Messer
„No Future Days“
(Trocadero)
Sich stets von seinen Erwartungen leiten zu lassen ist selten eine kluge Entscheidung, das festgefügte Bild verengt den Blickwinkel und läßt kaum Überraschungen, kaum neue Erfahrungen zu. Hendrik Otremba beispielsweise, Sänger der Münsteraner Post-Punk-Kapelle Messer und längere Zeit schon als Buchautor unterwegs, erscheint vielen seiner Mitmenschen wohl als eher zurückhaltend grüblerischer Zeitgenosse, der zumeist dunklen Gedanken nachhängt – hört man sich die ersten drei Alben der Band an, käme man kaum auf den Gedanken, dass Otremba auch mal der Schalk im Nacken sitzt. Um so erstaunlicher kommt es einen an, wenn man bei der Lektüre seines letzten Romans „Kachelbads Erbe“, einer gleichwohl ziemlich düsteren Geschichte über kryonische Experimente in einer dem Untergang geweihten Welt, kleine, gekonnt eingeflochtene Hinweise auf den Autor und seine musikalische Profession trifft. Da erscheint ein Lieferwagen mit dem Nachnamen des Autors, werden Messer-Songs zitiert, fast sieht man das verschmitzte Lächeln des Schreibers beim Verfassen solcher Zeilen. Aber auch das ist natürlich nur eine Annahme, denn Otremba liebt offenkundig die Verzweigung, das Verknüpfen von Buch und Musik, auch auf der neuen Platte ist mit „Tod In Mexiko“ mindestens ein Bezug zur Literatur zu finden. Anders ist es wohl auch kaum denkbar, auch er wird an Prosa oder Song schließlich kaum in strikt getrennten Zeiträumen sitzen, es mischt sich, interagiert miteinander.
Noch ungewohnter allerdings ist der Sound der vorliegenden Platte, der sich mit Veröffentlichung der ersten Single „Anorak“ schon andeutete (es gibt davon sogar einen sehr feinen House-Mix) und hernach tatsächlich und nahezu durchgängig seinen Weg ins Werk fand: Reggae-Rhythmen, Dub- und Dancehall-Anklänge gar, Gitarren und Bass wippen mit ungewohnten Funkakkorden, einzig Otrembas Stimme bleibt so schneidend und unterkühlt wie gewohnt. Bei all den neuen, manchmal regelrecht beschwingt groovenden Klängen vergißt man fast, dass die Texte zu den neun Stücken eher den Schattenseiten des Lebens entnommen sind: Es ist dies, so liest man in einem Interview des Sängers mit dem Kaput-Magazin, ihr persönlichstes Album geworden, Gedankenspiegelungen mit sehr realen Ab- und Hintergründen aller Bandmitglieder, familiäre Verluste, Ängste, Einsamkeit und Suche nach Orientierung trifft man allerorten. Erinnerungen und Gedanken fungieren auf „No Future Days“ wie eine Art labyrinthisches Gebäude, vom Autor gebaut, vom Hörer betreten, der Weg hindurch oder heraus ist stets ein anderer, jede und jeder soll ihn anders erleben.
Von Otremba sind Deutungen oder gar Erklärungen nicht und niemals zu erwarten, sein Kunstbegriff ist ein freier, eigenverantwortlicher und das betrifft in diesem Falle sowohl den Verfasser als auch den Rezipienten. Namen wenigstens fallen in besagtem Gespräch, Holger Czukay von CAN spielt offensichtlich die Rolle des allgegenwärtigen Mentors, Wolfgang Paalen und Andrej Tarkowski werden erwähnt, mehr ist nicht zu haben. Was nicht schlimm ist, denn verrückte Erzählungen und Sprachbilder, Reizpunkte für die eigene Fantasie, Platz für Assoziationen also bietet die Platte reichlich. Zum Beispiel die „Tapetentür“ – getarnter Zu- oder Abgang für solche, die keine Aufmerksamkeit erregen, die unerkannt auftauchen und verschwinden wollen, sowie es ihnen gefällt. Das Äquivalent dazu vielleicht die „Jalousie“ des Vorgängers, dosierbarer Durchblick, Graubereiche, abgeschirmt. Genug davon – weitere Versuche, etwas zu beschreiben, erübrigen sich an dieser Stelle, denn die Wirkung stellt sich unmittelbar und für jeden auf seine Weise ein. Messer sind auf „No Future Days“, das vielleicht die größte Gemeinsamkeit ihres bisherigen Oeuvres, so schwer zu fassen wie zuvor, weil sie Neues wagen, nutzen sie sich nicht ab, bleiben unkalkulierbar, spannend.
13.03. Köln, Gebäude 9
14.03. Münster, Gleis 22
20.03. Hannover, Café Glocksee
21.03. Wuppertal, Die Börse
22.03. Saarbrücken, Sparte 4
23.03. Stuttgart, Merlin Kulturzentrum
24.03. München, Milla
25.03. Wien, Rhiz
26.03. Dresden, Scheune
27.03. Berlin, Musik und Frieden
28.03. Hamburg, Knust
„No Future Days“
(Trocadero)
Sich stets von seinen Erwartungen leiten zu lassen ist selten eine kluge Entscheidung, das festgefügte Bild verengt den Blickwinkel und läßt kaum Überraschungen, kaum neue Erfahrungen zu. Hendrik Otremba beispielsweise, Sänger der Münsteraner Post-Punk-Kapelle Messer und längere Zeit schon als Buchautor unterwegs, erscheint vielen seiner Mitmenschen wohl als eher zurückhaltend grüblerischer Zeitgenosse, der zumeist dunklen Gedanken nachhängt – hört man sich die ersten drei Alben der Band an, käme man kaum auf den Gedanken, dass Otremba auch mal der Schalk im Nacken sitzt. Um so erstaunlicher kommt es einen an, wenn man bei der Lektüre seines letzten Romans „Kachelbads Erbe“, einer gleichwohl ziemlich düsteren Geschichte über kryonische Experimente in einer dem Untergang geweihten Welt, kleine, gekonnt eingeflochtene Hinweise auf den Autor und seine musikalische Profession trifft. Da erscheint ein Lieferwagen mit dem Nachnamen des Autors, werden Messer-Songs zitiert, fast sieht man das verschmitzte Lächeln des Schreibers beim Verfassen solcher Zeilen. Aber auch das ist natürlich nur eine Annahme, denn Otremba liebt offenkundig die Verzweigung, das Verknüpfen von Buch und Musik, auch auf der neuen Platte ist mit „Tod In Mexiko“ mindestens ein Bezug zur Literatur zu finden. Anders ist es wohl auch kaum denkbar, auch er wird an Prosa oder Song schließlich kaum in strikt getrennten Zeiträumen sitzen, es mischt sich, interagiert miteinander.
Noch ungewohnter allerdings ist der Sound der vorliegenden Platte, der sich mit Veröffentlichung der ersten Single „Anorak“ schon andeutete (es gibt davon sogar einen sehr feinen House-Mix) und hernach tatsächlich und nahezu durchgängig seinen Weg ins Werk fand: Reggae-Rhythmen, Dub- und Dancehall-Anklänge gar, Gitarren und Bass wippen mit ungewohnten Funkakkorden, einzig Otrembas Stimme bleibt so schneidend und unterkühlt wie gewohnt. Bei all den neuen, manchmal regelrecht beschwingt groovenden Klängen vergißt man fast, dass die Texte zu den neun Stücken eher den Schattenseiten des Lebens entnommen sind: Es ist dies, so liest man in einem Interview des Sängers mit dem Kaput-Magazin, ihr persönlichstes Album geworden, Gedankenspiegelungen mit sehr realen Ab- und Hintergründen aller Bandmitglieder, familiäre Verluste, Ängste, Einsamkeit und Suche nach Orientierung trifft man allerorten. Erinnerungen und Gedanken fungieren auf „No Future Days“ wie eine Art labyrinthisches Gebäude, vom Autor gebaut, vom Hörer betreten, der Weg hindurch oder heraus ist stets ein anderer, jede und jeder soll ihn anders erleben.
Von Otremba sind Deutungen oder gar Erklärungen nicht und niemals zu erwarten, sein Kunstbegriff ist ein freier, eigenverantwortlicher und das betrifft in diesem Falle sowohl den Verfasser als auch den Rezipienten. Namen wenigstens fallen in besagtem Gespräch, Holger Czukay von CAN spielt offensichtlich die Rolle des allgegenwärtigen Mentors, Wolfgang Paalen und Andrej Tarkowski werden erwähnt, mehr ist nicht zu haben. Was nicht schlimm ist, denn verrückte Erzählungen und Sprachbilder, Reizpunkte für die eigene Fantasie, Platz für Assoziationen also bietet die Platte reichlich. Zum Beispiel die „Tapetentür“ – getarnter Zu- oder Abgang für solche, die keine Aufmerksamkeit erregen, die unerkannt auftauchen und verschwinden wollen, sowie es ihnen gefällt. Das Äquivalent dazu vielleicht die „Jalousie“ des Vorgängers, dosierbarer Durchblick, Graubereiche, abgeschirmt. Genug davon – weitere Versuche, etwas zu beschreiben, erübrigen sich an dieser Stelle, denn die Wirkung stellt sich unmittelbar und für jeden auf seine Weise ein. Messer sind auf „No Future Days“, das vielleicht die größte Gemeinsamkeit ihres bisherigen Oeuvres, so schwer zu fassen wie zuvor, weil sie Neues wagen, nutzen sie sich nicht ab, bleiben unkalkulierbar, spannend.
13.03. Köln, Gebäude 9
14.03. Münster, Gleis 22
20.03. Hannover, Café Glocksee
21.03. Wuppertal, Die Börse
22.03. Saarbrücken, Sparte 4
23.03. Stuttgart, Merlin Kulturzentrum
24.03. München, Milla
25.03. Wien, Rhiz
26.03. Dresden, Scheune
27.03. Berlin, Musik und Frieden
28.03. Hamburg, Knust