Religionen, wel­che von deren Vertretern, meist schon im Kleinkindalter, nahezu irre­ver­si­bel in die Köpfe der Menschen ein­pflanzt wer­den und seit Jahrtausenden immer wie­der zu den schreck­lichs­ten Massakern füh­ren. Das Ergebnis sind Religioten, die Kurzform von reli­giö­ser Idiotie, die besagt, daß selbst ansons­ten voll­kom­men ver­nünf­tig han­delnde Menschen in Bezug auf ihre reli­giöse Glaubenswelt sich wie Idioten ver­hal­ten. Ausführlicher geht er in sei­ner Streitschrift „nur“ auf den Irrsinn der drei Monotheismen ein, weil eine Abhandlung ande­rer Religionen den Rahmen gesprengt hätte, ohne zu einem Mehr an Erkenntnis bei­zu­tra­gen. In anbe­tracht des­sen, welch gro­ber Unfug allein in Judentum, Christentum und Islam geglaubt wird — mit ent­spre­chen­den Folgen für die Menschen —, ist dies für die Erklärung aus­rei­chend und mit dem Terminus des Religioten ein adäqua­ter Fachbegriff gefun­den (S. 42f):

Religiotie ist eine sel­ten dia­gnos­ti­zierte (wenn auch häu­fig auf­tre­tende) Form der geis­ti­gen Behinderung, die durch inten­sive Glaubensindoktrination vor­nehm­lich im Kindesalter aus­ge­löst wird. Sie führt zu deut­lich unter­durch­schnitt­li­chen kogni­ti­ven Leistungen sowie zu unan­ge­mes­se­nen emo­tio­na­len Reaktionen, sobald es um glau­bens­re­le­vante Sachverhalte geht. Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht not­wen­di­ger­weise in einem gene­rell redu­zier­ten IQ nie­der­schlägt: Religioten sind zwar welt­an­schau­lich zu stark behin­dert, um die offen­sicht­li­chen Absurditäten ihres Glaubens zu erken­nen, auf tech­ni­schem oder stra­te­gi­schem Gebiet kön­nen sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hoch­in­tel­li­gent sein.

Schmidt-Salomon erhebt aber kei­nen Anspruch dar­auf, den Begriff erfun­den zu haben, denn die­ser wird in diver­sen Foren schon seit län­ge­rer Zeit benutzt, jedoch bis­her nicht in der gedruck­ten Literatur.

Ausgehend von der Religiotie über­trägt er das Prinzip der selek­tiv ver­min­der­ten Erkenntnisfähigkeit in den fol­gen­den Kapiteln ana­log auf andere Themenbereiche. So in „Schwarmdummheit — Wie Ökono­mio­ten die Welt zugrunde rich­ten“ auf die Ökono­mie, ins­be­son­dere auf die Finanzwelt mit ihren aber­wit­zi­gen Geldgeschäften, und in „Die Torheit der Regierenden — Politioten an der Macht“ auf Politik und Ökolo­gie. Dies scheint inso­fern durch­aus gerecht­fer­tigt zu sein, wer­den doch auch Ökono­mie, Politik und Ökolo­gie von mehr oder weni­ger star­ken Glaubensgrundsätzen geprägt, die nicht mehr hin­ter­fragt wer­den. Dennoch wer­den seine ökono­mi­schen Thesen wohl auf am meis­ten Widerspruch ern­ten, wird doch Einiges von ihm zu sehr ver­ein­facht. Durchgängiger Kernpunkt des Buches ist, daß sich der Mensch Systeme mit ver­hee­ren­den Auswirkungen schafft, aber gleich­zei­tig inner­halb eines Systems durch­aus ratio­nal han­delt und in der Gruppe kri­ti­sches Hinterfragen nicht mehr statt­fin­det. Darüberhinaus weist Schmidt-Salomon auch auf die Tatsache hin, das eine wei­tere, zutiefst mensch­li­che Eigenschaft, die Angst vor Macht- und Ansehensverlust durch das Eingeständnis eige­ner Fehlerhaftigkeit, die Probleme wei­ter ver­schärft. Besonders deut­lich wird dies in poli­ti­schen Auseinandersetzungen:

Denn im Unterschied zu phi­lo­so­phi­schen Debatten haben sie nicht das Ziel, die Diskutanten gemein­sam wei­ter­zu­brin­gen, son­dern die Gegner an ihrer schwächs­ten Stelle zu tref­fen. Während das über­zeu­gende Argument in der phi­lo­so­phi­schen Debatte ein Geschenk ist, das den Beteiligten die Chance bie­tet, Irrtümer zu über­win­den, ist das Argument in der poli­ti­schen Debatte eine Waffe, die ein­ge­setzt wird, um unlieb­same Kritik an der eig­nen Person abzu­weh­ren.

Dennoch schei­nen die diver­sen Idiotien nicht unheil­bar zu sein, wie der Autor an sich sel­ber fest­stel­len durfte, hat er sich doch durch Lernen von der Ökolo­gio­tie hei­len kön­nen.

Dementsprechend legt er in „Willkommen in der Matrix — Auch Dummheit will gelernt sein“ dar, warum nur Bildung, nicht Wissen allein, der Schlüssel zu einer bes­se­ren Welt sein kann. Aber hier­für müsste unser gesam­tes Bildungssystem vom kurz­fris­ti­gen Faktenlernen (für die nächste Prüfung), auf das Erlernen des Erkennenes von Zusammenhängen umge­stellt wer­den. Faktenwissen ist hilf­reich und kann beein­dru­ckend sein, ist in der heu­ti­gen, hoch­kom­ple­xen Zeit aber nicht mehr aus­schlag­ge­bend, da von prak­tisch über­all aus belie­bige Fakten in kür­zes­ter Zeit nach­ge­schla­gen wer­den kön­nen.

Inhaltlich schließt die Streitschrift mit „Keine Macht den Doofen — Ein Aufruf zum Widerstand“, mit einem ein­dring­li­chen Appell an die Vernunft, die Fähigkeiten der Art Homo demens zu nut­zen, um sich auf den Weg zum Homo sapi­ens zu bege­ben:

Denken Sie nur an die phan­tas­ti­schen Möglichkeiten der Technik, die groß­ar­ti­gen Erkenntnissender Wissenschaft, die wun­der­ba­ren Schöpfungen der Kunst! Ist es nicht beein­dru­ckend, was die Menschheit trotz all der Irrungen und Wirrungen der Geschichte, trotz aller eng­stir­ni­gen Zensurversuche von Religioten und Politioten auf die Beine stel­len konnte?

Der Schlachtruf für die von Schmidt-Salomon gefor­derte Reformbewegung lau­tet daher, in Anspielung auf das Pamphlet „Empört Euch!“ von Stéphane Hessel: Entblödet Euch!

Die letz­ten Seiten des Buches umfas­sen die 101 Anmerkungen, mit Quellenangaben und wei­ter­füh­ren­der, inter­es­san­ter Literatur, von denen gerade die neue­ren Titel noch nicht son­der­lich bekannt sein dürf­ten.

Alles in Allem sind die von Schmidt-Salomon in die­sem preis­lich ange­mes­se­nen Buch ver­tre­te­nen Thesen nicht wirk­lich neu, aber in ihrer Kürze und (pole­mi­scher) Prägnanz bis­her so nicht zu fin­den. Darüberhinaus fin­den sich Einblicke und ergän­zende Informationen auf der das Buch beglei­ten­den Webseite.

[mit freund­li­cher Genehmigung des Feuerwächters]


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