Man mag es angesichts der Hysterie, die ein gewisses K-Wort aus dem Munde einer linken Parteivorsitzenden auslöst, kaum fassen, aber in diesem Lande herrscht Meinungsfreiheit! Das Bundesverfassungsgericht hat das gerade wieder eindrucksvoll bestätigt. Die hohen Richter haben ein im Rahmen der Führungsaufsicht erteiltes allgemeines Publikationsverbot für die „Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ für verfassungswidrig erklärt.
Ein bekennender Neonazi wurde im Jahr 2005 wegen Mitgliedschaft in der als terroristisch eingestuften „Schutzgruppe“ des „Aktionsbüros Süd“ in Tateinheit mit unerlaubtem Umgang mit Sprengstoffen und unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach seiner Haftentlassung im Januar 2008 erteilte ihm das Münchener Oberlandesgericht im Rahmen der Führungsaufsicht das strafbewehrte Verbot, für die Dauer von weiteren fünf Jahren „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten“. Angesichts früherer Verurteilungen, der Anlasstaten und des Umstandes, dass er während des Strafvollzugs Beiträge für braune Blätter verfasst habe, sei seine unverändert fortbestehende zweifelhafte Gesinnung erkennen, fand das Oberlandesgericht. Daher sei anzunehmen, dass er künftig mit Publikationen gegen die einschlägigen Paragraphen 130 und 86a StGB verstoßen werde.
Diesen Beschluss haben die Verfassungsrichter gekippt, weil sie der Ansicht sind, dass das Publikationsverbot den Beschwerdeführer unverhältnismäßig in seiner Meinungsfreiheit einschränke. Besonders spannend finde ich den letzten Absatz der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
„Indem dem Beschwerdeführer für fünf Jahre uneingeschränkt jede
publizistische Verbreitung „rechtsextremistischen oder
nationalsozialistischen Gedankenguts“ verboten wird, wird ihm abhängig
von seinen Ansichten in weitem Umfang unmöglich gemacht, mit seinen
politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess
teilzunehmen. Dies kommt jedoch einer Aberkennung der Meinungsfreiheit
selbst nahe. Auch das staatliche Interesse der Resozialisierung des
Beschwerdeführers rechtfertigt ein so weitgehendes Verbot nicht.“
Nun ist es sicherlich ein Fehlschluss, wenn man annimmt, dass Meinungsfreiheit nicht nur für Neonazis und bestimmte SPD-Mitglieder, sondern auch für Partei-Chefinnen der Linken gelten müsste. Aber auch abweichende politische Überzeugungen gehören zum öffentlichen Willensbildungsprozess, auch wenn das den Meinungs-Stalinisten im Bürgerlich-Konservativen Lager das überhaupt nicht passt.