Vor einigen Tagen berieten die Staats- und Regierungschefs über einen Europäischen Stabilisierungsmechanismus, um Finanzkrisen wie in Griechenland oder Irland zu verhindern. Dabei wurden Befürchtungen laut, Deutschland werde zur finanziellen Melkkuh und weniger sparsame Staaten ließen sich einfach in den Rettungsschirm fallen. Um das zu verhindern, hat sich Bundeskanzlerin Merkel einen Pakt ausgedacht.
Als aus der weltweiten Finanzkrise eine Euro-Krise wurde und Griechenland finanziell ins Straucheln geriet, wurden innerhalb der EU kurzerhand Rettungspakete geschnürt und Milliarden verteilt. Die deutsche Bevölkerung murrte, musste sie doch die Zeche für die schlecht wirtschaftenden Griechen zahlen. Bundeskanzlerin Merkel blieb nichts weiter übrig, als zu beruhigen und Schutzmechanismen für den Euro-Raum zu versprechen. Diese Forderung reihte sich ein in ihre mantraartig ausgesprochene Devise: “Wir wollen stärker aus der Krise herausgehen, als wir hineingekommen sind.”
Am Freitagabend vor acht Tagen bereiteten die 17 Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder einen Europäischen Stabilisierungsmechanismus vor, der in knapp einer Woche endgültig beschlossen werden und ab 2013 dauerhaft gelten soll. Zurzeit besteht noch der provisorische EU-Rettungsschirm. Mit Krediten aus dem 750 Milliarden Euro schweren Topf werden zahlungsunfähige Staaten des Euro-Raumes finanziell unterstützt. Griechenland und Irland, die aufgrund schlechter Haushaltsführung von der Finanzkrise besonders betroffen waren und Hilfe benötigten, krochen bereits unter den Schirm.
Um schneller und sicherer bei solchen Krisen zu handeln, forderte man einen dauerhaften Mechanismus, der kriselnden Staaten aus Schwierigkeiten helfen kann. Dem sollen jedoch auch genügend Forderungen gegenübergestellt werden, damit Staaten den Schirm nicht leichtfertig als Sprungtuch gebrauchen – getreu dem Motto: “Die EU wird mich schon auffangen, wenn ich mal in Not gerate.” Dass die an die Kreditvergabe gebundenen Bedingungen – wie Senkungen der Staatsausgaben – keine leichte Kost sind, bekamen Griechenland und Irland schon direkt zu spüren. In Griechenland gingen die Menschen auf die Straßen und demonstrierten gegen die Kürzungen im Sozialbereich. Irlands Bevölkerung machte ihre Regierung zum Sündenbock der Krise und wählte sie Ende Februar aufgrund von Sozialkürzungen und Steuererhöhungen ab.
Merkel und Sarkozy: Paarlauf zum Euro-Pakt
Solche Kreditbedingungen waren auch das Herzstück Angela Merkels Überlegungen zum “Pakt für Wettbewerbsfähigkeit”, den sie zusammen mit dem französischen Präsidenten Sarkozy plante. Gemeinsame Finanzpolitiken innerhalb des Euro-Raumes, angelehnt an die des vorbildlich wirtschaftenden Deutschlands, müssten solche Krisen vermeiden helfen. Sarkozys Traum einer Europäischen Wirtschaftsregierung kam in greifbare Nähe.
Doch die anderen Euro-Länder ließen sich nicht bevormunden, gingen auf die Barrikaden und feilschten wie auf einem arabischen Basar um jede Forderung. Auf dem vorbereitenden Euro-Gipfel in Brüssel konnte deshalb nur eine Light-Version, nämlich der “Pakt für den Euro”, verabschiedet werden. Generell ist der Pakt nicht verbindlich, sondern enthält nur Selbstverpflichtungen der Staaten. Und selbst die sehen ziemlich mager aus. Ob Reformen und Sparmaßnahmen die Haushalte in den Euro-Ländern stabilisieren werden, bleibt abzuwarten. Einzig die Ankündigung einer portugiesischen Rentenreform lässt erkennen, dass die Staaten sich um eine solide Haushaltspolitik bemühen.
In der kommenden Woche wird sich ebenfalls zeigen, ob Merkels und Sarkozys Vorstöße zu einer an die demographische Entwicklung angepassten Rentenpolitik und einer produktivitätsorientierten Lohnentwicklung mit in den Pakt fließen werden. Dass aber weitere nationale stabilisierende Spar- und Reformmaßnahmen notwendig sind, daran lässt Merkel keinen Zweifel. Unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg steht bereits fest, dass Deutschland wieder tiefer in die Tasche greifen muss. Die bereits beschlossene Aufstockung des Rettungsschirms wird wesentlich auch von Deutschland getragen.
„In der Krise liegt die Chance.“
Es kann der Eindruck entstehen, dass sich Deutschland zur Melkkuh Europas entwickelt und immer dann zahlen muss, wenn EU-Staaten in der Klemme stecken. Doch es gibt keine Alternativen im europäischen Zahlenspiel. Die EU ist eine Gemeinschaft, die sich verpflichtet hat, sich gegenseitig zu unterstützen. Deutschland hat es aufgrund seiner starken Wirtschaftskraft als erster EU-Staat wieder aus der Krise geschafft und profitiert als Exportnation im besonderen Maße von den wirtschaftlichen Freiheiten innerhalb der EU. Jeder in den Rettungsschirm investierte Euro aus Deutschland zahlt sich mehrfach für die deutsche Wirtschaft aus.
Als Hauptfinanzier der Staatengemeinschaft will Deutschland eine Gestalterrolle einnehmen. Doch die Bemühungen der Bundeskanzlerin um eine einheitliche Stoßrichtung innerhalb der Finanzpolitik in der EU können schnell ihre Wirkung verlieren. Sie wollte Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit der Staaten ausgleichen, womit sie schon im Vorfeld gescheitert ist.
Zur Neujahrsansprache 2009 sagte Angela Merkel: “In der Krise liegt die Chance.” Eine Chance für eine Umgestaltung und Neuordnung einer europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik hat sich durchaus ergeben. Noch allerdings hängen die Nationalpolitiker, Deutschland eingeschlossen, zu sehr an ihren Einzelinteressen, um sich für eine gemeinsame Politik stark zu machen. Deshalb muss die deutsche Bundesregierung auch daran denken, nationale, wie europäische Volksvertretungen in den Prozess mit einzubeziehen. Bisher bedauerte Bundestagspräsident Norbert Lammert, dass der Bundestag nur unzureichend über die Vorgehensweise auf dem Euro-Gipfel durch die Bundesregierung aufgeklärt wurde. Auch das Europäische Parlament, Vertretung der europäischen Bevölkerung, fordert, dass die Regierungen keinen Alleingang planen und somit die Gemeinschaftsmethode außer Kraft setzen sollen. Möglicherweise kann aber Merkel ihr europäisches Verhandlungsgeschick aus früheren Tagen auf dem kommenden Euro-Gipfel wieder unter Beweis stellen und doch noch ihren Pakt mit den Staats- und Regierungschef schließen.
Erschienen unter: http://jebz.jeb-bb.de/2011/03/merkels-pakt/