Meret Oppenheim in Hannover: "Über den Bäumen" zum 100. Geburtstag, bis 5. Mai 2013

Meret Oppenheim in Hannover: "Über den Bäumen" zum 100. Geburtstag, bis 5. Mai 2013

Vor hundert Jahren wurde sie geboren, bis 1985 lebte sie: Meret Oppenheim, eine der faszinierendsten Künstlerinnen und Frauengestalten des vorigen Jahrhunderts. Im Zuge des Gedenkjahres wird es weitere Ausstellungen geben, das Sprengelmuseum Hannover aber macht den Anfang mit "Über den Bäumen" vom 20. Februar bis zum 5. Mai.

Erstmals wird das zeichnerische Werk in den Mittelpunkt gestellt - für sie selbst aber waren Zeichnungen immer von hoher Bedeutung. Nahezu drei Viertel ihres gesamten Werkes sollen Arbeiten auf Papier ausmachen, von der Bleistift- und Tuschzeichnung über großformatige Farbstift- und Ölkreide-Blätter bis zu Gouachen auf dunklen Bögen reicht die Bandbreite, sie mochte vieles ausprobieren. Die Zeichnungen seien, wie sie sagt, "den mit anderen Mitteln ausgeführten Kunstwerken ebenbürtig"; aus ihrer Sicht können Zeichnungen "schon durch das Mittel spontaner wirken und zeigen oft Absichten" der KünstlerIn "auf direktere Art". Die rund 80 Werke, die zu sehen sind, führen "ins Zentrum ihrer Ideenwelt, die im Surrealismus wurzelt".

 

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Heute am Weltfrauentag (8.3.) gab es eine Sonderführung von der Kuratorin Isabel Schulz. Diesen Tag zum Anlass zu nehmen ist angemessen, denn in den 70er Jahren galt Meret Oppenheim aufgrund ihrer nonkonformistischen und freiheitlichen Haltung als Leitbild für die jüngere Generation, wenn sie sich auch ungern vom Feminismus vereinnahmen ließ. „Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen“ - so war ihre aus Erfahrung gespeiste Grundhaltung; ein häufig zitierter Ausspruch, der auch für die Führung als Überschrift diente. 

"Die 1913 in Berlin geborene deutsch-schweizerische Künstlerin stand seit 1933 in engem Kontakt mit Künstlern wie Hans Arp, Max Ernst und Alberto Giacometti im Surrealistenkreis um André Breton in Paris. 1936 entstand das Objekt „Das Frühstück in Pelz“, das ihren Ruhm begründete. Sie besuchte die Académie de la Grande Chaumière in Paris und die Kunstgewerbeschule in Basel. Seit 1937 lebte sie an verschiedenen Orten in der Schweiz. In den 1960er-Jahren war sie Teil der jungen Schweizer Kunstszene um Daniel Spoerri in Bern; seit 1972 hatte sie ein Atelier in Paris. 1975 nahm sie in einer Rede anlässlich der Verleihung des Kunstpreises der Stadt Basel zur spezifischen Situation des „weiblichen Künstlers“ Stellung. In den 1980er-Jahren war sie an der documenta 7 in Kassel beteiligt, und Retrospektiven ihres Werks fanden in Bern, Paris und London statt. Meret Oppenheim verstarb 1985 in Basel."

Meret Oppenheims Haltung der Offenheit, Unmittelbarkeit und Intuition findet in den Zeichnungen am besten ihren Ausdruck. Viele Arbeiten spiegeln ihre Suche nach den Inspirationsquellen künstlerischen Schaffens wider. Intensiv hat sie sich mit dem Unbewussten und Tiefenpsychologie beschäftigt.
Ihre Papierarbeiten "wechseln stilistisch zwischen einer figurativen Formensprache und einer individuell entwickelten geometrischen Abstraktion. Vereinzelt auf das Blatt gesetzte knappe Konturen stehen neben Flächengestaltungen. Die sparsame, oft karge Bildsprache ist spontaner Ausdruck künstlerischer Subjektivität und Imagination. Oppenheims Zeichnungen überzeugen aufgrund der Intensität jedes einzelnen Blattes und zugleich des verblüffenden Formen- und Einfallreichtums, der die Neugierde der Betrachter aufrecht erhält, sich den humorvollen und rätselhaften Motiven zu nähern"


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Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunstmuseum Bern (wo Isabel Schulz, die über Oppenheim promoviert hat, das zeichnerische Werk entdeckte und sofort von der Fülle begeistert war). Die Schau ist sehr klug aufgebaut - auch mit ergänzenden Dokumenten und einigen Vergleichswerken der Zeit - und zugleich von besonderem Zauber. Das gilt besonders auch für die Katalogbroschüre mit einem aufschlussreichen Text von Isabel Schulz - aus dem ich hier abschließend noch einige Sätze zitieren möchte:

"Grundlage und wesentliches Thema ist Oppenheims Auseinandersetzung mit der Natur und dem Kreislauf des Lebens. Manche Motive wie Wolken und Gestirne, Bäume, Blumen und Steine haben sie immer wieder beschäftigt. Dabei geht es weniger um eine realistische Schilderung von Gesehenem als um das distanzierte, oft ausschnitthafte Erfassen wesentlicher Konstellationen und Strukturen. Ein stark stilisiertes Gegensatzpaar wie 'Zwei Bäume, rot-braun und blau', 1961" (Bild unten) "vergegenwärtigen zum Beispiel symbolhaft die Polarität der Kräfte und die Erneuerungskraft der Natur".

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Den Besuch der Ausstellung empfehle ich sehr! Ein Hinweis noch: Man kann sich Meret Oppenheims Stimme anhören. Sie spricht eigene Gedichte.

Text: Dr. Helge Mücke, Hannover, unter Verwendung von Pressetexten; die Bilder von oben nach unten: Meret Oppenheim, Blume auf Hügel, 1964, Öl auf Leinwand, Sprengel Museum Hannover, Leihgabe Kurt und Ernst Schwitters Stiftung, Hannover © VG Bild-Kunst, Bonn 2013, Foto: Aline Gwose / Michael Herling, Sprengel Museum Hannover; Meret Oppenheim, Weisse Wolke, 1980, Ölkreide auf grauem Papier, Kunstmuseum Bern © VG Bild-Kunst, Bonn 2013, Foto: Meret Oppenheim-Archiv, Kunstmuseum Bern; Meret Oppenheim, Zwei Bäume, rot-braun und blau, 1961, Farbstift, Kunstmuseum Bern © VG Bild-Kunst, Bonn 2013, Foto: Meret Oppenheim-Archiv, Kunstmuseum Bern.


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