Eine Sitzpositionsoptimierung, oder das sogenannte ‘Bike Fitting‘, ist allen Radsportlern und Triathleten anzuraten, die während ihres Radtrainings Probleme beobachten. Das können körperliche Beschwerden sein, aber auch beispielsweise das Gefühl, dass man nicht ausreichend Kraft auf die Pedale bringt. Aber es empfiehlt sich auch für alle, die einfach das Beste aus seinem Gefährt herausholen möchten.
Von klein auf habe ich bereits auf zahlreichen Rädern gesessen. Bis vor einigen Jahren nur aus Spaß und mit Körbchen. Gern auch barfuß. Aber erst jetzt habe ich das erste Mal das Gefühl, dass ich sehr gut positioniert wurde.
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Viele Radsportler kennen es – verspannter Nacken und Schultern, eingeschlafene Füße oder sogar Beine, die anfangen sich zu verkrampfen, kribbelnde Hände, schmerzender Rücken und Knie. Das können alles Indizien dafür sein, dass mit der Sitzposition auf dem Renner etwas nicht stimmt. Fehlbelastungen von Gelenken und Muskeln sind die Folge, die man mit einer ganz individuellen Anpassung der Sitzposition an den Fahrer und sein Rad beheben kann.
Bei der Sitzpositionsoptimierung wird eine genaue Analyse der Sitzposition des Radsportlers, aber auch von Mensch und Material vorgenommen, um das Rad anschließend ganz individuell der Ergonomie des Sportlers anzupassen. Aus den vielen kleinen Details, die sich aus der Analyse ergeben und die daraus resultierenden Einstellungen ergibt sich für den Fahrer und seinen Renner eine optimierte Position.
Ziel ist es, Fehlbelastungen zu beseitigen und den Bewegungsablauf zu korrigieren. Im Idealfall ist der Körper nach einer Sitzpositionsoptimierung geringeren Belastungen, vor allem im Schulterbereich und unteren Rücken, ausgesetzt. Außerdem sollten Gelenke, Sehnen und Bänder weniger beansprucht werden. Das kann sich positiv auf das Fahr- und Sitzgefühl auswirken. So kann die Effizienz der Kraftübertragung erhöht und die Leistung besser ausgeschöpft werden.
Nachdem ich mit meinem neuen Zeitfahrrad einige Trainingsstunden auf den heimischen Landstraßen unterwegs war und auch zahlreiche Kilometer auf der Rolle zurücklegte, machten sich deutliche Anzeichen von Überlastungen bemerkbar. Vor allem im Schulterbereich fühlte ich mich in Aerohaltung schnell erschöpft. Mir kam auch der Schwerpunkt meines Oberkörpers etwas zu weit vorn vor, so dass sich das Gefühl einschlich, ich hätte den Flitzer beim Steuern nicht unter Kontrolle.
Beginnt man selbst daran umherzuschrauben, hat das eine Kettenreaktion zur Folge. Verändert man hier etwas, muss man auch an anderen Stellen etwas verändern. Bevor ich nun aber das gesamte Rad und die Einstellungen durcheinander bringe, besuchte ich Jörg Bauer, von dem Berliner Sportgeschäft Ausdauerzone. Es ist nicht nur ein Fachhandel für Sportzubehör, sondern das Team ist auch spezialisiert auf Trainingsplanung- und -durchführung, Bewegungsanalyse bei Lauf- und Radsportlern und führt auch entsprechende Sitzpositionsoptimierungen durch.
ANALYSE VON MENSCH & MASCHINE
In einem Vorgespräch sprachen Jörg und ich zunächst darüber, wie ich trainiere, welche Umfänge mein Trainingsplan vorgibt, was beim Radsport gut und weniger gut läuft und welche Ziele ich für diese Saison verfolge. Jörg analysiert mein Training, die Umfänge und meinen aktuellen Trainingszustand, der ebenfalls wie meine Beweglichkeit eine wichtige Rolle für die Sitzposition spielt. Also hieß es eine ganze Weile nicht aufs Fahrrad aufsitzen.
Wir versuchten gemeinsam meine Probleme beim Radfahren ausmachen und ich sollte diese beschreiben. Das war gar nicht so einfach, denn eigentlich läuft ja alles ganz gut. Nur hier und da ein Zipperlein und vielleicht Unwohlsein. Mit detaillierten Fragen und Übungen wurden aber schnell alle Details klar.
Jörg schaute sich meinen Körperbau und meine individuellen körperlichen Voraussetzungen an, führte eine orthopädische Prüfung durch und ermittelte meine Beweglichkeit des Oberkörpers und der Beine.
Als erstes ist meine Körperstatik dran gewesen. Jörg hat mit einer kleinen Platte auf dem Boden meinen Fußdruck gemessen und ich ahnte Schlimmes, wenngleich ein großer Anteil meines Trainings Stabilisation und Balance ausmacht. Aber so schlecht sah es gar nicht aus. Meine Druckverteilung weicht nur wenig vom Ideal ab. Bei der Fußvermessung stellte er rechts einen leichten Hohlfuß fest. Links scheint alles ganz normal. Ganz wie mein Orthopäde immer meinte.
Meine Körperhaltung ist aufgrund eines kürzeren Beins einen Tick zu einer Seite geneigt. Ich sinke leicht nach rechts ab, was sich aber nur am rechten Schulterblatt zeigt. Ansonsten ist meine Muskulatur gleichmäßig ausgeprägt und ich habe weder ‘X- noch O-Beine’.
Schockierend aber, dass meine Fußbeweglichkeit bei der Dehnung der Achillessehne eingeschränkt ist. Trotz Yoga. Trotz all der Dehnübungen!
Hin und wieder hatte ich schon häufiger Probleme mit der Achillessehne. Warum das so ist, fanden wir bei der Inspektion der Radschuhe eine halbe Stunde später heraus.
Mit einigen Funktionstests prüfte Jörg anschließend verschiedene Bewegungsabläufe und meine Körperstabilität. Also wenn ich da nicht die volle Punktzahl erreichen sollte, hätte ich nicht weiter gewusst. Meine Stabilität im Sprunggelenk links und rechts ist gut, aber Jörg konnte leichte Koordinationsdefizite beim Einbeinstand rechts nachweisen. Ich verordne mir direkt mehr Einbeinsprünge beim Treppentraining und mehr Balanceübungen mit dem rechten Bein. Ich kam mir ein wenig vor wie bei der Aufnahmeprüfung in der Schule… Bei der tiefen Hocke hebte zu alledem auch noch meine Ferse ab. Die Oberschenkelrückseite muss ich also zukünftig gezielter beim Yoga dehnen!
Dafür kam dann MEIN Moment: nach vorn beugen. Handflächen auf dem Boden können nur maximale Punktzahl bedeuten. Heißt aber auch wiederum, dass ich mit einer hohen Überhöhung fahren kann.
Insgesamt aber beste Voraussetzungen, um sich einer idealen Aeroposition annähern zu können.
Zudem versuchte Jörg muskulären Problemen auf die Schliche zu kommen. Nicht selten plagen mich Muskelschmerzen oberhalb des Knies. Ich dachte immer, dass es mit der Kraft meiner Oberschenkelmuskulatur insgesamt nicht zum Besten steht.
Als ich mein neues Rad im ‘triathlon.de’ Geschäft abholte, wurde meine Sitzposition natürlich nach Lehrbuch eingestellt. Anhand meiner vorher akribisch genau analysierten Körperdaten und individuellen Bedürfnisse, hat das Team dort alle Winkel und Abstände genauestens angepasst. Dort wurde auch festgestellt, dass scheinbar falsch eingestellte Cleats bzw. meine zu große Rotation der Knie das Problem der Muskelschmerzen sein könnten. Insbesondere das linke Bein bewegt sich nicht auf einer Achse um die Kurbel. Vereinfacht ausgedrückt, schlenkere ich mit dem Knie während der Umdrehung von links nach rechts. Die Cleats, also die kleinen Schuhplatten des Klick-Pedalsystems, wurden so weit zur Innenseite der Laufsohle verrückt, bis sich ein geschmeidiger runder Tritt ergeben hatte. Das sorgte bereits für richtige Begeisterung meinerseits bei den letzten Ausfahrten und so auch für ein viel angenehmeres Training.
Meine Arm- und Beinlängen wurden dann noch genauestens vermessen, dazu die Schrittlänge, die relevant für die Rahmengröße und Sattelhöhe ist, notiert.
Anschließend wurden die Laufräder abgenommen und der Rahmen auf ein Ergometer gespannt. Ich möchte immer aufsitzen, aber auch hier hieß es erst einmal abwarten. Denn dann war ganz allein mein Zeitfahrrad dran. Ich habe das Gefühl, das jedes einzelne Teil mit dem Lineal vermessen wird. Von vorn nach hinten, von oben nach unten schaute sich Jörg mein Rad an und schrieb alles im Detail auf: die Maße des Rahmens, Vorbaus und Oberrohrs, die Rahmenhöhe, Kurbellänge, Sattel- und Aerolenkerposition.
Vorbaulänge, Oberrohr und Rahmenhöhe passen sehr gut zu meinem Körperbau. Ich muss nicht zu gekrümmt oder gestreckt sitzen.
Die Kurbellänge ist auch richtig gewählt für meinen Körperbau. Bei einer zu langen könnte ich Knieprobleme bekommen. Bei einer zu kurzen könnte ich die Kraft nicht richtig übertragen.
Die optimale Sitzhöhe wird ebenfalls bestimmt, damit ich nicht zu niedrig sitze, was ebenfalls eine Überlastung der Knie forcieren könnte. Sitze ich zu hoch, wären Probleme im Bereich der Lendenwirbelsäule möglich.
Die Position des Sattels ist nicht minder wichtig. Im Gegensatz zu meinem Rennrad ist der nämlich sehr viel weiter vorne, wodurch sich nicht nur die Position meines Oberkörper nach vorn hin verschiebt, sondern auch meine Beinstellung und die Kraftübertragung ändert.
Als ich das Gefühl habe, nun müsste es doch aber wohl geschafft sein, kommt ein ziemlich wichtiger Schritt. Radschuhe anziehen. Aber auch dann durfte ich immer noch nicht rauf aufs Rad.
INSPEKTION DER RADSCHUHE
Natürlich müssen auch die Radschuhe und das Tretverhalten genauer unter die Lupe genommen werden. Durch die Knierotation, die bereits vorher wie oben erwähnt, erkannt wurde, folgten meine Beine einem einigermaßen runden und ausgeglichenen Tritt. Die Überlastungserscheinungen am inneren Oberschenkel oberhalb beider Knie waren nahezu verschwunden.
Dennoch verschenkte ich viel zu viel Kraft, weil sich die Cleats nicht weit genug vorn befanden. Deshalb neigte sich mein Fuß seit Jahren zu weit nach vorn, wodurch die Ferse permanent zu weit oben war. Vermutlich dadurch verursacht, kam es hin und wieder zu Problemen im Achillessehnen- und Wadenbereich. Jörg hat die Cleats entsprechend neu positioniert und gab mir bei dieser Bastelei noch einige Tipps.
Meine orthopädischen Einlegesohlen, die ich aus Gründen der Bequemlichkeit eingelegt habe und damit meine leichte Dysbalance, verurscht durch ein geringfügig kürzeres Bein, ausgeglichen wird, könne ich ruhig weglassen. Denn wie oben erwähnt, brauchen meine Füße keine Stütze. Aber ich mag es, also bleibe ich gern dabei. Vor allem bei langen Touren und auch bei häufigem Berganfahren, zahlen sie sich für mich aus.
Um maximalen Druck auf die Pedale bringen zu können, empfiehlt mir Jörg ein anderes Klicksystem als meine SPD Pedale. Durch die kleine Auflagefläche geht scheinbar zu viel Kraft verloren. Für mich ist es momentan aber ein guter Kompromiss, um nicht barfuß aufs Rad springen zu müssen und ja – ich gebe es zu – mit einigermaßen sauberen Füßen die meist sehr wilden Untergründe der Wechselzone meiner Landschaftstriathlons verlassen zu können.
ANPASSUNG DES RADES
Mit der Anpassung des Rades begann endlich der eigentliche Teil, auf den wir hingearbeitet hatten. Rauf aufs Rad. Jörg schaute sich erst einmal ganz gelassen meinen derzeitigen Bewegungsablauf aus allen möglichen Perspektiven an. Ich wechselte zwischen Aeroposition und aufrechter Haltung hin und her. Er variierte die Wattzahlen, um meine Bewegungsabläufe auch in verschiedenen Leistungsbereichen beurteilen zu können.
Für ihn zunächst der Gesamteindruck wichtig. Alles schon sehr gut. Kein Wunder, denn beim Kauf des Rades wurde es wie oben erwähnt natürlich schon einmal genau auf mich eingestellt. Da ich aber bis dahin noch nie lange genug mit einem Zeitfahrrad trainiert hatte, wusste ich nicht genau, was mir wichtig sein könnte. Der Unterschied zu einem Rennrad mit Aerolenker war schon gravierend genug, als dass ich hätte sagen können, hier und da hakt es. Es wurde auch im Triathlongeschäft solange gefeilt, bis ich mich wohlgefühlt habe. Zwischen einem Rollentraining über eine halbe Stunde und der Trainingsrealität liegen aber gern mal Welten. So schlich sich vor allem in meinem Oberkörper das Gefühl ein, als würde ich permanent auf dem Aerolenker ‘Plank Position’ halten müssen. Außerdem schien es, als hätte ich den Flitzer nur halb unter Kontrolle, weil mein Schwerpunkt so weit vorn war. Entweder es waren deutlich mehr Liegestütze und noch mehr Stabi-Training notwendig, oder es musste sich etwas an der Platzierung meiner Arm-Pads des Aerolenkers ändern. Verschiebt man diese, muss die Position von anderen Teilen am Rad ebenfalls verändert werden. Der gesamte Körper musste etwas versetzt werden, damit ich nicht zu gekrümmt und letztlich gestaucht sitze.
Natürlich legt Jörg sehr viel Wert auf meine Aeroposition, damit ich sowohl im Training wie auch Wettkampf möglichst spät ermüde. Je überhöhter man sitzt, also je weiter der Sattel den Lenker überhöht, desto stromlinienförmiger erscheint der Körper.
Um so länger die Distanzen, so erfuhr ich, desto bequemer könne man die Einstellung auch wählen. Wolle ich aber an einem Zeitfahren, einem Triathlon Sprint oder einer olympischen Distanz teilnehmen, könne ich den Sattel auch einen Tick weiter vor schieben, um noch etwas sportlicher zu sitzen. So eine sehr dynamische Zeitfahrposition würde zwar bessere aerodynamische Werte erzielen, aber führt auf längeren Strecken zu Ermüdungserscheinungen.
So möchten wir eine möglichst aerodynamische Sitzposition meinem Zeitfahrrad entsprechend erarbeiten, aber zugleich meine körperlichen Voraussetzungen und Ziele miteinbeziehen. Nicht ich sollte passend zum Rad formatiert werden, sondern das Rad sollte an mich angepasst werden.
Jörg stellt die Winkel von Oberkörper und Oberschenkel, von Ober- und Unterarm in verschiedenen Positionen und gleiches für die Ober- und Unterschenkel sowie den Füßen ein.
Natürlich kann man so auch das passende Equipment für sein Rad finden, denn Jörg auch gleich entsprechende Empfehlungen. In meinem Fall war aber kein anderer Aerolenker, kein neuer Vorbei, andere Kurbel oder dergleichen notwendig. Mit zahlreichen Handgriffen gelingt es Jörg die Last aus meinen Schultern zu nehmen und mir ein angenehmes Fahrgefühl zu bereiten.
MENSCH & MASCHINE IM EINKLANG
Schritt für Schritt fand so eine Anpassung statt, um sich einer für mich optimierten Position anzunähern.
Denn es hilft mir absolut nichts, wenn ich in der perfekten Sitzposition nach Lehrbuch unter Schmerzen das Ziel erreichen würde oder es gar nicht bis dahin schaffe. Deshalb sollte die Sitzpositionsoptimierung nicht auf Kosten des Komforts gehen und im Einklang mit meinen körperlichen Voraussetzungen geschehen.
So bin ich nach zahlreichen Trainingskilometern und meinem ersten Wettkampf sehr zufrieden mit meiner derzeitigen Sitzposition. Die Überlastungserscheinungen im Kniebereich, die schmerzenden Füße und die Ermüdungserscheinungen in den Oberarmen, Schultern und Waden konnten so beseitigt werden.
Ich kann jedem zu einer derartige Sitzpositionsanalyse und -anpassung nur raten. So werden lange Radausfahrten zur wahren Freude und man kann jede einzelne Umdrehung mit der Kurbel genießen.
Bestimmt gibt es auch in eurer Nähe einen Experten, der euer Rad auf euch einstellt. Jörg Bauer findet ihr in dem Geschäft Ausdauerzone, in der Uhlandstraße 45 (10719 Berlin). Aktuelle Neuigkeiten teilt das Team auf der Facebookseite und es steht auch dort für Fragen rund um eine verbesserte Sitzposition zur Verfügung.
Ich kann euch das Geschäft auch wärmsten in Sachen Laufausrüstung und Leistungsdiagnostik empfehlen. In den Geschäftsräumen findet ihr nicht nur ein passendes Laufoutfit für jede Saison sondern auch eine große Auswahl an Schuhen, technischem Zubehör und Sportlernahrung.
Habt ihr Probleme bei euren Trainingsausfahrten oder habt ihr vielleicht sogar euer Rad bereits auf euch anpassen lassen? Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr eure Erfahrungen mit mir teilt.