Ein stuttgarter Gericht hat den Bundesbehörden die Abschiebung einer palästinensischen Familie nach Italien untersagt. Die Verhältnisse dort seien nicht mehr zumutbar. Den Flüchtlingen drohe dort “eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung”, die Familie mit ihren drei Kinder wäre gezwungen, ein Leben unterhalb der Armutsgrenze zu führen, und seien “von Obdachlosigkeit bedroht”, so die Richter. Damit wird zum ersten mal durch ein Gericht offiziell das bestätigt, was Menschenrechtsorganisationen, Flüchtlinge, und Helfer vor Ort schon seit Jahren wissen und den Behörden und der ignoranten Politik in Deutschland und Italien klarmachen wollten.
Italien, die drittgrösste Volkswirtschaft der Eurozone, ist durch den Flüchtlinsstrom aus Afrika so überfordert, dass es sich nicht mehr in der Lage sieht, die Flüchtlinge ausreichend zu versorgen. Menschenunwürdige Bedingungen herrschen in den überfüllten hermetisch abgeriegelten Aufnahmelagern vor. Die Bürokratie entscheidet willkürlich über Abschiebungen, und braucht oftmals Monate und Jahre, um über einen Fall zu entscheiden. Die italienische Bevölkerung vor Ort ist wegen der wirtschaftlichen Krise mehr darauf bedacht, die einen Rssourcen vor den Fremden zu schützen, als ihnen zu helfen. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Leute, die ankommende Flüchtlinge aus dem Wasser fischen, ihnen Essen und zu Trinken geben, und erste medizinische Hilfe leisten.
Die humanitäre Lage ist indes aber trotzdem unter jeden zivilsatorischen Mindeststandard gefallen.
Flüchtlingsaufstände aus der Not heraus
So ist zum Beispiel das Flüchtlingslager Lampedusa auf Italiens südlichster Insel in die Schlagzeilen geraten. Seit Jahren wurden dort zwei- bis dreimal so viele Flüchtlinge ins Barackenlager gesteckt wie erlaubt. Dann kam es im vergangenen Herbst zu gewalttätige Aufstände der Gefangenen; sie hielten die Zustände nicht mehr aus. Das Lager erst danach von der italienischen Regierung geschlossen, um weiter Image Schäden zu vermeiden. Für die Flüchtlinge selbst wurden keine Verbesserungen beschlossen. Ankömmlinge werden nun in ohnehin überfüllte Lager nach Sizilien oder aufs Festland gebracht.
Kein Obdach für Flüchtlinge – Slums bilden sich aus
Dort ist es aber nicht besser. Ganz im Gegenteil. In sogenannten Erstaufnahme-Einrichtungen werden Flüchtlinge zunächst höchstens sechs Monate lang untergebracht. Danach müssen sie ihren Platz für Neuankömmlinge räumen. Für eine Wohnmöglichkeit wird aber nicht weiter gesorgt. Laut Flüchtlingsorganisationen ist die große Mehrheit der Asylbewerber daher obdachlos. In den Metropolen des Landes leben Tausende Flüchtlinge am Rande der Städte auf Bauruinen oder in Zeltstädten. Mitten in Europa entstehen de facto Slums an den Stadträndern. Den normalen Bürgern des Landes und auch – so vermute ich sehr – den Menschen in Deutschland ist dieser Umstand nicht bekannt oder bewusst.
Aus den Augen, aus den Sinn: einfach mal die Flüchtlinge wegjagen
Nach einen landesweiten Verteilungsschlüssel hätten alleine in Rom 6000 Flüchtlinge Anspruch auf Notunterkünfte. Die Stadt gewähre aber nur 2200 Plätze, hat die Stiftung Integra/Azione ermittelt. Wohin sollen die Menschen gehen? Nahe dem Bahnhof Ostiense campten 150 afghanische Flüchtlinge jahrelang auf engstem Raum, bis die Behörden das Lager auflösten und die Flüchtlinge einfach wegjagten. Mehrere verfallene Häuser in der Hauptstadt sind mittlerweile von afrikanischen Flüchtlingen besetzt. Will man die auch wegjagen, vielleicht aufs Land hinaus. Gemäß dem Motto, aus den Augen, aus den Sinn.
Staats – Strategie: Flüchtlinge verschieben oder wegekeln
Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Muiznieks, machte sich vergangene Woche vor Ort selbst ein Bild der Lage und berichtet von intolerable Zustände: “Selbst anerkannte Flüchtlinge werden gezwungen, unter erbärmlichen Umständen zu leben.” Er selbst habe “intolerable Zustände gesehen, in denen 800 Flüchtlinge in einem verlassenem Gebäude in Rom leben”. Das Fazit Muiznieks: “Das ist inakzeptabel für ein Land wie Italien.” Niemand der politisch Verantwortlichen, weder die in Italien, noch die in Deutschland, können behaupten davon nichts gewusst zu haben. Es scheint aber eine kaltblütige asoziale und menschenverachtende Strategie des gegenseitigen Flüchtlings-Verschiebens zu geben. Italien setzt auf eine Verelendungsstrategie, die die Flüchtlinge in andere europäische Länder treiben soll.
Deutschland Dublin 2 Strategie – einfach mal die Flüchtlinge zurückführen
Deutschland dagegen hat mit seiner Machtposition in Europa dafür gesorgt, dass mit der Dublin ” Verordnung weiter gereiste Flüchtlinge wieder in das Ersteinreisland zurück überführt werden. Das Flüchtlings Ping Pong ist perfekt.
Das Gerichtsurteil in Stuttgart nährt die Hoffnung, dass die Zustände in den Flüchtlingslagern bekannter werden. Und dass man in den Bevölkerungen von Italien und Deutschland endlich erkennt wie menschenverachtend und pervers kaltschnäuzig Politiker mit Flüchtlingen und Asylanten umgehen. Ein Beweis mehr, wie verkommen und entmenschlicht unsere Machtelite geworden ist.
es grüsst euch René Brandstädter – humanicum