Es ist eigentlich ziemlich wunderbar mit anzusehen, wie Meryl Streep in Florence Foster Jenkins mit einem kleinen Asterix-Helmchen und blonder Perücke zu Richard Wagners Ritt der Walküren auf der Bühne steht. Hugh Grant kündigt dem zuschauenden Publikum ein Erlebnis an, das schockieren wird, eine Darbietung, die sie niemals vergessen werden. Dann schwingt der Vorhang auf, Blitz und Donner erhellen die Szenerie, betäuben die Ohren. Das Publikum entlädt seine Begeisterung. Die Theatralik gelingt, weil die Dame nur dastehen muss. Ihre Präsenz liegt ganz in der Darbietung, nicht in ihrer Stimme.
“Menschen behaupten, ich könne nicht singen – aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen hätte.” Ein markanter und wichtiger Satz für Regisseur Stephen Frears’ (High Fidelity, Die Queen, Philomena) Florence Foster Jenkins. In seinem Film geht es um die wirkliche Foster Jenkins, die keinen Ton treffen konnte. Ganz im Gegenteil zur Hauptdarstellerin Meryl Streep, die sich für diese Rolle ihre 20. Nominierung als beste Hauptdarstellerin bei der Oscar-Verleihung abholen durfte. Sie trifft hier jeden Ton der Original-Florence Foster Jenkins, deren Stimme wir in Aufnahmen beim Abspann hören dürfen – oder müssen.
Da hören wir dann jedenfalls, wie gut Meryl Streep eigentlich schlecht singen kann. In einer Traumsequenz des Films trällert Streep mit Treffsicherheit ein Liedchen und zeigt damit nebenher auch noch, dass sie eigentlich stimmlich talentiert ist – man nehme nur ihre Filme Music of the Heart, Into the Woods, Mamma Mia oder zuletzt Ricki – Wie Familie so ist. Hier allerdings liefert sie den Beweis für gutes Singen und gutes schlechtes Singen – also einer schauspielerischen Varianz der Gesangsstimme.
Florence Foster Jenkins
" data-orig-size="1000,657" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Meryl Streep als Florence Foster Jenkins und Hugh Grant als ihr Ehemann St Clair Bayfield
Der Film entführt uns ins New York des Jahres 1944, wo sich Foster Jenkins für den Erhalt der Musikkultur in ansonsten schweren und betrüblichen Zeiten einsetzt. Nach einem Abend in der Oper und einer beeindruckenden Leistung auf der Bühne, fasst sie den Entschluss, selbst ihre Gesangskünste zur Schau zur stellen. Ihr Ehemann St. Clair Bayfield (Hugh Grant) wird zu ihrem Manager, auch wenn er viel Zeit mit einer Affäre zu der viel jüngeren Kathleen Weatherley (Rebecca Ferguson) verbringt, während Florence sich vom Pianisten Cosmé McMoon (Simon Helberg) durch furchtbar klingende Auftritte begleiten lässt.
Natürlich zeigt sich Meryl Streep von ihrer besten Seite, als ob sie jemals etwas anderes tun würde. “Musik ist mein Leben. Musik ist wichtig” sagt sie und man kauft es ihr sofort auch als Schauspielerin ab. Aber sie verleiht Florence mehr als nur die Liebe zur Musik. Sie spielt diese Frau als naiven und exzentrischen Gutmenschen, die uns mitreißen kann, wenn ihr die Tränen in den Augen stehen – nicht aus Trauer, sondern aus Begeisterung über leidenschaftlich performte Gesänge. Nur durch diese Leidenschaft gelingt es Florence auch sich selbst auf die Bühne zu stellen und sich in talentierte Welten zu träumen, die sie zum Superstar werden lassen.
Aber auch wenn das Streep-Monster mit ihrem Schauspiel wieder die Massen unter sich begraben mag, so muss doch die Leistung von The Big Bang Theory-Darsteller Simon Helberg hervorgehoben und gelobt werden. Allein seine Mimik, seine Reaktionen auf die Nicht-Stimme von Foster Jenkins sind Gold wert. Mal freut er sich verschmitzt-bübisch darüber, dass er überhaupt so einen lukrativen Job bekommt, wie dieser Frau die Begleitmusik zu spielen, dann wieder scheint er seinen Unterkiefer nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen, so erstaunt-ungläubig lauscht er den Klängen, die sich arg nach sterbender Papagei anhören.
Florence Foster Jenkins
" data-orig-size="1000,665" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Cosmé McMoon (Simon Helberg) übt mit Florence Foster Jenkins (Meryl Streep)
Es ist aber nicht nur alles fantasierte heile Welt und Comedy. Es tut weh, die Zuschauerreaktionen mitzuerleben, wenn Florence auf der Bühne steht. Wir haben diese Frau durch das Spiel von Streep viel zu schnell in unser Herz geschlossen, als dass wir auf der Seite des Publikums sein könnten, die sich fragend-staunend über diese Person die Köpfe zerbrechen.
Zu Beginn gelingt es Ehemann Hugh Grant noch durch Bestechungsgelder, die Musikkritiker, Freunde und überhaupt die gesamte Zuschauerschaft dazu zu bringen, eher in Applaus zu verfallen als in Buh-Rufe. Der Saal wird mit ausgewählten Leuten gefüllt. Aber selbst unter ihnen kann manch einer den erschrockenen Blick nicht sehr gut überspielen. Und dieser bohrt sich dann in uns hinein.
Florence Foster Jenkins zeigt seine besondere Stärke einfach im Casting. Die alten Eisen Streep und Grant funktionieren wunderbar miteinander, aber auch zusammen mit den Leinwand-“Neulingen” Rebecca Ferguson und Simon Helberg. Nur durch das harmonisierende Vierer-Spiel funktioniert diese Story als ernstzunehmende Komödie und Feelgood-Movie.