PJ Harvey, Zirkus Krone, München, 8. Juli 2011
Natürlich war die Enttäuschung am Ende groß. Darüber, dass dieses so eigen- wie einzigartige Konzert nach nur 21 Songs und knapp 90 Minuten schon zu Ende sein sollte und man von PJ Harvey und ihren drei Mitstreitern zu einer Zeit in den warmen Münchner Sommerregen geschickt wurde, wo andere, vermeintlich hippe Bands gerade dem Ende der Umbaupause ihres Supports entgegenschlummern. Natürlich wäre mehr davon schön gewesen und aus der hintersten Ecke des Kleinhirns meldete sich deshalb hoffnungsvoll der bitterböse Geiz, schadenfroh auf die teuren Ticketpreise verweisend, hämisch grinsend – allein, sein Keifen verhallte ungehört.
Denn dieses Konzert hatte, trotz der Kürze, alles, was es zu einem unvergesslichen macht. Unter dem erträglich gefüllten Zirkusrund kam eine spärlich ausgeleuchtete und karg bestellte Bühne zum Vorschein, geteilt in zwei von der Dunkelheit durchschnittene Räume. Rechts die Band, drei Musiker gesetzten Alters, deren prominentester wohl Harveys engster Freund und Dauerbegleiter John Parish ist. Links, von einem matten Spot aus der Finsternis geholt, die schwarz gewandete Polly Jean Harvey, geschmückt mit einer federbesetzten Hutkreation, mit der sie ohne weiteres auch in Ascot hätte punkten können. Das komplette Bild ähnelte am ehesten einer verlassenen Haltestelle früherer Jahrzehnte und es hätte kaum einen der Besucher gewundert, wenn Harvey den Abend statt mit dem Titelsong ihres aktuellen Albums „Let England Shake“ mit einem Cover von Lale Andersens „Lili Marleen“ begonnen hätte.
In Anbetracht der finsteren Dramatik dieses Abends wäre das auch nicht unpassend gewesen, statt des kreischenden und dunkel drohenden Vamps der früheren Jahre gibt Harvey ja mittlerweile eher die melancholische, im Wortsinn enttäuschte Einzelkämpferin. Die Songs ihrer letzten Platte befassen sich fast ausschließlich mit politischen Themen wie Krieg, Kolonialkonflikte, Herrschsucht und unüberschaubares Elend und so konsequent sie textlich zur Sache geht, so konsequent bringt sie auch jeden einzelnen dieser neuen Songs auf die Bühne. Zu Beginn eines jeden Stückes betritt sie beinahe majestätisch den ihr zugedachten Lichtkegel, zumeist mit ihrem derzeitigen Lieblingsinstrument, einer Art elektronischer Handharfe, ab und zu aber auch mit optisch harmonierender weißer oder schwarzer Gitarre. Zu ihrer festen und voluminösen Stimme gibt die Band einen satten, warmen und zuweilen fast kammermusikalisch anmutenden Sound hinzu.
Zwischen die neuen, grandiosen Stücke wie „The Glorious Land“, den Wechselgesang von „The Words That Maketh Murder“ und das sirenenhafte „On Battleship Hill“ flechten die vier zur Freude aller Anwesenden auch ein paar ältere ein: „Down By The Water“ und „C’Mon Billy“ aus ihrem wohl düstersten Album „To Bring You My Love“ aus dem Jahr 1995, „The Pocket Knife“ von „Uh Huh Her“ und vom vorletzten Solowerk „The White Chalk“ kommen „The Devil“ und ein berückendes „Silence“ zum Abschluss des Abends. Einzig Stücke aus den Anfangstagen, also von „Dry“ und „Rid Of Me“, bleiben sie schuldig, wahrscheinlich hätten diese ohnehin schlechter in die unmittelbare, fast schon familiäre Atmosphäre gepaßt, gefehlt haben sie deshalb kaum.
Für großartige Interaktion mit dem Publikum ist PJ Harvey ja weiß Gott nicht bekannt, auch hier waren es eher ein Hüsteln, ein verschämter Gruß der Band in einer der dunklen, fast gespenstischen Liedpausen. Ganz am Ende, als sich die vier, nun vereint im warmen Gelb des Kuppellichtes, verbeugten und den begeisterten Applaus entgegennahmen, da wirkte die scheue Dame richtiggehend entspannt und glücklich – zumindest das hatte sie mit den meisten Besuchern des Konzerts gemeinsam.