Zuerst dachte man, es sei eine kleine Erkältung, er bekam Fieber und Schüttelfrost, aber die Fiebersenkenden Mittel sprachen nicht an. Es muss etwas hartnäckigeres sein – und es war leider die Malaria Tropicana. Tödlich, wenn man die Krankheit nicht in den ersten paar Stunden erkennt.
Ich bin auf dem Markt in Simbo. Es wird eine grosse Vielfalt an Früchten verkauft, Papaya, Mango, Kokosnüsse. Man riecht den Duft der Ladung, welche die Fischer an Land bringen und ich betrachte die Tintenfische und denke über deren eigenartigen Körperbau nach. Draussen im Meer hört man ein Schnellboot kommen. Es mag einem Händler gehören, aber bald werden die Passagiere sichtbar, da hat wohl eine Familie das Schiff für sich gechartert. Das Boot fährt in einer eleganten Kurve an die wacklige Anlegestelle. Unter allerlei Rufen wird eine Person auf einer Art Bahre herausgehievt. Dann tragen zwei Männer die offenbar schon betagte Patientin die Strasse hoch zur alten Poliklinik unter den pittoresken Palmen. Am Abend höre ich, dass sie verschieden sei. Malaria Tropicana.
Ich unterhalte mich mit einem Engländer, der mit weisser Hose, weissem Hemd und hellem Strohhut auf der Veranda eines Cafés sitzt. Er lebt schon lange hier und schlägt sich als kleiner Geschäftsmann durch. Er wartet auf sein Wassertaxi, das ihn in acht Stunden Fahrt nach Honiara bringen soll. Wir geniessen die salzige Brise vom Meer. “Gibt es hier auf der Insel auch die Malaria?” Er lächelt. “Nein, von den vielen hundert Inseln sind nur einige von dieser Krankheit heimgesucht. Niemand weiss so genau, warum die Krankheit auf der einen Insel auftritt, und auf der anderen nicht. Und die einen Menschen erkranken, und die anderen nicht. Nein, die Mücken werden nicht auf andere Inseln verschleppt.”
Sein Schiff kommt, er nimmt seinen Seesack aus Segeltuch und geht.
Auf der Insel Ramomba lebe ich bei einem Entwicklungshelfer. Er hat eine Hütte aus dem Holz der alten Palmenplantage. Alles ist grün und verzaubert und voller Leben. Er raucht seine Pfeife auf der Terrasse und schaukelt langsam im Rohrstuhl. Morgen können wir den Mais ernten. In den Palmkronen zanken sich einige Papageien.
Er wendet sich zu mir: „Soeben habe ich vom Tropeninstitut ein neues Testverfahren für die Malaria Tropicana erhalten. Weißt du, wir nehmen hier alle keine Prophylaxe, denn da erblindet man langsam dabei. Aber das Heilmittel gegen die Tropicana ist auch sehr aggresssiv. Man muss es bei Malariaverdacht sofort nehmen – wartet man auch nur einen Tag, dann stirbt man. Also nimmt man vielleicht bei jeder Grippe, bei jedem Fieber die Medizin aus Sorge, es könnte Malaria sein. Aber dann zerstört man sich die Leber.
Hier, das ist der neue Test-Set vom Tropeninstitut – man muss diese Tabletten einnehmen und kurze Zeit später nimmt man sich selbst eine winzige Blutprobe. Ganz einfach, kann jeder machen. Dann sieht man sofort, ob man nur Influenza hat, oder ob die Einzeller schon das Blut vergiften. Der Test ist eigentlich harmlos.“ Ich nicke, freu mich mit ihm an den Frotschritten der Technik. Aber er fügt noch hinzu: „Einzig bei fünf Prozent der Bevölkerung führt die Einnahme der Test-Tabletten zum sofortigen Herzstillstand.“
Es ist Nacht geworden. Zwischen den dichtbewachsenen Zweigen sieht man auf das Meer hinaus. Man hört die Brandung, weit weg das Quietschen von einem Boot am Steg. Ich glaube, ich habe etwas Fieber. Was ist das? Mein kleines Grab auf der Pazifikinsel? Leberschaden, nach 24 Stunden tot, sofortiger Herzstillstand … ein Tier schreit im Dschungel, ich horche auf die Zikaden draussen, auf das Summen der Mücken und schlafe ein.
Diese Geschichte entstand vor fünfzehn Jahren, als ich im Auftrag einer Entwicklungshilfeorganisation auf den Solomon Islands im Südpazifik zu Projektevaluationen unterwegs war.