Messer
Support: Persona
Kranhalle, München, 7. November 2016
Man würde es sich wohl zu einfach machen, wollte man das Konzert der Münsteraner Post-Punk-Band Messer zum Intro einer eventuell über uns hereinbrechenden Vorhölle stilisieren, wenn in der kommenden Nacht tatsächlich ein brandgefährlicher, sexistischer Idiot wie Donald Trump das Ruder in den USA an sich reißen sollte. Zwar sind die Texte von Hendrik Otremba nach wie vor von tiefster Schwärze, aber eben bei weitem nicht so plakativ und unmittelbar, als dass sie sich als Proklamation gegen drohendes Weltenchaos eignen würden. Zumal dieses Risiko kaum kleiner werden würde, entschiede man sich über dem Teich in allerletzter Minute doch noch für das geringere Übel. Messer nehmen, soviel jedenfalls ist klar, in der Reihe lobenswerter musikalischer Ausnahmeerscheinungen hierzulande eine herausragende Stellung ein – seit nunmehr drei fabelhaften Alben ist ihnen jedweder Flirt mit dem Massengeschmack fremd, keinerlei Anzeichen also von hohler Sprechblasenhaftigkeit, erhöhtem Kuschelbedürfnis oder ähnlichen Glättungsversuchen. Messer bleiben gern sperrig, schemenhaft und somit schwer zu fassen, gerade mit der neuen Platte setzen sie sich einmal mehr bereitwillig zwischen alle Stühle, mischen knisternde, jazzige Elektronikelemente mit zackig schroffem Gitarrenkrach, tauchen in Abgründe und feiern Liebe, Lust und Untergang gleich mit. Warum sie damit einen so winzigen Club wie die Kranhalle im hiesigen Feierwerk nicht restlos ausverkauft, muß man die Band nicht fragen, denn die hat mit „Jalousie“ schon ihr Bestes gegeben – man darf die Frage deshalb gern mal an‘s oft allzu behäbige Münchner Publikum weiterreichen, das sich sonst ja gern vom Metropolenquerschnitt abheben will.
Wer dennoch vor Ort war, durfte eine Truppe in bester Spiellaune erleben: Versehen mit doppeltem Schlagwerk, das Otrembas düstere Sprachbilder perfekt sekundierte, kamen zu gleichen Teilen aktuelle wie ältere Stücke von „Die Unsichtbaren“ und „Im Schwindel“ zur Aufführung, allesamt angemessen druckvoll und schnörkellos. So freundlich der junge Mann am Mikrophon in den Liedpausen erscheinen mag, sein Vortrag schwankt ja stets zwischen Alex Kapranos‘ angedeutetem Stechschritt und dem marionettenhaften Todestanz eines Ian Curtis. Mal treibt es ihn zwischen den Schlägen seiner Drummer Philipp Wulf und Manuel Chittka hin und her, zuckt er entrückt zum hypnotischen Groove des „Gassenhauers“, später stellt er sich einfach ins Parkett, um seiner Band dabei zuzusehen, wie diese sich in einen gemeinsamen Rausch spielt. „Die Hölle“ gab’s natürlich trotzdem, wenn auch als Zugabe in Form des wohl besten Songs vom neuen Album – metallen klickende Beats als Textur zu verwegener Selbstverteidigungslyrik: „Wenn einer lügt kann auch ein anderer lügen, denkt sich der, der betrügt, wenn einer stirbt kann auch ein anderer sterben, denkt sich einer schnell und geht…“, der Mensch im selbsterzwungenen Versteck gefangen, unlösbar, auf ewig, wahrlich kein schöner Ausblick. Ein andere Zeile an anderer Stelle deshalb zum Trost für die Nacht und die Zeit danach: „Doch diese Welt läßt sich nicht träumen, sie läßt sich leben einfach so” – von Messer bekommt man, nicht nur an diesem Abend, also immer beides, Tristesse und Trost.
Das Album "Jalousie" von Messer ist kürzlich bei Trocadero Records erschienen, die EP "Kachelbad" (auch Trocadero) hält darüberhinaus wunderbare Remixe des Stücks "Detektive" von Thomas Moebius, Factory Floor und She Has A Cold Heart bereit.
Support: Persona
Kranhalle, München, 7. November 2016
Man würde es sich wohl zu einfach machen, wollte man das Konzert der Münsteraner Post-Punk-Band Messer zum Intro einer eventuell über uns hereinbrechenden Vorhölle stilisieren, wenn in der kommenden Nacht tatsächlich ein brandgefährlicher, sexistischer Idiot wie Donald Trump das Ruder in den USA an sich reißen sollte. Zwar sind die Texte von Hendrik Otremba nach wie vor von tiefster Schwärze, aber eben bei weitem nicht so plakativ und unmittelbar, als dass sie sich als Proklamation gegen drohendes Weltenchaos eignen würden. Zumal dieses Risiko kaum kleiner werden würde, entschiede man sich über dem Teich in allerletzter Minute doch noch für das geringere Übel. Messer nehmen, soviel jedenfalls ist klar, in der Reihe lobenswerter musikalischer Ausnahmeerscheinungen hierzulande eine herausragende Stellung ein – seit nunmehr drei fabelhaften Alben ist ihnen jedweder Flirt mit dem Massengeschmack fremd, keinerlei Anzeichen also von hohler Sprechblasenhaftigkeit, erhöhtem Kuschelbedürfnis oder ähnlichen Glättungsversuchen. Messer bleiben gern sperrig, schemenhaft und somit schwer zu fassen, gerade mit der neuen Platte setzen sie sich einmal mehr bereitwillig zwischen alle Stühle, mischen knisternde, jazzige Elektronikelemente mit zackig schroffem Gitarrenkrach, tauchen in Abgründe und feiern Liebe, Lust und Untergang gleich mit. Warum sie damit einen so winzigen Club wie die Kranhalle im hiesigen Feierwerk nicht restlos ausverkauft, muß man die Band nicht fragen, denn die hat mit „Jalousie“ schon ihr Bestes gegeben – man darf die Frage deshalb gern mal an‘s oft allzu behäbige Münchner Publikum weiterreichen, das sich sonst ja gern vom Metropolenquerschnitt abheben will.
Wer dennoch vor Ort war, durfte eine Truppe in bester Spiellaune erleben: Versehen mit doppeltem Schlagwerk, das Otrembas düstere Sprachbilder perfekt sekundierte, kamen zu gleichen Teilen aktuelle wie ältere Stücke von „Die Unsichtbaren“ und „Im Schwindel“ zur Aufführung, allesamt angemessen druckvoll und schnörkellos. So freundlich der junge Mann am Mikrophon in den Liedpausen erscheinen mag, sein Vortrag schwankt ja stets zwischen Alex Kapranos‘ angedeutetem Stechschritt und dem marionettenhaften Todestanz eines Ian Curtis. Mal treibt es ihn zwischen den Schlägen seiner Drummer Philipp Wulf und Manuel Chittka hin und her, zuckt er entrückt zum hypnotischen Groove des „Gassenhauers“, später stellt er sich einfach ins Parkett, um seiner Band dabei zuzusehen, wie diese sich in einen gemeinsamen Rausch spielt. „Die Hölle“ gab’s natürlich trotzdem, wenn auch als Zugabe in Form des wohl besten Songs vom neuen Album – metallen klickende Beats als Textur zu verwegener Selbstverteidigungslyrik: „Wenn einer lügt kann auch ein anderer lügen, denkt sich der, der betrügt, wenn einer stirbt kann auch ein anderer sterben, denkt sich einer schnell und geht…“, der Mensch im selbsterzwungenen Versteck gefangen, unlösbar, auf ewig, wahrlich kein schöner Ausblick. Ein andere Zeile an anderer Stelle deshalb zum Trost für die Nacht und die Zeit danach: „Doch diese Welt läßt sich nicht träumen, sie läßt sich leben einfach so” – von Messer bekommt man, nicht nur an diesem Abend, also immer beides, Tristesse und Trost.
Das Album "Jalousie" von Messer ist kürzlich bei Trocadero Records erschienen, die EP "Kachelbad" (auch Trocadero) hält darüberhinaus wunderbare Remixe des Stücks "Detektive" von Thomas Moebius, Factory Floor und She Has A Cold Heart bereit.