Was in Duisburg bei der Love Parade passiert ist, das ist schlimm und tragisch. Die Suche nach den Schuldigen aber nützt den Toten nichts, den meisten Verletzten wenig, ihren Versicherungen, die sich Krankenhauskosten und eventuelle Rentenzahlungen zurückholen wollen, eine Menge.
Was jetzt im Land passiert, ist jedoch der Triumph des Stammtisches. Man braucht ein Opfer, das sich öffentlich hinrichten lässt. Ohne Prozess, nur auf der Basis der Wut nach dem fünften Bier.
Dieses Opfer scheint gefunden. Der politische Pöbel, allen voran CDU-Sommerloch-Profi Bosbach, dicht gefolgt von der NRW-Ministerpräsidentin Kraft (SPD) fordern den Rücktritt des Duisburger Oberbürgermeisters Sauerland - wohl wissend, dass der weder der Schuldige, schon gar nicht der allein Schuldige an der Katastrophe ist und dass er auch gar nicht so einfach zurücktreten kann.
Sauerland ist Lehrer. War Oberstudienrat an einem Gymnasium in Krefeld, bevor er 2004 zum OB in Duisburg gewählt wurde. Einen Rücktritt aus politischen Gründen gibt es im Beamtenrecht in NRW nicht. Sauerland müsste seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragen - und würde damit sämtliche Pensionsansprüche verlieren, auch die aus seiner nie getadelten Zeit als Lehrer. Der Mann müsste geisteskrank sein, wenn er das täte.
Oberbürgermeister, Kommunalpolitiker, von Beruf Lehrer. Der Mann hat sich verlassen auf alle seine hoch bezahlten Fachleute im Ordnungsamt, im Bauamt, bei der Polizei. Die verstehen alle viel mehr von Sicherheitskonzepten als der Lehrer Sauerland. Und auf der Basis all dieser Experten hat die Stadt Duisburg, die Stadtverwaltung, das Stadtparlament und auch, aber eben nur auch der Oberbürgermeister dem Konzept für die Love Parade zugestimmt. Dass da bei vielen Beteiligen auch ein gerüttet Maß an Größenwahn im Spiel gewesen sein mag, sei einfach mal angenommen. Sicher auch bei Sauerland - aber auch wieder nicht nur bei Sauerland. Und nun so zu tun, als sei der biedere Oberstudienrat so eine Art großer Diktator von Duisburg, das ist lächerlich.
Und die Rücktrittsforderung ist ebenso lächerlich wie bösartig. Wenn Herr Bosbach von seinem Bundestagsmandat zurücktritt, hat er einen satten Pensionsanspruch. Wenn Frau Kraft als Ministerpräsidentin und Landtagsabgeordnete zurücktritt, hat sie einen fast ebenso dicken Pensionsanspruch.
Wenn Herr Sauerland zurücktritt, verliert er seinen Anspruch auf die Beamtenpension, die er als Lehrer mit ehrlicher Arbeit erworben hat, muss im Alter mit einer vergleichsweise niedrigen Rente auskommen. Der bekäme nicht, wie der zurückgetretene Bundespräsident Köhler, seine Bezüge auf Lebenszeit einfach weiter bezahlt...