Meine Meinung zum Weltklimaschutzabkommen von Paris

Von Bertrams

Die Welt jubelt, weil endlich ein globales Klimaabkommen geschlossen wurde. Am letzten Wochenende einigten sich die Vertreter von 195 Staaten der Erde tatsächlich auf einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag, mit dem die Erderwärmung bekämpft werden soll. Mir würde es wirklich gefallen, in diesen Jubel mit einzustimmen, doch leider sehe ich dafür wenig Anlass.

Dabei ist es wirklich eine Leistung, was die Verhandlungspartner in Paris vollbracht haben. Eine Freundin brachte es vor einigen Tagen auf den Punkt: “Eine Klimakonferenz ist ein Erfolg, wenn sowohl China als auch die USA teilnehmen, und sie wird zu einem großen Erfolg, wenn man sich auf den Termin für weitere Verhandlungen einigen kann”, sagte sie. Gemessen an dieser bislang zutreffenden Einschätzung wurde in Paris wirklich etwas erreicht. Es wurde ein völkerrechtlich bindender Vertrag vereinbart, der – wenn alles gut geht – in 30 Jahren beginnen soll, ernsthafte Auswirkungen auf das Klima zu entfalten.

Das Ziel: Die Erderwärmung soll auf klar unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Die Vertragsstaaten sollten sich sogar anstrengen, sie bei 1,5 Grad zu stoppen. Das klingt ehrgeizig, wenn da dieses kleine Wörtchen “sollten” nicht wäre. Im ursprünglichen Vertragsentwurf hatte dort das Wörtchen “sollen” oder “werden” gestanden, eine rechtlich bindende Verpflichtung. Doch die USA setzten sich für den Gummiparagraphen ein. Und das, obwohl Präsident Obama es gern anders gehabt hätte. Nur leider muss er den Vertrag durch den Kongress bringen, der von den Republikanern beherrscht wird. Nur wenn die USA keine neuen, rechtlich bindenden Verpflichtungen eingehen, kann der Präsident den Vertrag ohne Zustimmung des Kongresses ratifizieren, und das ist offenbar das Ziel Obamas. Die Republikaner hatten bereits deutlich gemacht, dass der Vertrag spätestens 2016 von ihnen geschreddert werden würde. Damit ist schon die Zielvorgabe nicht rechtlich bindend und hat wohl eher deklaratorischen Charakter.

Wie will man nun dieses ehrgeizige Ziel erreichen? Die Staaten wollen gemeinsam den Netto-Ausstoß ihrer Treibhausgase in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auf Null bringen: Sie dürfen dann nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie etwa mit Waldanpflanzungen oder durch Speichern von Kohlendioxid (CO2) im Boden aus der Atmosphäre gezogen werden kann. Für viele Forscher bedeutet dies, dass die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas im Fall des Zwei-Grad-Ziels bis 2070 aufhören muss. Die Länder sollen ihre Ziele alle fünf Jahre nachbessern, zum ersten Mal 2020. Was diplomatisch ein guter Erfolg war, ist klimatechnisch eine Katastrophe. “Zu spät und zu wenig”, so bewerteten viele Umweltschutzorganisationen inhaltlich das Abkommen. Der Erfolg besteht auch vor allem darin, dass es überhaupt zustande gekommen ist. Probleme ergeben sich allerdings für alle: Die Staaten und die Wirtschaft müssen sich entscheiden, ob sie statt der fossilen Energien auf Atomstrom oder erneuerbare Energien wie Wind-, Wasser- und Solarkraft setzen, und die Umweltschützer müssen ihre Position zur Atomkraft deutlicher formulieren. Denn Wirtschaftsverbände werden die Atomkraft vermutlich als einzig gangbare Alternative anpreisen. Wenn man aber erst 2070 beginnt, auf fossile Energien zu verzichten, trotz des Widerstandes der großen Industrienationen und der Schwellenländer, deren Energieverbrauch ständig steigt, kann ich mir nicht vorstellen, dass man das 2-Grad-Ziel erreichen kann. Schon jetzt steigt der Meeresspiegel an, und einige kleine Inselstaaten fürchten ganz real um ihre Existenz.

Der Vertrag enthält erstmals auch finanzielle Verpflichtungen: Von 2020 bis 2025 sollen die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden Dollar (das sind rund 91 Milliarden Euro) für Entwicklungsländer bereitstellen. Für die Jahre danach soll es ein neues, höheres Ziel geben. Ölstaaten und Schwellenländer „werden darin bestärkt“, sich „freiwillig“ an der Finanzierung zu beteiligen. Die Vertragsstaaten erkennen die Notwendigkeit an, ärmeren Staaten bei Verlusten und Schäden durch den Klimawandel zu helfen. Dazu zählen Dürren, Überschwemmungen, der Untergang von Inseln oder Sturmschäden. Für arme Länder soll beispielsweise ein Versicherungssystem gegen Schäden aufgebaut werden. Mit diesen Maßnahmen hat man sich die Zustimmung der ärmeren Staaten zum Vertragswerk gesichert, doch sie haben keinen rechtlich bindenden Anspruch auf das Geld, es ist eine dieser “sollten-Bestimmungen”. Zwar ist das Abkommen völkerrechtlich verbindlich, enthält aber eben nur Zielvorgaben und keine Sanktionen. Es war vermutlich das Beste, worauf man sich im Zeitalter wirtschaftlicher Gier und brutaler Verantwortungslosigkeit einigen konnte.

Deshalb hält sich mein Jubel in Grenzen. Ich erkenne die
Verhandlungsleistung durchaus an, sehe aber auf die Dauer keine Vorteile für das Klima. Weil der Vertrag keine Sanktionen enthält, muss man sich auch nicht an ihn halten, er wird verwässert und überall unterschiedlich ausgelegt werden. Erst wenn einige Inseln untergegangen sind, wenn der Meeresspiegel um 10 Meter gestiegen ist, ja wenn Hamburg, die Niederlande und Dänemark untergegangen sind, dann werden vermutlich auch die wirtschaftlich starken Staaten zur Vernunft kommen. Allerdings ist es dann zu spät. Auch bei diesem Abkommen haben die Verfechter kurzfristiger Gewinne gesiegt, wenn auch nur knapp. Wenigstens eine moralische Wirkung dürfte der Vertrag entfalten, wenn es gelingt, dass ihm sogar die USA zustimmen.

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