Meine Trauer gehört mir

Von Berlinerbande @berlinerbande

“Meine Trauer gehört mir!” und vor allem die Art meiner Trauer. Warum ich das sag? Ist so. Niemand kann mir den Schmerz erträglicher machen oder abnehmen. Das muß ich alles mit mir alleine ausmachen. Und wie ich das mache, ist mein Ding. Ganz tief in mir drin.

Nein. Es hat niemand irgendwas gesagt. Aber ich selbst habe mich in den Tagen die hinter mir liegen gefragt, wie das wohl auf alle Außenstehenden wirkt. So wie ich trauer.

In den ersten Tagen waren da nur Tränen. Da hat es jeder gesehen. Ob er wollte oder nicht. Mittlerweile hat es sich geändert. Die Tränen kommen überraschend und erwischen mich in Situationen, in denen ich nicht mit ihnen rechne. Nicht abends, wenn ich allein in meinem Bett liege und seinen liebevollen Blick sehe, sobald ich die Augen schließe. Nein. Heute hat es mich erwischt, als ich unterwegs war eine Kette zu kaufen. Eine Kette, damit ich seinen Ring immer bei mir hab. Auf dem Heimweg an der Straßenbahnhaltestelle. Es war so bitterkalt. Und ich dachte noch: “Schatz, die nächsten Tage mußt du beim Auto fahren aber aufpassen!” Da war es um mich geschehen. Und diese Tränen lassen sich auch nicht aufhalten. Egal, wie komisch andere Menschen einen anschauen.

Im Moment und sicher in der nächsten Zeit komme ich kaum zum trauern. So viel ist zu erledigen. Und das, obwohl ich mich zu nichts wirklich aufraffen kann. Selbst zum Essen muss ich meist ermahnt werden. Ich vergesse von einem Moment zum anderen, was ich gerade tun wollte. Und hätte ich nicht jeden Tag ein kleines Ziel vor Augen, würde ich wahrscheinlich in meinem Bett liegen bleiben und stumpfsinnig vor mich hinstarren. Jeder trauert halt anders.

Viele fragen mich, wie es mir geht. Darauf gibt es im Moment gar keine wirkliche Antwort. Ich existiere. Ich find ganz gut sogar. Und nebenbei such ich ne neue Wohnung, organisiere eine Beerdigung und mach mir Sorgen um meine Tochter. Auch sie trauert. Wieder ganz anders und auf ihre Weise. Ich bin mir auch bewußt, dass das dicke Ende bei uns beiden noch kommen wird. Wenn wir eine Wohnung haben, der Umzug erledigt ist und sie ihre bevorstehenden Prüfungen absolviert hat. Ich würde ihr das alles so gerne ersparen. Gerade jetzt wo sie doch alle Kraft für die Schule braucht.

Meine Trauer gehört mir. Und die lebe ich auch hier aus. Wen das stört, den bitte ich, unseren Blog die nächste Zeit zu meiden. Mein Kopf ist einfach nur unsagbar voll und ich muss meine Gedanken los werden. Stephan würde sich freuen, dass ich wieder so viel schreibe. Er hats immer nicht so recht geglaubt, dass ich das im Glück nicht kann und daher eher ruhig war. Auch tue ich das, weil ich ein Stück Normalität brauche. Oder Stabilität in meinem Leben.

Am liebsten würde ich mich jeden Abend betrinken um zu vergessen. Doch das geht nicht. Das hilft niemanden. Zum Glück fällt mir das immer wieder ein. Und dann wird es ein Glas Wasser. helfen tut eh beides nicht. Aber so verdurste ich wenigstens nicht. Ich möchte meinen Kopf nehmen und gegen eine Wand rennen um den Schmerz loszuwerden. Keinen normalen Kopfschmerz. Nicht beschreiblich. Drückend. Bedrückend. Aber auch das geht nicht. Und so sitze ich hier und lasse lieber meinen Gedanken freien Lauf. Das hilft.

Meine Trauer gehört mir. Und auch das Gefühl, ihn zu verraten, jetzt, da ich so viel uns unseren Möbeln und Dingen los werden muss für eine kleinere Wohnung. Ich muss mich so überwinden etwas zu entsorgen. Wahnsinn. Bei jedem einzelnen Teil bricht mir das Herz. Auch, wenn ich nach außen hin sicher recht kühl und entspannt dabei erscheine. Eigentlich habe ich keine Ahnung, wie ich derzeit auf andere wirke. Ist mir auch ziemlich schnuppe. Ich bin geduscht und ordentlich angezogen. Wem bringt es was, wenn ich mein Innerstes ständig nach außen trage? Das verunsichert die Menschen nur, die nichts von unserem derzeitigen Schicksal wissen. Würde mich doch auch. Was sagt man zu einer Frau, die nach nur 3,5 Jahren Ehe plötzlich ihren Mann verliert? Ich persönlich freue mich über jedes ehrliche Wort. Alles andere ist unnütz. Ich rede gern und viel. Brauche das wie die Luft zum atmen. Und auch jetzt bin ich dankbar über jedes Gespräch, das ich führen kann. Oft spüre ich die Angst oder Unsicherheit meines Gegenübers, da er nicht weiß wie mit mir umzugehen ist. Aber bis auf ein paar Tränen passiert da nix schlimmes. Also keine Angst. Schreibt mich ruhig weiter an. Ruft an. Was auch immer.

Ich hab Euch lieb und bin unendlich dankbar, dass es Euch gibt. Ich teile gerne mit Euch Erinnerungen und freu mich über jede Art Hilfe. Doch meine Trauer – die ganz schlimme – gehört mir.