“Menschen sind so was von merkwürdig!”

Von Nicsbloghaus @_nbh
25. Februar 2015 / SRK / 0 Comments

Angelika Stucke war dem Rezensenten bis dato nur als Autorin exzel­lent erzähl­ter und höchst ver­gnüg­lich zu lesen­der Krimikomödien ein Begriff. Nun hat sie ein schma­les Bändchen mit 51 Schnurren von/über ihrem/n Zwergdackel “Alfred vom Hexenkessel” vor­ge­legt.
Und wie­der über­rascht Angelika Stucke ange­nehm, denn hierin geht es nicht um die ansons­ten übli­chen hei­te­ren Tiergeschichten, son­dern auch um ein gerüt­telt Maß an Kirchen- und Religionskritik. Dazu dazu dann unten mehr.

Zunächst geht es “nur” um die Sicht der Welt aus der Perspektive eines (natür­lich kurz­bei­ni­gen) Dackels. Dieser stellt immer wie­der fest, dass Menschen ja so was von merk­wür­dig sind. Die erste, und titel­ge­bende, Schnurre bie­tet dafür bereits ein sehr bered­tes Beispiel an: “…Neulich mor­gen habe ich auf der Straße einen platt­ge­fah­re­nen Maulwurf ent­deckt. Ganz frisch! Super Note! Habe mich also gleich drauf geschmis­sen und der Länge nach drin gewälzt, ist ja vom Feinsten die­ser Duft. Über­haupt nicht mit toter Maus zu ver­glei­chen! Und so sel­ten zu fin­den!” (S. 1)

Doch sein Frauchen rea­gierte wider Erwarten völ­lig anders als Alfreds Mithunde… Statt ihn zu benei­den, steckte sie ihn ohne Erbarmen in die Badewanne, schrubbte und par­fü­mierte ihren Liebling… Und nun roch er ein­fach nur noch ekel­haft nach Veilchen: “Menschen sind echt merk­wür­dig! Dabei strotzt die Natur doch nur so vor wohl­rie­chen­den Düften. Ich denke da an damp­fende Kuhfladen, fri­sche Pferdeäpfel oder eben - die Krönung der Gerüche! - Eau de Tope (Maulwurfwasser)!” (S. 2)

Aber nicht nur in Bezug auf Düfte oder wohl­schme­ckende Speisen unter­schei­den sich Mensch und Tier. Nein, auch in Bezug auf die Kommunikation oder die Manieren unter­ein­an­der. Während sich Hunde – oder auch Katzen – stets ein­deu­tig aus­drü­cken, wider­spre­chen sich beim Menschen ver­bale und Körpersprache sehr oft und das meist dras­tisch. Oder in Bezug auf die Frage, was Glück ist. Und dann diese Namensgebungen für­ein­an­der, da gibt es meist keine ein­deu­tige Bezeichnung. Mal ist man Alfred, mal Schätzchen, mal die­ses, mal jenes. Und auch ihren Mitmenschen geben Menschen mal die­sen, mal jenen drol­li­gen Namen, dabei han­delt es sich doch auch hier immer nur um ein- und die­selbe Person. Und dann erst all diese komi­schen Sitten zu soge­nann­ten Feiertagen, egal ob Advent, Weihnachten, Silvester, Valentinstag oder am pri­mi­tivs­ten zum Eiersonntag. Wie kann man nur so blöd sein, zu glau­ben, dass aus­ge­rech­net ein Hase da Eier legt und das ganze auch nur ein ein­zi­ges Mal im Jahr. Alfred lässt sich auch übers Reisen aus oder übers “Shopping”, übers Fernsehen oder gewisse “Contests”. Oder über das Thema, wer erzieht eigent­lich wen? Der Mensch sein Haustier oder die­ses sein “Frauchen” bzw. “Herrchen”?

Alles ist für ihn trotz aller natür­li­cher Bildung mehr oder weni­ger unver­ständ­lich, und aus Alfreds Sicht auch unsin­nig oder unnö­tig. Insofern geht es in die­sem Büchlein nicht nur um Menschliches oder Allzumenschliches aus fik­ti­ver Tiersicht. Nein, Angelika Stucke hält damit ihren Mitmenschen, eigent­lich uns allen, den Spiegel vors Gesicht. Das regt nicht nur wie­der und wie­der zum Schmunzeln an, son­dern nicht min­der zu Nachdenklichkeit über unser nur kur­zes Leben.

Über­ra­schend dürfte für den Leser aber sein, dass Angelika Stucke Betrachtungen über Glauben, christ­li­che Religion und Kirchen hier nicht aus­klam­mert. Es sind sogar meh­rere Schnurren, die sich die­sem Komplex dezi­dert zuwen­den. Aus einer der deut­lichs­ten soll an die­ser Stelle zitiert wer­den: “Glaubensfrage - Gestern hatte ich viel Zeit zum Philosophieren, weil Frauchen mal wie­der den Wischlappen durchs ganze Haus schwank. (…) So konnte ich mei­nen eige­nen, tief­schür­fen­den Gedanken nach­hän­gen, die ich euch nicht vor­ent­hal­ten möchte.

Wer mein Buch bis hier­her gele­sen hat, weiß ja bereits, dass wir Hunde an den lie­ben Dog glau­ben. Für alle, die mein Buch gleich mit die­sem Beitrag begon­nen haben, hier eine ebenso kurze wie tadel­lose Beweisführung dafür, dass Gott ein Hund sein muss: Wie schreibt sich Hund auf Englisch? DOG! Und wie liest sich das von hin­ten, also von der weit­aus inter­es­san­te­ren Seite aus betrach­tet? GOD! Was ja nichts ande­res als Gott auf Englisch bedeu­tet. Gott ist also ein Hund. Darüber sind sich auch alle Hunde einig.

Nun kommt es aber immer mal wie­der zu har­ten Auseinandersetzungen zwi­schen uns Hunden dar­über, ob der liebe Dog nun ein Pudel, ein Pischer oder ein Pekinese sei. Es gibt auch Fraktionen, die sehen den lie­ben Dog als Rottweiler, als Dobermann oder als Chihuahua. Ich per­sön­lich bin ja mitt­ler­weile zu der Ansicht gelangt, der liebe Dog müsse ein Schäferhund sein, von wegen guter Hirte und so.”

Andere Hunde von sei­ner urei­gens­ten Über­zeu­gung über­zeu­gen zu wol­len, käme ihm jedoch nie in den Sinn. “Wozu auch? Sind wir uns doch im Prinzip (god ist gleich dog) alle einig.

Nun gibt es aber auch streng­gläu­bige Hunde, die sich zum Missionieren beru­fen füh­len. Stell dir vor, dein Weg kreuzt sich beim Gassigehen mit dem eines Hundes, den du noch nie zuvor gese­hen hast, und der, kaum dass er dein Hinterteil beschnüf­felt hat (was ja ein freund­li­ches ‘Guten Tag’ in der Sprache der Caniden bedeu­tet), ‘Der liebe Dog ist ein Dackel!’ sagt.

Obwohl du viel­leicht selbst ein Dackel bist, sträu­ben sich dir dann doch die Nackenhaare, weil du ja daran glaubst, daß der liebe Dog ein deut­scher Schäferhund ist.

Tja, und so kommt es dann immer wie­der zu völ­lig unnö­ti­gen Auseinandersetzungen…” (S. 111/112)

Und dann erst die­ser Heiligen- oder Märtyrerkult, das Anbeten von Knochen… Wobei, Hunde wis­sen mit Knochen bes­se­res anzu­fan­gen. Aber, Alfred phi­lo­so­phiert gerne und hat auch von Mathematik etwas Ahnung: Wenn man z.B. all die Köpfe und Knochen des Heiligen Valentin zusam­men­set­zen würde, die in meh­re­ren Kirchen aus­ge­stellt sind, dann müsste besag­ter Valentin ja ein biologisch-anatomisches Wunder gewe­sen sein!

Köstlich zu lesen ist auch die soge­nannte Weihnachtsgeschichte, die immer falsch erzählt werde. Alfred macht den Leser des­halb mit der ein­zig wah­ren und his­to­risch ver­bürg­ten Begebenheit ver­traut. Dies gilt auch für das neu- und damit rich­tig erzählte Gedicht “Knecht Alfred”, das so heißt und nicht “Knecht Rupprecht” (“Von drauß vom Wald komm ich her…”).

Alles in allem stel­len diese 140 Seiten ein über­aus kurz­wei­li­ges und zugleich geist­rei­ches Lesevergnügen dar. Und viel­leicht machen ja sogar die hier beson­ders her­vor­ge­ho­be­nen Texte den beson­de­ren Wert die­ses Bändchens aus: Denn auch so kann Religions- und Kirchenkritik betrie­ben wer­den, hei­ter, iro­nisch, nach­denk­lich stim­mend durch die Verfremdungen und damit viel­leicht sogar anspre­chen­der als hoch­wis­sen­schaft­li­che Auseinandersetzungen zu die­sem Thema.

Danke, Angelika Stucke! Der Rezensent daher emp­fiehlt Dackel Alfreds Philosophiererei über “Dog und die Welt” gerne wei­ter.


Alfred vom Hexenkessel (Angelika Stucke): Eau de Tope – Maulwurfwasser. 140 S. brosch. CreateSpace Independent Publishing Platform. Leipzig 2015. 7,48 Euro. ISBN 978–1507647363

[Erstveröffentlichungen hpd und Freigeist Weimar]