Menschenfresser mit Sonnenbrille

Menschenfresser mit Sonnenbrille

Der 40-jährige Stefan R. ist Unternehmensberater und Weltenbummler. Gemeinsam mit seiner Freundin Heike D. (37) schippert der Hamburger auf der Yacht «Baju» über die Meere. Seit mehreren Jahren erkundet das Paar die Welt. Schon Weihnachten 2004, als die Tsunami-Welle über Südostasien schwappte, war das Paar gerade vor Thailand tauchen. 30 Kilometer vor der Küste bemerkten sie die Welle, doch von der gigantischen Zerstörung, die sie an Land anrichtete, bekamen die beiden nichts mit. Verwandte und Bekannte machten sich Sorgen, bis das Paar wieder an Land kam und beruhigende SMS-Nachrichten absenden konnte.

Seit mehr als einer Woche sind Verwandte und Bekannte wieder in heller Sorge; die Chancen sind gering, dass Stefan R. noch lebt. Seinen letzten Eintrag auf Facebook hat er am 9. Oktober verfasst: Zu den Tuamotus-Atollen wollten die beiden schippern. «Vielleicht klappt’s Weihnachten wieder mit ‘ner Internetverbindung.» Doch im Südseeparadies ist er vermutlich gestorben. «Es ist unfassbar…unsagbar schrecklich…das darf doch alles nicht wahr sein!», sind Facebook-Freunde schockiert – und gleichzeitig voller Hoffnung: «Vorsichtig gesprochen gilt Stefan als vermisst.»

Kannibale als Südsee-Klischee

Stefan R. hatte auf der Insel Nuku Hiva einen Einheimischen kennengelernt. Henri Haiti hatte den Deutschen zum Ausflug eingeladen. Von dem Trip kam Stefan R. nicht zurück – im Gegensatz zum Jäger, der von einem Unfall berichtete. Gemeinsam mit der Freundin machte er sich auf die Suche – und versuchte, sie zu vergewaltigen und fesselte sie. Doch Heike D. schaffte es, sich zu befreien und die Gendarmerie zu rufen. Die fand nach kurzer Suche eine Feuerstelle. Dort entdeckten die Polizisten menschliche Knochen, Zähne, Kleider- und Metallreste. Die wurden nach Paris transportiert, eine DNA-Analyse steht aus. Laut Staatsanwalt José Thorel könnten die Überreste zu Stefan R. gehören.

Hat Henri Haiti, derzeit flüchtig, tatsächlich den Deutschen verspeist? Obwohl kein Ermittler den Kannibalismusverdacht äußert, wird dieser in Medien rund um die Welt genüsslich serviert. Deutscher Weltumsegler wird von Ureinwohner gegessen – das passt zu den gängigen Klischees der Südsee. Und dem Hang ihrer Einwohner für ungewöhnlich Mahlzeiten. Kannibalismus hat eine lange Tradition auf den Marquesas-Inseln, zu denen Nuku Hiva gehört, bis ins 19. Jahrhundert hinein kam es bei Kämpfen zwischen Stämmen häufig zu rituellem Kannibalismus.

Der Moby Dick-Autor Herman Melville hat dem Kannibalismus auf Nuku Hiva sein Erstlingswerk gewidmet: Taipi. Darin beschreibt Melville seine Gefangenschaft auf der Insel. Er fürchtet sich vor Kannibalismus. Die alte Kriegerkaste auf Französisch-Polynesien, sie setzte auf kannibalistische Kriegstechniken. Melvilles Buch steht als Methapher für eine Welt, in der trotz aller moralischen Überlegenheitsbekundungen der weißen Eroberer letztlich nur das Gesetz des Fressens und Gefressenwerdens gilt.

Beschuldigter nimmt Hündchen in den Arm

Ob Christoph Columbus oder James Cook, viele Seefahrer entdeckten nicht nur die Welt, sondern auch den speziellen Umgang vieler Urvölker mit Artgenossen. Die gab es gern gut gegrillt. Der rituelle Kannibalismus pflegt den Glauben, dass durch die Einverleibung des Körpers auch Zauberkräfte auf den Konsumenten übergehen. Die Frage des Fleisches spaltete in der Frühneuzeit die Alte und die Neue Welt. Damit wurde die «moralische Überlegenheit der eigenen Zivilisation gegenüber einer anderen Kultur» konstruiert, beschreibt der Leipziger Geschichtswissenschaftler Matthias Kaufmann.

Auf Fotos präsentiert sich der beschuldigte Vielleicht-Kannibale Haiti mit stylischer Sonnenbrille, er lächelt. Auf seinem Facebook-Profil bekennt er sich als Box-Fan und Anhänger der argentinischen Fußball-Nationalmannschaft. Er ist dort mit einem schwarzen Hündchen im Arm und weißem Basecap auf dem Kopf zu sehen.

Die DNA-Analyse der Knochen- und Zahnfunde wird frühestens am Mittwoch vorliegen.

Quelle:
Nachrichten -
Gesellschaft Nachrichten -
Kannibalen-Verdacht – Menschenfresser mit Sonnenbrille

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Tags: Henri Haiti, José Thorel, Kannibalismus, Menschenfresser, Nuku Hiva, Sonnenbrille, Taipi, Unternehmensberater, Weltenbummler

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