MFT, APS-C, Vollformat oder gleich Mittelformat? Wie viel Sensor braucht der Mensch?

Liegt das fotografische Glück in erster Linie darin möglichst feine Details möglichst rauscharm aufnehmen und am Bildschirm in der Vergrößerung zu bewundern, ist größer definitiv besser. Zieht man auch andere Aspekte in Betracht wird das Bild differenzierter.

Mit diesem Artikel versuche ich ein differenziertes Bild zu zeichnen. Natürlich spiegelt er meine subjektive Sichtweise. Jede Sichtweise ist subjektiv! Wo jemand behauptet seine Sichtweise sei die objektive sollte man schleunigst abschalten.

Meine Meinung ist geprägt von meiner positiven Erfahrung mit Micro FourThirds, vor dem Hintergrund jahrelanger Arbeit mit APS-C und Vollformat. Es geht nicht darum irgendjemandem MFT zu verkaufen oder Vollformat auszureden. Es geht mir darum, dass ein Kamerasystem mehr ist, als Auflösung, Rauschverhalten und Dynamikumfang. Das sind drei von vielen Aspekten die eine Kamera zu dem machen, was sie ist. Praktisch haben diese drei Faktoren – das ist zumindest meine Überzeugung – für die überwältigende Mehrheit der Fotografen, Motive und Ausgabebedingungen bei weitem nicht die Bedeutung, zu der sie von Technik-Freaks aufgeblasen werden.

Ich beziehe mich hier in erster Linie auf Vollformat und MFT, weil sie in Sachen Sensorgröße die relevanten Pole bilden. Doch was es dazu zu sagen gibt, gilt natürlich ebenso für APS-C. APS-C ist quasi der goldene Mittelweg zwischen Vollformat und MFT, was selbstverständlich auch bedeutet, dass man die besonderen Stärken und Schwächen der anderen Sensorformate immer nur halb teilt.

Auflösung

Theoretisch kann man nicht genug Auflösung haben. Praktisch jedoch ist alles, was über das hinausgeht, was man braucht, überflüssig. Und bringt Nachteilen mit sich. Ich weiß seit Jahren, dass 18MP (Megapixel) genug für mich sind. Damit erreiche ich A3 bei 300ppi. Größere Formate drucke ich nicht. Mehr Pixel pro Inch würden nicht mehr bringen – das Auge kann feinere Details nicht unterscheiden. Wie viel Megapixel man für welche Ausgabebedingung braucht habe ich in »Auflösung und Druckformat« beschrieben.

Viele sehen den Vorteil einer großen Sensorauflösung darin, dass beim Zuschneiden von Aufnahmen auf kleine Ausschnitte mehr Auflösung übrig bleibt. Übersehen wird dabei, dass sich höhere Auflösung wie eine Lupe auf jede Art der Unschärfe auswirkt. Mir fiel das praktisch so richtig auf, als ich vor Jahren von einer 12MP (Vollformat)-Kamera auf eine mit 24MP umstieg. Verschlusszeiten die ich zuvor problemlos vollständig scharf aus freier Hand halten konnte, zeigten plötzlich Unschärfen in den Details. Winzige Fehlfokussierungen – beispielsweise wenn bei Offenblende auf eine Wimper statt auf Pupille und Iris fokussiert wurde – ließen Aufnahmen misslungen wirken. Croppen von Bildern vergrößert all diese Schwächen.

Je höher die Auflösung, desto präziser muss fotografiert werden. Stative und Blitze sind häufiger notwendig. Ich glaube nicht, dass die Präzision die für hochaufgelöste Aufnahmen erforderlich ist, durch Bildstabilisierung zu erreichen ist.

Detailschärfe

Doch nicht nur die Unruhe der Kamera wird mit mehr Auflösung feiner festgehalten. Auch optische Schwächen der Optiken. Das heißt, man braucht exzellente Schärfeleistung, um hoher Auflösung ausreichend feine Details zu liefern. Nach meiner Erfahrung leisten heute zwar auch preiswerte Optiken überraschend scharfe Details, allerdings meist mit deutlichem Schärfeabfall zu den Rändern und Ecken hin. Wer kompromisslose Qualität erwartet kommt nicht um die Investition in adäquate und teure Optiken herum.

Hinzu kommt, dass Vollformatobjektive selten ab Offenblende mit maximalem Kontrast und Detailschärfe abbilden, schon gar nicht in den konsumentenfreundlichen Preisklassen. Bestleistungen werden erst durch Abblenden erreicht. Kleinere Sensoren können das offensichtlich besser – zumindest bei meinen MFT-Linsen haben meine Tests ergeben, dass sie durchwegs bereits ab Offenblende praktisch dieselbe Schärfe und denselben Kontrast liefern, wie unter Abblendung.

Auf der anderen Seite verliert man durch die sogenannte Beugungsunschärfe auch mit kleinen Blendenöffnungen Schärfe. Nach Faustregel wird bei Vollformat der Verlust ab Blende ƒ22 sichtbar, bei APS-C etwa ab Blende ƒ16 und bei MFT ab Blende ƒ11. Abhängig ist das natürlich von der Auflösung! Je höher die Auflösung, desto früher tritt Beugungsunschärfe zutage. Olympus wird schon gewusst haben, weshalb man die Blendeneinstellung für hochauflösende Aufnahmen mit 50MP und 80MP auf ƒ8 limitiert.

Brennweitenverlängerung

Kleinere Sensoren croppen von Natur aus Ausschnitte aus Motiven heraus – man spricht nicht umsonst vom »Crop-Faktor«. Diese sogenannte Brennweitenverlängerung bringt den Fotografen näher ans Motiv. Sie wird deshalb oft als Vorteil kleinerer Sensoren genannt. Vergessen wird dabei meist, dass der Vollformatfotograf seine Brennweitenverlängerung durch Zuschnitt am Computer erreichen kann. Einen Vorteil hat die Brennweitenverlängerung kleinerer Sensoren aber: Die bessere Bildstabilisierung. Vollformat kann diesen vermeintlichen Nachteil allerdings wiederum durch das bessere Rauschverhalten etwas ausgleichen.

Rechenleistung und Speicherplatz

Wer, wie ich, nicht über A3 druckt hat mit mehr als 18MP kaum einen nennenswerten Vorteil. Natürlich gibt es die Ausnahmen, in denen mehr tatsächlich mehr ist. Man muss aber auch abwägen, zwischen der Häufigkeit in der dieser Fall tatsächlich eintritt auf der einen Seite, und dem, was man dafür bereit ist in Computerleistung und Speicherplatz zu investieren auf der anderen.

Dynamikumfang

Der »Dynamikumfang« ist entscheidend dafür, wie groß die Differenz zwischen hellstem Weiß und tiefstem Schwarz ist, den ein Bildsensor aufzunehmen in der Lage ist. Für natürliche Szenen nimmt man einen maximalen »Motivkontrast« von 1.000.000:1 an. Der hellste Bereich – beispielsweise ein sonnenbeschienenes Schneefeld – ist eine Million Mal heller als der dunkelste – der lichtlose Abgrund in den Löchern eines Gullydeckels. Zum Vergleich: Im Vierfarbendruck auf Papier steht zur Wiedergabe eines Motivs (also auch einer Szene mit Schneefeld und Löchern im Gullydeckel) lediglich ein »Kontrastumfang« von 100:1 zur Verfügung.

Die menschliche Wahrnehmung verarbeitet einen Kontrast von etwa 10.000:1 (etwa 13,5LW; LW = Lichtwert = Blendenwert). MFT-Sensoren erreichen derzeit knapp 13LW Dynamikumfang, das entspricht einem Kontrast von 8.000:1. APS-C-Sensoren liegen zwischen 13LW und 14LW – 8.000:1 bis 16.000:1. Sensoren von Voll- und Mittelformatkameras erreichen nahezu 15LW, das entspricht 32.000:1.

Theoretisch klingt 32.000:1 immens besser als 8.000:1. Die praktische Auswirkung spiegelt sich allerdings eher in der Differenz zwischen 13 und 15 Lichtwerten (etwa 15%), als in den Zahlen des Kontrastverhältnisses (300%). Der Vorteil des höheren Kontrastumfangs: Wenn man in RAW fotografiert, lassen sich mit 15LW ±2LW mehr an Unter- oder Überbelichtung sichtbar machen, als wenn der Sensor nur 13LW verarbeitet.

In der Praxis ist allerdings zu bedenken, dass sich weder 13LW noch 15LW an Bildschirmen ausgeben lassen. Gute Bildschirme erreichen einen Kontrastumfang von etwa 1000:1. Apple verspricht zwar gerade 1.000.000:1 – Hersteller von Fernsehern geben schon länger Millionen an –, aber man darf davon ausgehen, dass das eher marketingtechnisch geschickt interpretierte Zahlen sind, als dass wir auf diesen Bildschirmen tatsächlich gleichzeitig das blendende Weiß eines sonnenbeschienenen Schneefelds, sowie das lichtlose Schwarz eines Lochs im Deckel eines Gullys sehen werden. Ich denke auch nicht, dass wir jemals Bildschirme haben werden die das leisten. Wozu auch? Wer will am Bildschirm schon geblendet werden?

Gehen wir also davon aus, dass 1000:1 noch lange Zeit ein üblicher Kontrast von Monitoren bleibt. Das entspricht 8LW. 8LW ist das, was man mit jeder Kamera erhält, wenn man im JPEG-Format fotografiert. Alles, was über diesen Kontrastumfang hinausgeht, verliert man an Unter- und/oder Überbelichtung. Bei 13LW gehen 5LW verloren, bei 15LW sind es 7LW. Im RAW-Konverter kann man diese Lichtwerte außerhalb des JPEG-/Monitor-Kontrastumfangs quasi in ihn hinein verschieben, so dass in Unter- und Überbelichtung Zeichnung sichtbar wird. Das heißt aber nicht, dass wir am Monitor plötzlich einen Kontrast von 8000:1 oder 32.000:1 vor uns haben. Wir haben lediglich den großen Kontrastumfang in den kleinen hineingequetscht.

Das Resultat der Komprimierung des Kontrastumfangs fällt üblicherweise umso surrealer aus, je stärker komprimiert wird – ich verweise dazu auf den Artikel »Fotografie, Wahrnehmung, HDR«. Die Bilder dort sind zwar HDR-Bilder aus mehreren Belichtungen. Doch die Restaurierung von Tiefen und Lichtern einer RAW-Aufnahme im RAW-Konverter macht im Prinzip dasselbe mit denselben nicht wie richtige Fotos aussehenden Resultaten.

Als Beispiel zwei Aufnahmen mit hohem Motivkontrast und stark komprimierten Kontrastumfang. Das erste Bild zeigt eine Aufnahme die mit der E-M5 II entstand. dxomark.com gibt für ihren Sensor einen Kontrastumfang von 12,4 Lichtwerten an, bei der für die Aufnahme eingestellten ISO-Empfindlichkeit dürfte er merklich geringer gewesen sein. Trotz Lichter- und Schattenkorrektur im RAW-Konverter sind die Fenster völlig überbelichtet. Wenn man an so einem Tag an dieser Stelle steht, sind die Gläser farbig, nicht weiß.

MFT, APS-C, Vollformat oder gleich Mittelformat? Wie viel Sensor braucht der Mensch?Schwarzacher Pfarrkirche | Olympus E-M5 II | Panasonic LUMIX G Leica Summilux 15mm ƒ1.7 | 15mm (30mm KB) | ƒ11 | 1/20s | ISO1600 | Capture One Pro 20

Die folgende Aufnahme entstand beim selben Besuch, besteht allerdings aus fünf Belichtungen und wurde mit Aurora HDR zu einem Bild vereint. Durch die Belichtungsreihe konnte ich den Kontrastumfang von 12,4LW um 2LW erweitern und habe so vor allem in den Fenstern mehr Zeichnungen und die Farbe sichtbar gemacht. Das Resultat wirkt aber nicht mehr so, wie Fotos gewöhnlich aussehen. Hätte ich dasselbe mit einem RAW einer Kamera mit einem Dynamikumfang von 14,4LW erstellt und den Kontrast ebenso stark komprimiert, sollte das Resultat nicht viel anders aussehen.

MFT, APS-C, Vollformat oder gleich Mittelformat? Wie viel Sensor braucht der Mensch?Schwarzacher Pfarrkirche, HDR aus fünf Belichtungen | Olympus E-M5 II | Panasonic LUMIX G Leica Summilux 15mm ƒ1.7 | 15mm (30mm KB) | ƒ5.6 | 1/20s | ISO200 | Aurora HDR

Ich persönlich mag den HDR-Look, sofern er einigermaßen moderat angewendet wird (was mir selbst nicht immer zufriedenstellend gelingt). Ich bin auch der Ansicht, dass er dem, wie wir Motive wahrnehmen, näher kommt, als ein Foto mit Unter- und/oder Überbelichtung. Es gibt in unserer Wahrnehmung kein Äquivalent zu fotografischer Unter- oder Überbelichtung. Eine 1:1 Abbildung einer Szene mit einem Kontrast von 1.000.000:1 ist weder in unserer Wahrnehmung mit 10.000:1 möglich, noch mittels eines Monitors mit einem Kontrast von 1000:1.

Ja, ein höherer Kontrastumfang hat Vorteile und – anders als viel Auflösung – keine Nachteile. Wer Wert darauf legt, ist mit größeren Sensoren besser bedient (allerdings glänzt in dieser Beziehung bislang nicht jeder Vollformatsensor). Ob der Unterschied für die eigene Fotografie tatsächlich dermaßen Relevant ist, dass man dem Dynamikumfang bei der Entscheidung für ein Kamerasystem entscheidende Bedeutung beimisst, muss jeder für sich entscheiden. Für das Gros der Fotografen wird es keinen relevanten Unterschied machen, ob der Sensor 13LW oder 15LW leistet.

Bildrauschen

Beim Bildrauschen scheiden sich die Geister besonders. Ja, größere Sensoren haben ein besseres Rauschverhalten. Aber wieder stellt sich mir die Frage der praktischen Relevanz. Ich folgte lange Zeit auch der landläufigen Überzeugung MFT-Sensoren seien für Low-light-Aufnahmen oder gar Astro-Fotografie ungeeignet. Mittlerweile habe ich aber so viele Videos gesehen und Berichte gelesen, von Fotografen die genau das mit MFT machen und großartige Resultate erzielen, dass ich mich auch hier frage, ob der Unterschied praktisch tatsächlich von großer Relevanz ist. Noch einmal: Dass größere Sensoren diesbezüglich unter die Lupe genommen bessere Resultate liefern ist keine Frage. Die Frage ist, wie relevant ist es für Fotos als Ganzes?

Vor einigen Jahren habe ich beinahe parallel Bücher über die Nikon D7100 (APS-C) und die D600 (Vollformat) geschrieben und die beiden Kameras parallel nebeneinander auch in denselben Sessions eingesetzt. Die Unterschiede waren mehr als überschaubar.

Allerdings habe ich Rauschverhalten – anders wie andere Dinge – niemals mit eigenen Tests untersucht. Das Fazit des vorangegangen Absatzes ist subjektiv. Ich berufe mich dabei nicht auf eine möglichst objektive Untersuchung der Details – dabei hätten sich sicher Unterschiede gezeigt – sondern der globale Eindruck der Aufnahmen als Ganzes war nicht zu unterscheiden.

Ich vermute, es trifft auf nahezu alle zu, die beim Thema fotografische Qualität mit diskutieren, dass sie sich dabei mehr auf ihre subjektive Empfindung stützen, als dass sie die Unterschiede selbst im Rahmen möglichst objektiver Tests verglichen haben. Eine objektive Meinung kann man sich nur bilden, wenn man unter den identischen Bedingungen das gleiche Motiv mit verschiedenen Sensorgrößen ablichtet. Das kann ein spezialisiertes Labor besser, als ich selbst.

dpreview.com bietet für viele Kameramodelle die Möglichkeit ein Testchart mit ISO-Einstellungen von tief bis hoch detailgenau unter die Lupe zu nehmen und mit den Ergebnissen anderer Kameras zu vergleichen. Ich muss da immer recht genau hinsehen und gut überlegen um zur Entscheidung zu kommen, welches Resultat ich nun tatsächlich besser finde. Noch einmal: Größere Sensoren sind im Vorteil und liefern in der Regel bessere Resultate. Aber Rauschen kann man bei genauem Hinsehen in praktisch jeder Aufnahme finden, egal wie groß der Sensor ist. Der Unterschied liegt in Rauschen und etwas mehr rauschen. Und die Frage ist, welche praktische Relevanz hat es, wenn man in der Vergrößerung genau hinschauen und gut nachdenken muss, um zu entscheiden, welches von zwei Vergleichsbildern das bessere ist?

Bokeh

Größere Sensoren liefern ein schöneres Bokeh, heißt es. In »Bokeh und Schärfentiefe sind nicht dasselbe« habe ich erklärt, weshalb das nicht richtig ist. Größere Sensoren ergeben bei vergleichbaren Einstellungen geringere Schärfentiefe, aber das muss nicht heißen, dass das Bokeh deshalb auch ruhig und weich ist. Manche Objektive erzeugen ein harsches Bokeh. Dass die Möglichkeit Motive mittels Schärfentiefe vom Hintergrund freizustellen mit meiner MFT-Ausrüstung begrenzter ist, weiß ich aus der Praxis. Manches lässt sich mit MFT einfach nicht machen. Allerdings ist das Bokeh bei MFT zwar weniger unscharf, doch ich habe den Eindruck, dass das Bokeh oft sanfter und cremiger ausfällt. Mehr Schärfentiefe zwar, aber ein schöneres Bokeh. Natürlich gibt es Vollformatlinsen die ein Bokeh erzeugen, das den Enthusiasten wegbeamt. Doch wegbeamen dürften die meisten auch die Preiszettel die daran hängen.

Hinzukommt, dass von Bokeh vor allem Fotografen gefesselt zu sein scheinen. Unter »Bokeh wird überbewertet« habe ich ein Video eines Fotografen geteilt, der untersuchte, wie Bokeh auf Betrachter wirkt, die selbst keine Fotografen sind. Das überraschende Ergebnis: Sie bevorzugen meist detailliertere Hintergründe. Bokeh scheint ein Fetisch von Fotografen zu sein.

Geringere Schärfentiefe hat übrigens nicht nur Vorteile. Die größere Schärfentiefe kleinerer Sensoren ist bei der Makrofotografie ein Vorteil. Oder, wenn unter Low-light-Situationen möglichst viel Schärfentiefe erwünscht ist. Wenn man mehrere Personen fotografiert, die in unterschiedlichen Entfernungen stehen, muss man die Blende schließen, um alle Personen im Bereich der Schärfentiefe zu erfassen. Unter Low-light-Bedingungen ein Problem, denn an sich sollte man des schwachen Lichts wegen die Blende weit öffnen. Ein Vorteil für den kleineren Sensor, der bei gleicher Blendeneinstellung mehr Schärfentiefe abbildet. Allerdings soll auch hier nicht unter den Tisch fallen, dass Vollformat das durch das bessere Rauschverhalten wieder etwas ausgleichen kann.

Transportabilität

Fotografiert man häufig unterwegs ist Gewicht ein wichtiger Aspekte bei der Wahl des Systems. Kleinere Sensoren ermöglichen kompaktere Systeme. Die aktuellen spiegellosen Vollformatkameras sind zwar auch kaum größer als professionelle MFT-Kameras, was allerdings daran liegt, dass diese MFT-Modelle ausreichend Volumen haben müssen, um für ausgedehnte Arbeiten gut in der Hand zu liegen und ausreichend Platz für gut zu bedienende Einstellungselemente zu bieten. MFT ermöglicht aber gleichzeitig Kameras in der Größe einer Zigarettenschachtel – mit Vollformat undenkbar, da schon der Durchmesser des Bajonetts größer ist. Es gibt MFT-Modelle die man samt Objektiv locker in eine Jackentasche stecken kann – für Vollformat müsste die Jacke dazu schon erstaunlich große Taschen mitbringen.

Entscheidend für Volumen und Gewicht eines Systems sind allerdings die Objektive, nicht die Gehäuse. Und zu kompakte Gehäuse sind bei etwas schweren Objektiven kontraproduktiv, da die Balance nicht mehr stimmt. Ein Vollformatsensor ist viermal so groß wie ein MFT-Sensor. Logisch, dass MFT deutlich kleinere Objektive erlaubt. Diejenigen, die meinen sie müssten das widerlegen, vergleichen meist die kompaktesten Vollformatobjektive mit den größten MFT-Linsen. Tatsächlich gibt es MFT-Objektive deren Filterdurchmesser deutlich geringer ist, als die Diagonale des Vollformats.

Das geringere Volumen schlägt sich häufig auch im Preis der Objektive nieder – optisches Glas ist teuer! Auch ein Aspekt!

Bildstabilisierung

Kleinere Sensoren lassen sich besser stabilisieren. Da ein Vollformatsensor die doppelten Seitenlängen eines MFT-Sensors hat, gehe ich davon aus, dass er mindestens doppelt so viel Platz bräuchte um vergleichbar stabilisiert zu werden. Olympus und Panasonic verfügen derzeit über die mit Abstand beste Bildstabilisierung. Sie lässt Verschlusszeiten aus freier Hand zu, an die mit Vollformat nicht zu denken ist. Natürlich kann sie nur die Unruhe des Haltens der Kamera ausgleichen. Bewegt sich das Motiv, ist die bessere ISO-Performance des größeren Sensors von Vorteil, die natürlich auch einen Teil der minderen Stabilisierung auszugleichen in der Lage ist.

Bedienung

Ein zentraler Aspekt bei der Wahl einer Kamera sollte die Bedienung sein. Ich besaß kurzzeitig eine Lumix G9. Ich finde sie eine tolle Kamera. Ich stellte aber rasch fest, dass ich mit ihr wegen der Bedienung mittels beschrifteter Knöpfe und Schalter nicht so arbeiten konnte, wie ich es von meinen OM-Ds gewohnt bin. In diesen Artikel gehe ich näher darauf ein. Auch mit der Pen-F konnte ich mich wegen des fest definierten Reglers für die Belichtungskorrektur nie voll anfreunden. Und aus demselben Grund könnte ich mir nicht vorstellen zu Fujifilm zu wechseln, so sehr mir gefällt, was die machen.

Handling und Haptik

Kaum weniger wichtig als die Bedienung ist, wie sich eine Kamera anfühlt. Sie muss gut in der Hand liegen und ich muss die Haptik mögen. Ich hatte immer ein Problem mit Kameras mit Plastik-Haptik. Kunststoff ist als Gehäusematerial für Kameras nicht schlecht. Es gibt ausgesprochen robuste Kunststoffe, sie sind leicht und nicht so anfällig für Kratzer wie beschichtete Metalle. Es fühlt sich für mich aber einfach nicht gut an.

Noch wichtiger ist, wie die Kamera in der Hand liegt. Besonders, wenn man ausgiebig und mit etwas größeren Objektiven damit arbeitet. Ich hatte noch nie eine Kamera die mir besser in Händen lag, als die E-M1 II. Auch das ist subjektiv. Ich kritisierte einst an einer Lumix, dass ihr mehr breit als tiefer Handgriff nicht gut in Händen liege. Ein Leser kommentierte, dass er finde, sie liege perfekt in Händen. Dasselbe wiederholte sich bei meinem Vergleich zwischen Lumix G9 und E-M1 II. Unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Hände, unterschiedliche Meinungen. Man muss eine Kamera in die Hand nehmen und schauen, wie sie sich anfühlt.

Autofokus, Serienbildgeschwindigkeit etc.

Je nach Motiv spielen auch Präzision und Geschwindigkeit des Autofokus und die Serienbildgeschwindigkeit eine Rolle. Diese ist allerdings nicht abhängig von der Sensorgröße. Die maximale Geschwindigkeit mit der sich Bilder in Serie aufnehmen lassen, ist für die meisten Fotografen irrelevant. Von einem schnellen und präzisen Fokus hingegen profitiert sicher jeder Fotograf, vor allem, wenn der AF nicht nur unter guten Lichtbedingungen rasch zuschnappt.

Meine 2015 auf den Markt gekommene E-M5 II ist noch nicht in der Lage für Vögel im Flug ausreichend schnell zu fokussieren. Dieses Motiv wurde mir erst mit der E-M1 II zugänglich. Es mag sein, dass es schon wieder Modelle gibt, die noch präziser scharfstellen – von Sonys neuem AF-System hört man Sagenhaftes. Aber ob das ausschlaggebend für die Entscheidung für ein System oder gar einen Systemwechsel sein sollte? Nächstes Jahr hat vielleicht schon wieder ein Anderer die Nase vorn. Wirkliche Schwächen scheint sich diesbezüglich jedenfalls kein Hersteller mehr zu erlauben.

Funktionen

Alle Hersteller kochen mit Wasser, die Grundfunktionen sind bei allen Kameras weitgehend dieselben. Die Modelle haben jedoch einen unterschiedlichen Funktionsumfang. Was ich bei Nikon kritisiert habe, war, dass sie den Funktionsumfang von Einsteigerkameras beschränkt haben, indem sie die Software zurück kastrierten – wohl um den Unterschied zu den teureren Modellen künstlich groß zu halten.

Bei Olympus ist das nicht der Fall: Die preiswerteste Modellreihe hat softwareseitig dieselben Funktionen, wie die teuren Modelle. Der Unterschied liegt in der Hardware (Elektronik, Robustheit, Abdichtung, etc.). Auch Panasonic liefert schon bei preiswerten Modellen einen großen Funktionsumfang. Wie das bei anderen Herstellern und bei den neuen spiegellosen Nikon-Modellen aussieht, kann ich nicht beurteilen.

Von Olympus weiß ich, dass sie einzigartige Funktionen bieten, wie beispielsweise Live-Bulb, Live-Composite und Live-ND zur Langzeitbelichtung, Pro Capture um Aufnahmen einzufangen, bevor man den Auslöser drückt, Perspektivenkorrektur in der Kamera oder Fokus-Bracketing (nicht alles das gibt es nur bei Olympus). Solche Spezialitäten können für bestimmte Fotografen durchaus interessant sein und stellen ein Kriterium bei der Wahl einer Kamera dar.

Video

Dazu kann ich als Fotograf der nicht filmt nicht viel sagen. Soweit ich es verfolge sind Canon und Panasonic sehr gut darin, Olympus und Nikon scheinen eher hinterher zu hinken. Panasonics MFT-Kameras scheinen bei Vloggern äußerst beliebt. Wer an Video denkt, muss natürlich auch diesen Aspekt bedenken.

DSLR oder Spiegellos?

Dieses Thema scheint mir in den aktuellen Debatten über Kamerasysteme bemerkenswert unterbelichtet. Dabei halte ich es für eine der wichtigsten Fragen, der man sich stellen sollte, wenn man in die Fotografie mit Systemkamera einsteigen möchte. Natürlich stellt sie sich nur mehr bei Nikon und Canon – kein anderer Hersteller hat noch beides. Aber das sind neben Sony die größten Player. Hat DSLR überhaupt noch eine Zukunft? Wenn ich mir die Entwicklung so ansehe habe ich Zweifel.

Nikon und Canon: APS-C oder Vollformat?

Auch das ist eine Frage, die ich mir stelle. Nikon und Canon haben aktuell jeweils vier Systeme: APS-C und Vollformat DSLR und APS-C und Vollformat spiegellos. Ich stelle es mir schwierig vor in Zeiten der Krise rasch ein vollständiges Objektivangebot für die beiden spiegellosen Systeme aus dem Boden zu stampfen und das an Interesse verlierende DSLR-System weiter zu pflegen. Ein Argument gegen MFT lautet häufig, dass Vollformat laufend billiger wird und der kleine Sensor (preislich) bald keine Berechtigung mehr hat. Aber was bedeutet das für die APS-C-Modelle dieser Hersteller? Ich frage mich, ob diese nicht rascher obsolet werden, als das MFT-System dessen Eigenschaften sich viel deutlicher von Vollformat unterscheiden.

Ich stelle damit nicht Fujifilms APS-C-System in Frage. Fuji hat kein Vollformat, sondern konzentriert sich auf APS-C und Mittelformat. In meinen Augen eine sinnvolle Strategie. Aber APS-C und Vollformat vom selben Hersteller leuchtet mir nicht ein, wenn die Preise für Kleinbildkameras tatsächlich weiter fallen.

Wohlgemerkt: Ich sage weder, dass die DSLR-Systeme von Canon und Nikon bald eingestellt werden, noch dass die APS-C-Spiegellosen dieser Marken ein kurzes Dasein fristen werden. Ich habe keine Kristallkugel! Ich stelle nur Fragen, von denen ich glaube, dass sie bedenkenswert sind.

Preisfrage

In der Bewertung der Preise einer Kamera scheinen Manche sehr simpel zu rechnen: Eine MFT-Kamera mit einem Viertel so großen Sensor wie Vollformat darf nur ein Viertel kosten. Das ist Unsinn! Eine Kamera ist keine Wurst, deren Qualität und Preis sich an der Menge Dekagramm bemessen lässt – das ist auch bei Wurst Blödsinn. Ein kleinerer Sensor ist billiger in der Herstellung – das ist richtig. Aber der Sensor ist nur ein Bauteil von vielen. Sowohl Qualität und Verarbeitung des Gehäuses, als auch die ganze Elektronik die sich darin befindet, tragen zum Preis bei. 3000 Euro für eine MFT-Kamera deren Elektronik und Gehäuse mit einem 6000-Euro-Vollformatmodell vergleichbar sind, scheinen mir auch dann angemessen, wenn der Sensor nur ein Viertel misst.

Und jetzt? MFT, APS-C oder Vollformat?

Kompliziert? Jedenfalls zu komplex, als dass man die Frage einfach auf größer ist besser reduzieren könnte. Meine Erläuterungen sollen zeigen, dass eine Kamera viel mehr ist, als Sensorgröße. Dass die Themen Auflösung, Rauschverhalten, Dynamikumfang und Bokeh viel zu aufgeblasen sind, und in der Praxis für die meisten Fotografen, in den meisten Situationen und für die meisten Ausgabebedingungen schlicht irrelevant sind. Alle Hersteller kochen mit Wasser, bei keinem wird man eine schlechte Kamera finden. Kameras im selbe Preissegment deren Einführung nicht allzu weit auseinander liegt, werden unterm Stich etwa dasselbe leisten. Jede Einsteigerkamera liefert heute bessere Resultate als vor zehn Jahren professionelle Topmodelle – und möchte ernsthaft jemand behaupten, dass man vor zehn Jahren nicht nicht professionell fotografieren konnte? Wer nicht in der Lage ist mit jeder derzeit auf dem Markt befindlichen Kamera professionelle Resultate zu erzielen, kann nicht fotografieren.

Wofür also soll man sich entscheiden? Wer nicht plant seine Kamera durch die Gegend zu schleppen und es sich leisten kann und will, hat eigentlich keinen Grund auf die unbestreitbaren Vorteile des Vollformats zu verzichten. Wer sich hingegen gerne von seiner Kamera begleiten lässt und keinen Blick auf die MFT-Modelle wirkt, ist selbst schuld. APS-C liegt wie gesagt dazwischen.

Tatsächlich zählt aber vor allem, wie sich eine Kamera für einen anfühlt, ob sie gut in Händen liegt, ob man die Haptik mag und ob man sich bei der Bedienung gleich irgendwie zuhause fühlt. Wenn man eine Kamera in die Hand nimmt und das Gefühl hat, die will ich haben, dann ist das auch meist die richtige. Egal ob da ein MFT-, APS-C- oder Vollformatsensor drin steckt.

Natürlich ist auch das eine Vereinfachung. Auch Liebe auf den ersten Blick ist keine Garantie dafür, dass man mit einer Kamera oder einem System dauerhaft glücklich wird. Datenblätter, Testberichte und Ratschläge von Freunden sind es aber noch viel weniger. Man muss es ausprobieren und riskieren sich falsch zu entscheiden. Nur die Zeit, die Praxis und die Erfahrung können es zeigen. Vielleicht wechselt man dann das Sensorformat. In welcher Richtung auch immer.


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