Der eine, ein mittlerweile einstmaliger Innenminister, der heute einem anderen Ressort vorsteht, verkündete schon vor Jahren, man dürfe Geständnisse, die unter Folter erzielt wurden, nicht einfach mit rechtsstaatlichen Bedenken wegwischen, sondern müsse sie nutzen - jetzt, da die Geständnisse schon mal in der Welt seien, meinte er, könne man sie auch auswerten. Der nächste, ein beleidigt abgedankter Bundespräsident, hielt freie Handelswege für ein durchaus berechtigtes Ziel, um militärisch vorgehen zu dürfen. Die nächste im Bunde, eine amtierende Bundeskanzlerin, freute sich höhnisch, weil ein internationaler Terrorist ohne rechtsstaatliches Verfahren hingerichtet wurde. Und der letzte im Quartett, ein residierender Verteidigungsminister, stellt lapidar fest, dass "Töten und Sterben" eben dazugehört, für den "Teil der Außenpolitik", der sich uniform in Schale wirft, für Soldaten also.
Zur Erinnerung, es handelt sich bei diesen Herrschaften um Vertreter einer Demokratie, die von sich selbst behauptet, ein rechtsstaatliches Gemeinwesen zu sein. Es handelt sich ferner um Vertreter neuer und damit alter deutscher Großmanns- und Großweibssucht, die das Wesen der westlichen Wertekultur in die Welt hinaustragen wollen. (Man ist bescheidener geworden, spricht nicht mehr vom "deutschen Wesen" sondern sieht das Deutsche als einen Teil der westlichen Kultur an - wenngleich als Sperrspitze des Westens.) Es handelt sich um Vertreter eines Kulturkampfes, die mit den Diktatoren und Tyrannen dieser Welt endgültig Schluss machen wollen.
Der Deklaration der Menschenrechte sind diese Großmänner und -frauen in etwa so nahe, wie Äthiopien dem materiellen Wohlstand. Doch genau im Namen dieser Menschenrechte sind sie global unterwegs - wenn die auch nur als Feigenblatt entwertet werden. Das Problem an dieser Kaste von Menschenrechtsignoranten ist, dass sie die Menschenrechte nicht öffentlich ignorieren, sondern sie umdeuten. Nicht gefoltert werden zu dürfen ist Menschenrecht - zu foltern, um den Menschenrechten Nachdruck zu verleihen: das scheint ihnen aber auch legitim - und auch völlig selbstverständlich. Im Namen dieser kalten Krieger und Kriegerinnen wäre Folter, durch Gerichte zugelassen, durch Genf und Strassburg überwacht, kein Verbrechen mehr, sondern Prävention und im Krieg zulässiges Mittel - der Verteidigungsminister könnte schlussfolgern, dass sie immer schon "Teil der Außenpolitik" war oder hätte sein müssen. Unterläge die Folter der rechtsstaatlichen Trias des Vollzugs, mit Anordnung, Durchführung und Kontrolle, so könnten diese Menschenrechtler ihr durchaus "die Menschenwürde Bewahrendes" abgewinnen.
Die deutschen Eliten, die exemplarisch ist für die Eliten dieser Erde stehen, läuten nicht das Ende einer Ära ein, in der man auf Menschenrechte achtete und sei es nur als Ideal, das zwar nicht überall umgesetzt wurde, aber doch bitteschön endlich Wirklichkeit werden sollte. Wer behauptet, die Menschenrechte seien in Gefahr, weil die politischen und wirtschaftlichen Spießgesellen ihnen keine Bedeutung bemessen, der irrt gewaltig - sie sind nicht in Gefahr, sie werden nicht weggewischt, man wird sie "nur" umdeuten, handlicher machen, der Willkür überschreiben - mit etwas Zynismus könnte man auch sagen: die Menschenrechte werden für den Kriegsmarkt (und Krieg ist immer!) fit gemacht. Dann kann im Namen der Menschenrechte Terror betrieben werden. Wären die Eliten nur konsequent dagegen und würden, wie weiland deren Vorvorgänger von Humanitätsduselei salbadern, dann wäre alles viel einfacher - die Verfassungs- und Menschenrechtsfeinde wären, wenn schon nicht gebannt, so doch wenigstens erkannt. Aber hinter ihrer Menschenrechtsmaske ist ihre Menschenrechtsverachtung kaum angreifbar...