Mentales Training – das am meisten unterschätzte Training

Von Wonseong

Mein letzter Tag hier auf Ibiza. Das war jetzt ein echt langer Sommer – sieben Monate lang, um genau zu sein. Aber jetzt wird’s auch richtig herbstlich zuhause. Die ETU Multisport-Europameisterschaft hier war ein voller Erfolg – auch für mich. Auch wenn, das erste Rennen (Cross-Duathlon) nicht optimal lief, kann ich gerade aus der Unterschiedlichkeit der beiden Wettkämpfe einige Lehren für mich ziehen und habe mir einmal mehr selbst bewiesen, wie wichtig die mentale Einstellung ist und wie wichtig, diese bewusst zu regulieren.

Obwohl ich ein ziemlich selbstreflektiertes Kerlchen bin, half mir das nur eingeschränkt am vergangenen Dienstag. Ich MERKTE, wie schlecht ich mental aufgestellt war, war aber nicht in der Lage, dies auf die letzte Sekunde hin noch zu verbessern. An dieser Stelle muss ich den Amateuren unter uns den größten Respekt zollen. Denn während sich die Profis 100 Prozent auf den Tag X konzentrieren können, müssen wir Agegrouper in aller Regel eine Menge Bälle in der Luft halten. Und gerade, wenn, wie in meinem Fall, alles etwas eng gestrickt war, wirkt sich das erhöhte Stress-Level natürlich auf die Performance aus. Deshalb schaue ich ja normal auch, dass ich nicht direkt vor oder nach einem Rennen ein Seminar (Workshop, Vortrag, Coaching) geben muss. Und ja, ich bin mir dieses Privilegs durchaus bewusst, dass ich allein das für mich managen kann und vielleicht etwas mehr Flexibilität als andere habe. Gleichzeitig denke ich, dass hier auch andere Altersklassen-Athleten über Möglichkeiten zur Optimierung verfügen. Andersherum halte ich es persönlich auch für eine durchaus unfaire Vorgehensweise, den Tag nach einer Langdistanz „ganz normal“ zur Arbeit zu gehen (und dafür Geld zu verlangen). Wir alle wissen, wie gut wir die ersten paar Tage nach einem Ironman drauf sind und haben ein grobes Gefühl dafür, we viel Prozent unserer kognitiven Fähigkeiten wir tatsächlich einsetzen können. 50 Prozent….oder doch eher nur 30 Prozent?

Die Lehre: Ich hatte ein anstrengendes Seminar geleitet, war müde, musste mich noch um alle Reiseangelegenheiten kümmern, reiste viel zu knapp an und hatte weder die Zeit, mir die Strecke anzuschauen, noch ein wenig Zeit zur Ruhe, zur inneren Sammlung, den Stress abfallen zu lassen und mich hundertprozentig auf das Rennen zu freuen. Das Ergebnis: Ich schaffte es zwar heil an den Start, aber ich war nicht in der mentalen Verfassung, die es braucht, um Höchstleistungen abzuliefern. Und ich spürte das schon vor dem Start und bis ins Ziel. Und das ist doch blöd: Wenn ich von vorne herein nur 100 minus x Prozent abliefern (und Spaß haben!) kann, warum dann überhaupt den ganzen Aufwand? Und dann noch eine Europameisterschaft!

Das Gute: Es war mir eine Lehre. Und dann ist auch die größte Fehlleistung völlig in Ordnung. Solange ich daraus lerne, ist alles okay. Und das tat ich. Zwei Tage später war ich wieder klar im Kopf, mental bestens aufgestellt, hatte richtig Lust auf das Rennen und wollte wirklich meine Bestes geben. Das spürte man schon vor dem Start und das konnte man direkt nach dem Startschuss sehen. So machte das Ganze so viel mehr Spaß und die abgelieferte Leistung ist dann halt auch eine andere!

Bleibt noch die große Frage: Kann man das lernen? Na klar! Und wie geht das? Ein paar Grund-Techniken kann man schon niederschreiben, aber das ist so, wie wenn ich Dir mein Skript der Verhandlungstechniken zum Durchlesen gebe. Intellektuell verstanden hast Du dann vielleicht das Eine oder Andere, aber KÖNNEN ist etwas ganz Anderes. Und da ich dieses Problem überall um mich herum sehe, denke ich gerade darüber nach, ein Seminar zu dem Thema aufzulegen. Wenn Dich so etwas interessiert, gib‘ mir gerne eine Rückmeldung!

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