Menschensafaris für die Touristen

Vielleicht ist er der einzige, der von seinem Volk noch lebt: Im Nordwesten von Brasilien wohnt ein Mann mitten im Urwald, eine kleine Hütte steht auf einer selbstgerodeten Lichtung. Tiefe Löcher sind seine Fallen für Tiere, die als Nahrung dienen, in einem kleinen Garten wachsen verschiedene Sorten Gemüse. Der unbekannte Mann gehört zu einem unbekannten Volk mit unbekannter Sprache.

Fernab von der Eurokrise und den Kriegen, weit weg von Facebook und politischen Skandalen leben noch immer isolierte Völker. Zumeist indianische Gruppen, die die Außenwelt meiden. Der Kontakt mit Eroberern und Entdeckern brachte ihnen vor allem eines: Krankheiten.

Ganze Stämme starben an Grippe und Masern oder wurden in Kämpfen getötet. Heute gibt es zwei weitere Gefahren: die Abholung des Regenwaldes und die so genannten Menschensafaris.

Nackte Brüste gegen Schokolade

Auf den Andamanen, die im Indischen Ozean liegen und durch den Tsunami 2004 schwer getroffen wurden, leben die Sentinelesen und die Jarawa. Während die Sentinelesen auf ihrer Insel von der Außenwelt weitestgehend in Ruhe gelassen werden, führt durch das Gebiet der Jarawa auf einer weiteren Insel eine Straße.

Touristen werden gegen ein Bestechungsgeld in einem Bus über die eigentlich gesperrte Strecke gefahren, die Jarawa werden mit Süßigkeiten wie Tiere an den Bus herangelockt. Ein heimlich aufgenommenes Video zeigt, wie ein Polizist die halbnackten Frauen auffordert, zu tanzen. Einige weitere stehen am Rand und halten Tütchen in der Hand.

«Wir fordern die Schließung der Straße», sagt Linda Poppe von Survival International. Die Organisation kümmert sich um den Schutz der indigenen Völker der Welt. Und somit auch um den Schutz der Jarawa, die nicht nur für Tänze an die Busse und Autos gelockt werden – auch sexuelle Übergriffe soll es schon gegeben haben.

«Seit zehn Jahren wissen wir von diesem Phänomen», sagt die Sprecherin. Ein Journalist entdeckte nun vor einigen Monaten das heimlich aufgenommene Video, das aber wahrscheinlich schon rund zwei Jahre alt ist. Was das Video nicht zeigt: Es gab durch diese Safaris schon Unfälle.

Vor allem die Jüngeren des Volkes kommen an die Straße, die Älteren bleiben im Dorf und versuchen weiterhin, sich fernzuhalten und ihre Isolation nicht aufzugeben.

Noch immer gibt es unkontaktierte Völker

Aber das Beispiel der Jarawa zeigt: Die Isolation wird immer schwerer. In Südamerika werden die Indianer von Holzfällern und Landspekulanten aus ihren Gebieten vertrieben. In Afrika werden sie von Hunger bedroht.

Trotzdem kann man immer hoffen, dass es Gruppen gibt, die bisher noch nicht kontaktiert wurden. Erst vor kurzem konnte bei einem Hubschrauberflug ein Dorf von rund 200 Indianern in Brasilien entdeckt werden. Und rund 100 Kilometer von Machu Picchu in Peru wird ebenfalls ein Stamm vermutet, sagt Linda Poppe.

Aber bedroht sind sie alle. Wichtig, so die Sprecherin von Survival International, sei es, den Völkern «Raum zu geben». Damit Grippe und Masern nicht zum Aussterben führen. Oder sie als lebende Attraktion für Touristen herhalten müssen.

Atombomben und Krankheiten: Die Gefahren für isolierte Völker sehen Sie in unserer Bilderstrecke.

Quelle:
News -
Gesellschaft News -
Isolierte Völker – Menschensafaris für die Touristen


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