Studiobühne TWM
Antike modern und trotzdem irgendwie traditionell gibt es derzeit auf der Studiobühne der Theaterwissenschaften zu sehen. Das Team um Regisseur Jakob Arnold hat die „Metamorphosen“ des römischen Dichters Ovid für die Bühne adaptiert und stellen einzelne Szenen aus der antiken Mythologie in lateinischer Sprache vor. Das könnte sich für so manchen Nicht-Lateiner wie mich als Problem herausstellen, der nicht gerade die „Metamorphosen“ oder Gustav Schwabs „Sagen des klassischen Altertums“ gelesen hat. Noch dazu waren die Götter des Powerpoint bei der gestrigen Vorstellung in Sachen Übertitel nicht immer gnädig. Doch dank der kurzen Zusammenfassungen der einzelnen Szenen, die in dem ausführlichen Programmheft zu finden sind, kommt auch der größte Lateinmuffel bei dieser Inszenierung auf seine Kosten.
Das Grundthema der Geschichten, die im ersten Jahrzehnt nach Christus geschrieben wurden, ist die Liebe, die fast immer in einer Tragödie endet. Ob es nun das Liebespaar Thisbe und Pyramus ist, das auf der Flucht vor den Eltern ums Leben kommt, oder die berühmte Geschichte um Orpheus, der dabei scheitert, seine geliebte Frau Euridice aus der Unterwelt zu retten. Die Geschichten um Liebe, Helden und mystische Wesen sind zeitlos und können somit damals wie heute die Menschen fesseln.
Die Inszenierung von Arnold sind mehr als abwechslungsreich. Es gibt reine Schauspielsequenzen, in denen mit verteilten Rollen der Text rezitiert wird. Ein vierstimmiger Chor, ein stimmgewaltiger Solist und ein fünfköpfiges Orchester lassen die wunderschöne Musik von Florian Riebesel erklingen und drei Tänzer treten immer wieder auf und erzählen die Geschichte um Hermaphroditus sogar ganz ohne Worte. Durch die Geschichten führen vor allem der dämonisch und sarkastisch wirkende „Poeta Doctus“, gespielt von Jakob Gehlen und der Chorführer Esteban Muñoz, der eine große Opernstimme an den Tag legt.
Das Bühnenbild besteht aus vier Rahmen mit antiken Mustern, die an alte Mosaike oder Vasenmalereien erinnern und lassen die darin oft regungslos stehenden Figuren wie Gemälde wirken. Alternativ können sie auch umgedreht und verschoben werden und werden somit der Eingang zur Unterwelt. Dadurch dass die Elemente immer wieder verschoben werden und sich das Bild für den Zuschauer ständig „verwandelt“ wird die Kulisse auch dem Titel des Stücks gerecht.
Bemerkenswert sind auch die Kostüme. Der Chor ist ganz in schwarz gekleidet, was ihn mit dem Bühnenraum verschmelzen und ihn so in den Hintergrund treten lässt, auch wenn er ständig auf der Bühne präsent ist und beobachtet. Die Liebespaare passen in den Farben oder den Mustern ihrer Gewänder zusammen, die oft durch kleine Details die Verwandlungen darstellen (etwa Daphne, die sich in einen Lorbeerbaum verwandelt oder Scylla, die nach der Abweisung durch Minos zu einem Vogel wird). Dabei gibt es bei allen Kostümen nur die Farben Weiß, Schwarz, Gold und Rot.
Die Darsteller können durchweg überzeugen, selbst wenn sie in verschiedene Rollen schlüpfen und ihren Text in einer fremden Sprache trotzdem emotional und mitreißend gestalten müssen. Der wundervolle Klang der Texte, die in Hexametern verfasst sind, steht hierbei oft im Vordergrund, man hätte sie ja sonst genauso gut in Deutsch aufführen können. Aber gerade die Tatsache, dass diese tote Sprache auf der Bühne zum Leben erweckt wird, macht diese Inszenierung so außergewöhnlich.
„Metamorphoses“ ist heute Abend um 20.30 Uhr noch einmal auf der Studiobühne zu sehen und mit ganz viel Glück bekommt man auch noch Restkarten. Ansonsten kann man nur hoffen, dass die Inszenierung irgendwann wieder aufgenommen wird.