Natürlich nagt es noch an einem, das schlechte Gewissen. Hatte man sich doch, weil die Zeit drängte, vom neuen Neil-Young-Album nur das CD-Format zugelegt, wohl wissend, dass der alte Grantler dieses – in Rage – erst kürzlich in der Süddeutschen in einen Topf mit den schändlichen Downloadfiles geworfen und mit einem unmissverständlichen Bann belegt hatte. „Dreck“ und „Müll“ sei das, unterhalb von Vinyl und BlueRay sei sein Werk dem Hörer gar nicht zuzumuten, die Mühen der ausgefeilten Produktion nicht herauszuhören, so das Verdikt des Kanadiers. Nun gut, allzu ironisch sollte man das gar nicht kommentieren, freut man sich doch über einen jeden, der sich noch Gedanken über qualitative Maßstäbe und die dafür geeignete Rezeption macht, auch wenn der Kampf ehrlicherweise einer gegen Windmühlen ist und somit aller Voraussicht nach nicht zum allgemeinen Umdenken führen wird. Leider.
Wenigstens mal zusammengerissen und anstatt des sonst üblichen Pre- ein Postlistening veranstaltet, das wenigstens ist man dem großen, alten Mann des Folkrock schuldig. Dass es sich bei der neuen Platte nicht um selbstkomponiertes Material handelt, ist nur auf dem Zettel ein Nachteil, was Young und die Crazy Horse aus den Klassikern des US-amerikanischen Folk- und Countrykanons machen, ist aller Ehren wert und lohnt der genaueren Betrachtung. Schon wie sich zu Beginn für „Susannah“, eigentlich ein eher leichtfüßig gefidelter Standard, aus einem wilden Knarzen und Bersten langsam eines von diesen Youngschen Krachmonstern schält, läßt aufhorchen. Ebenso weit weg vom Original präsentieren sich „Clementine“ und „Tom Dula“, letzterer hatte sich ja im Laufe der Zeit schon namentlich zum „Tom Dooley“ gewandelt, Young dreht die Schraube nun musikalisch noch ein paar Umdrehungen weiter.
Für „Gallows Pole“ schaltet er überraschend zurück, vielleicht eingedenk des etwas überdrehten Led-Zeppelin-Covers aus den 70ern, er versucht es mit flottem Rock’n Roll und fährt damit ganz gut – das Original von Odetta Holmes ist ohnehin schwer zu toppen. Einen Song wie „Get A Job“ hätte man Neil Young wohl nicht so schnell zugeschlagen – gleichwohl, er gelingt und hat nicht viel weniger Drive als der Hit der Silhouettes Ende der 50er Jahre. Die gängigen Stücke wie „High Flyin‘ Bird“ von Billy Edd Wheeler, Woody Guthries „This Land Is Your Land“ und der „Wayfaring Stranger“, mal bearbeitet von Jefferson Airplane, Bruce Springsteen oder Johnny Cash, meistert auch Young routiniert und fügt den Stücken jeweils ein elektrisch-folkiges Kapitel hinzu.
Zweifellos ein Höhepunkt: Youngs Version des traditionellen Spirituals „Jesus ‘Chariot“, eine Art apokalyptischer Vorausschau, hier fabelhafte fünfeinhalb Minuten mit energischem Saitenlärm und passendem Endzeitchorus. Für das abschließende „God Save The Queen“ hätte man sich natürlich insgeheim die böse Pistols-Variante gewünscht, doch bei aller Bärbeißigkeit bleibt Young natürlich Gentlemen und Traditionalist, und so präsentiert er die Besatzerhymne (vielleicht) als augenzwinkernde Marschmelodie mit schönen Grüßen an Jimmy Hendrix und sein „Star Spangled Banner“. Ein runder Abschluß jedenfalls für des alten Mannes Meisterstück – wieder einmal und eines von vielen.
Vierzig Minuten Neil Young mit seinem Album als Stummfilmklamotte: http://www.neilyoung.com/