Eine kurz erläuterte Meinung über die Meinungsfreiheit und was sie nicht ist.
Die neue Rechte versteckt sich hinter einer Meinungsfreiheit, die für sie gar nicht gilt. Sie missbraucht sie, indem sie behauptet, dass alles Sagbare zugleich auch Meinung ist.
Er sagte, ich hätte wohl ein Problem mit seiner Meinung.
Hatte ich nicht. Also sagte ich: »Nö, mit einer Meinung nicht.«
Es ging irgendwie um Türken und darum, dass er keinen Döner isst, weil sie voller Dreck steckten. Ja, Türken seien gewissermaßen unhygienische Menschen.
»Sondern was?«, fragte er. »Du hast ein Problem mit meiner Meinung.«
Er hat wohl gesehen, wie ich verstimmte, wie ich die Augenbrauen verzog.
»Ich weiß doch, wie du bist. Und solche Sprüche gefallen dir gar nicht. Ihr Linken immer mit eurem Problem mit der Meinungsfreiheit anderer«, ließ er sich aus.
»Ich habe kein Problem mit Meinungen. Aber alles was man meinen kann, muss noch keine Meinung sein.«
Das irritierte ihn, aber die Zeit war reif, jetzt hieß es schuften, nicht mehr quatschen. Dieses Gespräch ist bis heute abgewürgt und nicht wieder aufgenommen worden. Ich habe auch kein Interesse daran.
So in etwa argumentiert auch die neue Rechte. Sie fühlt sich in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt und zweckentfremdet den Begriff der »political correctness«, der ursprünglich mal als Synonym für »Humanismus« galt und der im linken Diskurs durchaus nicht negativ konnotiert verwendet wurde. Heute hat sich die Rechte den Begriff unter den Nagel gerissen und führt ihn als Gegenteil der Meinungsfreiheit an.
Dabei hat die neue Rechte in den meisten Fällen gar keine Meinung. Jedenfalls keine, die mit Artikel 5 des Grundgesetzes abgedeckt wäre. Sie meint nur. Das ist aber ein gravierender Unterschied, denn die grundgesetzlich gesicherte Meinungsfreiheit ist ein komplexes Konzept und nicht einfach nur die Legalisierung allen Sag- und Meinbaren. Absatz 2 des Artikels spricht daher auch von »Schranken«. Ich kann zum Beispiel meinen, dass neue Rechte Arschlöcher sind - aber Meinung ist das deshalb noch nicht. Es ist auch nicht justiziabel, weil man Arschlöcher schon beim Namen nennen muss. Aber es ist nicht Meinung im Sinne der Meinungsfreiheit - ich meine bestenfalls nur, wenn ich das behaupte.
Meinungsfreiheit ist ein gesellschaftlicher Gestaltungsrahmen, der nicht einfach behaupten kann, dass alles, was sich der Mensch denken kann, zugleich auch reif dafür ist, als Meinung unter die Leute zu kommen. Das ist nur ver-meint-liche Meinungsfreiheit. Ein geregeltes Gemeinwesen benötigt die Differenzierung zwischen privaten Meinen und veröffentlichter Meinung. Wenn ich also wie mein Gesprächspartner erzähle, dass Türken dreckig sind, kann ich das wohl meinen, aber mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit hat diese Behauptung relativ wenig zu tun.
Es ist ein bisschen so wie mit der Lüge. Keiner mag Lügerei. Und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht nur nicht, den mag man unter Umständen auch nicht mehr. Aber ohne gewisse Lügen wäre das Zusammenleben schrecklich. Es gäbe keine Nettigkeiten mehr. Wenn man jeden Menschen jeden Tag nichts als die Wahrheit sagte, über sein Aussehen, sein Benehmen, seinen Geruch oder darüber, was man sich so über ihn vorstellt, dann hätten wir die Hölle verwirklicht. Man muss also trennen zwischen den Wahrheiten, die gesagt werden müssen und den Wahrheiten, die man in eine Lüge packen darf. Nicht alles Wahre ist es wert, auch als Wahrheit behandelt zu werden. Wir benötigen eine Abstufung der Lügenkategorien, um friedlich zu koexistieren. Wenn mir einer erzählt, wie es ihm derzeit geht, dann wäre die Wahrheit, dass mir das eigentlich komplett egal ist, ein Zustand, in dem menschliches Miteinander schwierig würde.
Und demnach ist nicht alles was man meinen kann als Meinung zu bewerten. Dass Araber eine weniger komfortable Genetik besitzen, können manche wohl meinen. Aber eine Meinung im eigentlichen Sinne ist es nicht. Hier findet Meinung ihre Schranken. Wenn wir da nicht unterscheiden, dann lassen wir Ansichten zu, die das Zusammenleben schier verunmöglichen. Die Eltern des Grundgesetzes haben deswegen Einschränkungen vorgesehen. Daher ist die Masche mit der Meinungsfreiheit, die die neue Rechte jetzt fährt, reine Augenwischerei. Die Hälfte ihrer Thesen ist schlecht gemeint, aber nicht Meinung im Sinne dieses Rechts.
Eines ist das Konzept der Meinungsfreiheit nicht: Völlig frei Schnauze zu reden und meinen, man hätte einen Anspruch auf Respektierung des Gesagten. Man kann freilich nicht alles juristisch verfolgen, was so gesagt wird - man muss es aber auch nicht als von der Meinungsfreiheit abgedeckt stehenlassen. Volksverhetzung, Diskriminierung, Ressentiments und Beleidigungen können widerspiegeln was einer oder eine Gruppe meint, aber Meinung ist das deswegen noch lange nicht. Wer solche respektlosen Töne mit »Das ist halt deren Meinung!« abtut, der verleiht dem Gemeinten mehr als ihm zusteht.
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Die neue Rechte versteckt sich hinter einer Meinungsfreiheit, die für sie gar nicht gilt. Sie missbraucht sie, indem sie behauptet, dass alles Sagbare zugleich auch Meinung ist.
Er sagte, ich hätte wohl ein Problem mit seiner Meinung.
Hatte ich nicht. Also sagte ich: »Nö, mit einer Meinung nicht.«
Es ging irgendwie um Türken und darum, dass er keinen Döner isst, weil sie voller Dreck steckten. Ja, Türken seien gewissermaßen unhygienische Menschen.
»Sondern was?«, fragte er. »Du hast ein Problem mit meiner Meinung.«
Er hat wohl gesehen, wie ich verstimmte, wie ich die Augenbrauen verzog.
»Ich weiß doch, wie du bist. Und solche Sprüche gefallen dir gar nicht. Ihr Linken immer mit eurem Problem mit der Meinungsfreiheit anderer«, ließ er sich aus.
»Ich habe kein Problem mit Meinungen. Aber alles was man meinen kann, muss noch keine Meinung sein.«
Das irritierte ihn, aber die Zeit war reif, jetzt hieß es schuften, nicht mehr quatschen. Dieses Gespräch ist bis heute abgewürgt und nicht wieder aufgenommen worden. Ich habe auch kein Interesse daran.
So in etwa argumentiert auch die neue Rechte. Sie fühlt sich in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt und zweckentfremdet den Begriff der »political correctness«, der ursprünglich mal als Synonym für »Humanismus« galt und der im linken Diskurs durchaus nicht negativ konnotiert verwendet wurde. Heute hat sich die Rechte den Begriff unter den Nagel gerissen und führt ihn als Gegenteil der Meinungsfreiheit an.
Dabei hat die neue Rechte in den meisten Fällen gar keine Meinung. Jedenfalls keine, die mit Artikel 5 des Grundgesetzes abgedeckt wäre. Sie meint nur. Das ist aber ein gravierender Unterschied, denn die grundgesetzlich gesicherte Meinungsfreiheit ist ein komplexes Konzept und nicht einfach nur die Legalisierung allen Sag- und Meinbaren. Absatz 2 des Artikels spricht daher auch von »Schranken«. Ich kann zum Beispiel meinen, dass neue Rechte Arschlöcher sind - aber Meinung ist das deshalb noch nicht. Es ist auch nicht justiziabel, weil man Arschlöcher schon beim Namen nennen muss. Aber es ist nicht Meinung im Sinne der Meinungsfreiheit - ich meine bestenfalls nur, wenn ich das behaupte.
Meinungsfreiheit ist ein gesellschaftlicher Gestaltungsrahmen, der nicht einfach behaupten kann, dass alles, was sich der Mensch denken kann, zugleich auch reif dafür ist, als Meinung unter die Leute zu kommen. Das ist nur ver-meint-liche Meinungsfreiheit. Ein geregeltes Gemeinwesen benötigt die Differenzierung zwischen privaten Meinen und veröffentlichter Meinung. Wenn ich also wie mein Gesprächspartner erzähle, dass Türken dreckig sind, kann ich das wohl meinen, aber mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit hat diese Behauptung relativ wenig zu tun.
Es ist ein bisschen so wie mit der Lüge. Keiner mag Lügerei. Und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht nur nicht, den mag man unter Umständen auch nicht mehr. Aber ohne gewisse Lügen wäre das Zusammenleben schrecklich. Es gäbe keine Nettigkeiten mehr. Wenn man jeden Menschen jeden Tag nichts als die Wahrheit sagte, über sein Aussehen, sein Benehmen, seinen Geruch oder darüber, was man sich so über ihn vorstellt, dann hätten wir die Hölle verwirklicht. Man muss also trennen zwischen den Wahrheiten, die gesagt werden müssen und den Wahrheiten, die man in eine Lüge packen darf. Nicht alles Wahre ist es wert, auch als Wahrheit behandelt zu werden. Wir benötigen eine Abstufung der Lügenkategorien, um friedlich zu koexistieren. Wenn mir einer erzählt, wie es ihm derzeit geht, dann wäre die Wahrheit, dass mir das eigentlich komplett egal ist, ein Zustand, in dem menschliches Miteinander schwierig würde.
Und demnach ist nicht alles was man meinen kann als Meinung zu bewerten. Dass Araber eine weniger komfortable Genetik besitzen, können manche wohl meinen. Aber eine Meinung im eigentlichen Sinne ist es nicht. Hier findet Meinung ihre Schranken. Wenn wir da nicht unterscheiden, dann lassen wir Ansichten zu, die das Zusammenleben schier verunmöglichen. Die Eltern des Grundgesetzes haben deswegen Einschränkungen vorgesehen. Daher ist die Masche mit der Meinungsfreiheit, die die neue Rechte jetzt fährt, reine Augenwischerei. Die Hälfte ihrer Thesen ist schlecht gemeint, aber nicht Meinung im Sinne dieses Rechts.
Eines ist das Konzept der Meinungsfreiheit nicht: Völlig frei Schnauze zu reden und meinen, man hätte einen Anspruch auf Respektierung des Gesagten. Man kann freilich nicht alles juristisch verfolgen, was so gesagt wird - man muss es aber auch nicht als von der Meinungsfreiheit abgedeckt stehenlassen. Volksverhetzung, Diskriminierung, Ressentiments und Beleidigungen können widerspiegeln was einer oder eine Gruppe meint, aber Meinung ist das deswegen noch lange nicht. Wer solche respektlosen Töne mit »Das ist halt deren Meinung!« abtut, der verleiht dem Gemeinten mehr als ihm zusteht.
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