»Die Kanzlerin hält Reden weitgehend frei von Ideen, selbst frei von Einfällen«, schreibt Roger Willemsen in seinem Buch »Das hohe Haus. Ein Jahr im Parlament« aus seinen eigenen Beobachtungen heraus. Außerdem würde sie in Reden »bloß scheinbar den Sprechverkehr aufrecht« erhalten und das Kommunikationsmodell sabotieren. Anders gesagt: Sie redet viel, sagt aber nichts. Bleibt immer abstrakt, leicht spekulativ und unanschaulich. Sie laviert zwischen Einsilbigkeit und aphoristischer Verklausulierung und kommt irgendwie nie richtig auf den Punkt. Benutzt unambitioniert Satzbausteine und sediert durch Wiederholung abgedroschener Gemeinplätze. Sie ist eine rhetorische Narkoseärztin, die sprachliche Versatzstücke und zurechtgelegte Worthülsen als Sedativum verabreicht.
Als Kanzlerin kann sie sich nicht völlig von der Tagespolitik fernhalten - aber sie kann sie so abhandeln, dass sie nicht mehr wie Tagespolitik klingt, sich also nicht mehr verbindlich und konkret anhört. Durch Schwammigkeit erreicht man diese Sublimierung, um ja »nicht zu gegenwärtig, sondern repräsentativ und für die Ewigkeit« zu sein. In so einen Stil versteigt sie sich regelmäßig.
Ich habe vor einiger Zeit eine Rede dieses Ken Jebsen gehört. Er muss in einem Seminar gewesen sein, das die Kanzlerin leitete. Raute macht er keine. Aber er kommt ungefähr so auf den Punkt, wie sie es tut. Gut, reden kann er. Aber gleich so viel, so lang? Und so leer? Er klingt weitaus esoterischer als Merkel. Wobei mir durch Jebsen erst klar wurde, wie esoterisch die Ansprachen von Merkel tatsächlich sind. Sie verbrämt mit repetierten Durchhalteparolen - er mit Redefluss, der verschleiert, dass er nicht genau weiß, was ihm eigentlich so am System stinkt. Ein wenig eingedickte Kritik an »der Fed« macht ja noch keine Opposition. Und das Gerede von »innerer Einstellung« gleicht dem »Wir wollen gestärkt aus der Krise hervorgehen« der Kanzlerin. Beides meint: »Gebt uns positive Schwingungen. I'm picking up good vibrations / she's giving me excitations ...«
Die Menschen in Deutschland scheinen eine Vorliebe für politische Redner zu haben, die sich nicht die Blöße geben, auch noch etwas mit Tiefgang zu sagen. Adorno schrieb ich der »Minima Moralia«, dass »der vage Ausdruck dem, der ihn vernimmt, [erlaubt,] das ungefähr sich vorzustellen, was ihm genehm ist und was er ohnehin meint.« Genau diese Taktik, den Leuten die Freiheit zu lassen, genau das zu meinen, was ihnen sowieso schon schwante, wenden Merkel und Jebsen an. Und darauf beruht noch jede gut gemachte Esoterik. Sie muss Interpretationsspielräume lassen.
Womöglich auch deshalb votieren in diesem Land die einen für Merkel und die anderen laufen zu Leuten wie Jebsen über. Jede Klientel hat ihre Dampfplauderer: Der Neoliberale und der, der unbedingt gegen die Neoliberalen was machen möchte. Ist das die die Folge aus 9 und bald schon 12 Jahren Merkel? Alle reden nur noch merkelistisch, ziehen Floskeln in die Länge, sedieren durch Ausdruckslosigkeit und seichte Allgemeinplätze und durchsetzen diese Satzkonstrukte mit einem Subtext der sagt: Gute Schwingungen, innere Einstellung und solcher Eso-Tand vom »Alles kann gut werden; passt nur auf euch auf« . Willemsen fragt sich, ob das nicht der »Stil dieser Zeit« sei. Vielleicht ist es aber andersherum. Vielleicht ist es einfach nur die Kanzlerin, die ihre Zeit ungefähr so prägt, wie die Prüderie der Victoria ein ganzes Zeitalter der Spießigkeit ihren Namen gab.
Jedenfalls gelingt es diesem Mann fast schon, die Substanzlosigkeit der Kanzlerin wie etwas hinzustellen, was es gar nicht ist: Nämlich Inhalt. Denn neben ihm sieht sie aus wie die Weisheit vom Lande, wie eine Pedantin der Wahrheitsfindung. Dazu gehört echt was! Denn jeder Vortrag in der Volkshochschule ist inhaltsreicher als das, was Merkel in Bundestag so absondert. Und wenn Jebsen die Alternative zum »System Merkel« sein soll: Na, vielen Dank, dann ist mir das System am Ende doch lieber. Da weiß man wenigstens, was man nicht hat.
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Als Kanzlerin kann sie sich nicht völlig von der Tagespolitik fernhalten - aber sie kann sie so abhandeln, dass sie nicht mehr wie Tagespolitik klingt, sich also nicht mehr verbindlich und konkret anhört. Durch Schwammigkeit erreicht man diese Sublimierung, um ja »nicht zu gegenwärtig, sondern repräsentativ und für die Ewigkeit« zu sein. In so einen Stil versteigt sie sich regelmäßig.
Ich habe vor einiger Zeit eine Rede dieses Ken Jebsen gehört. Er muss in einem Seminar gewesen sein, das die Kanzlerin leitete. Raute macht er keine. Aber er kommt ungefähr so auf den Punkt, wie sie es tut. Gut, reden kann er. Aber gleich so viel, so lang? Und so leer? Er klingt weitaus esoterischer als Merkel. Wobei mir durch Jebsen erst klar wurde, wie esoterisch die Ansprachen von Merkel tatsächlich sind. Sie verbrämt mit repetierten Durchhalteparolen - er mit Redefluss, der verschleiert, dass er nicht genau weiß, was ihm eigentlich so am System stinkt. Ein wenig eingedickte Kritik an »der Fed« macht ja noch keine Opposition. Und das Gerede von »innerer Einstellung« gleicht dem »Wir wollen gestärkt aus der Krise hervorgehen« der Kanzlerin. Beides meint: »Gebt uns positive Schwingungen. I'm picking up good vibrations / she's giving me excitations ...«
Die Menschen in Deutschland scheinen eine Vorliebe für politische Redner zu haben, die sich nicht die Blöße geben, auch noch etwas mit Tiefgang zu sagen. Adorno schrieb ich der »Minima Moralia«, dass »der vage Ausdruck dem, der ihn vernimmt, [erlaubt,] das ungefähr sich vorzustellen, was ihm genehm ist und was er ohnehin meint.« Genau diese Taktik, den Leuten die Freiheit zu lassen, genau das zu meinen, was ihnen sowieso schon schwante, wenden Merkel und Jebsen an. Und darauf beruht noch jede gut gemachte Esoterik. Sie muss Interpretationsspielräume lassen.
Womöglich auch deshalb votieren in diesem Land die einen für Merkel und die anderen laufen zu Leuten wie Jebsen über. Jede Klientel hat ihre Dampfplauderer: Der Neoliberale und der, der unbedingt gegen die Neoliberalen was machen möchte. Ist das die die Folge aus 9 und bald schon 12 Jahren Merkel? Alle reden nur noch merkelistisch, ziehen Floskeln in die Länge, sedieren durch Ausdruckslosigkeit und seichte Allgemeinplätze und durchsetzen diese Satzkonstrukte mit einem Subtext der sagt: Gute Schwingungen, innere Einstellung und solcher Eso-Tand vom »Alles kann gut werden; passt nur auf euch auf« . Willemsen fragt sich, ob das nicht der »Stil dieser Zeit« sei. Vielleicht ist es aber andersherum. Vielleicht ist es einfach nur die Kanzlerin, die ihre Zeit ungefähr so prägt, wie die Prüderie der Victoria ein ganzes Zeitalter der Spießigkeit ihren Namen gab.
Jedenfalls gelingt es diesem Mann fast schon, die Substanzlosigkeit der Kanzlerin wie etwas hinzustellen, was es gar nicht ist: Nämlich Inhalt. Denn neben ihm sieht sie aus wie die Weisheit vom Lande, wie eine Pedantin der Wahrheitsfindung. Dazu gehört echt was! Denn jeder Vortrag in der Volkshochschule ist inhaltsreicher als das, was Merkel in Bundestag so absondert. Und wenn Jebsen die Alternative zum »System Merkel« sein soll: Na, vielen Dank, dann ist mir das System am Ende doch lieber. Da weiß man wenigstens, was man nicht hat.
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