Nach Atomausstieg und Abschaffung der Wehrpflicht zeichnet sich in der Union aktuell ein neues Wende-Thema ab. Diesmal gerät der Mindestlohn in den populistisch geprägten Fokus der Parteistrategen.
Grund genug, einmal die besten Zitate zu gesetzlichen Lohnuntergrenzen aus Unionskreisen Revue passieren zu lassen. Wenn Ihnen dabei schwindlig wird, dann liegt das nicht an Ihnen.
Das Beste aus sechs Jahren Debatte über den Mindestlohn
2011 – 2010 – 2009 – 2008 – 2007 – 2006 – 2005
Die CDU Deutschlands hält es für notwendig, eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert.
Empfehlung der Antragskommission für den CDU-Bundesparteitag, Oktober 2011
Ich schließe nicht aus, dass es nach einem Parteitagsbeschluss sogar noch in dieser Legislaturperiode zu einer gesetzlichen Lohnuntergrenze kommt.
Michael Fuchs, CDU Parlamentskreis Mittelstand, Oktober 2011
Ich persönlich bin bei einem allgemeinen, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn sehr skeptisch.
Angela Merkel, Bundesdelegiertentagung der Frauenunion, Oktober
2011 – 2010 – 2009 – 2008 – 2007 – 2006 – 2005
Ich glaube, dass das nicht die richtige Antwort ist.
Angela Merkel zum Mindestlohn, DBG Bundeskongress, Mai 2010
Ein Mindestlohn in Deutschland hätte nur ein Ergebnis – Jobvernichtung.
Gitta Connemann, CDU Arbeitsmarktexpertin, April 2010
2011 – 2010 – 2009 – 2008 – 2007 – 2006 – 2005
Die Koalition führt keine Mindestlöhne nach dem Mindestarbeitsbedingungsgesetz ein, solange nicht erwiesen ist, dass die im Koalitionsvertrag vorgesehene Festschreibung des Verbots sittenwidriger Löhne nicht ausreicht, soziale Verwerfungen in Branchen mit weniger als 50 Prozent Tarifbindung zu vermeiden.
Volker Kauder, Dezember 2009
Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab.
Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP, Oktober 2009
2011 – 2010 – 2009 – 2008 – 2007 – 2006 – 2005
Mit Mindestlöhnen in der Zeitarbeit würden wir vielen Menschen neue Beschäftigungschancen nehmen.
Volker Kauder, Mai 2008
2011 – 2010 – 2009 – 2008 – 2007 – 2006 – 2005
Jeder Ratschlag des Staates, wie hoch Löhne sind, ist immer schlecht.
Roland Koch, März 2007
Ich bin gegen eine Politisierung der Lohnfindung. Die Lohnhöhe richtet sich nach Angebot und Nachfrage, der Markt definiert den Lohn.
Norbert Röttgen, März 2007
Ein Lohn darf nicht sittenwidrig sein. Deswegen sind wir bereit, die Konkretisierung dieses Begriffes sittenwidrig im Gesetz vorzunehmen. Von einem flächendeckenden Mindestlohn halte ich gar nichts.
Günther Oettinger, März 2007
Mit der Union wird es flächendeckende, gesetzliche Mindestlöhne nicht geben.
Angela Merkel, Januar 2007
2011 – 2010 – 2009 – 2008 – 2007 – 2006 – 2005
Wir wollen keinen gesetzliche festgelegten Mindestlohn.
Angela Merkel, April 2005
Die SPD frohlockt und unterstellt der Union Plagiarismus
Angesichts des Kurswechsels in Merkels CDU frohlockt vor allem Sigmar Gabriel für die SPD. Zur neuen Auffassung der Kanzlerin befragt sagt er heute: „Wenn Merkel bei uns das Richtige abschreibt, wollen wir gerne auf die Quellenangabe verzichten„. Man habe schließlich zehn Jahre lang für flächendeckende Lohnuntergrenzen gekämpft und deshalb sei die überraschende Wende vor allem ein „großer Sieg für die SPD und die Gewerkschaften“.
Ist die Position der SPD zum Mindestlohn tatsächlich seit zehn Jahren so eindeutig?
Im Juni 2007 hatte die Linksfraktion im Bundestag einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser wurde fast im gleichen Wortlaut abgefasst, wie eine SPD-Unterschriftenaktion zum gleichen Thema. Erstunterzeichner waren Franz Müntefering und Kurt Beck. Der Antrag der Linksfraktion wurde allerdings mit den Stimmen von Union und SPD abgelehnt.
Und auch Peer Steinbrück neigt in Sachen Mindestlohn zu schnellen Richtungsmanövern. So warnte er noch im April 2006 vor der Einführung einer gesetzlichen Lohnuntergrenze: „Ein großer Teil der Beschäftigungsverhältnisse unterhalb des Mindestlohns könnte entfallen. Vor allem der Osten wäre betroffen.“
Anderthalb Jahre später, im Dezember 2007, sagte er der Süddeutschen Zeitung, es sei „übersichtlicher und richtiger“ eine einheitliche Lohnuntergrenze für alle Branchen festzulegen.
Durchgängig und in ausreichender Höhe plädiert übrigens nur die Linkspartei für den flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn. Das kürzlich beschlossene Grundsatzprogramm fordert eine Lohnuntergrenze in Höhe von 60 Prozent der bundesdeutschen Einkommen.