Meine Hilflosigkeit beim Einschlafen

Immer wieder mal gab es Abende, an denen die Große nicht gut einschlief, z. B. wenn der Tag zu erlebnisreich war oder sie zu wenig Bewegung hatte und sie dadurch nicht müde genug war. Irgendwann konnte sie aber dennoch einschlafen, wenn es auch bis zu einer Stunde gedauert hat.

Gestern war sie schon um 18:30 Uhr müde und nicht so wie sonst um 19:30 Uhr. Also haben wir das Abendritual etwas früher begonnen: Schlafanzug anziehen, Zähneputzen und Buch anschauen mit Papa, anschließend ging ich dann zu ihr, wir beteten und ich nahm sie in den Arm zum Einschlafen. Doch es klappte nicht so wie sonst. Sie wollte keine Schlafanzughose anziehen, was ja noch das kleinere Übel war. Sie blieb dann halt ohne Hose. Egal, welches Lied ich vorsang oder was ich sie fragte, sie sagte nein und weinte herzzerreißend. Nach einer Stunde sagte sie, dass sie nicht in unserem Bett, sondern im großen Bett (so nennt sie ihr Bett) schlafen möchte. Also deckten wir unser Bett wieder ab und zogen mit Trinkbechern, Büchern und ihrem Kuscheltier um. Als wir dort lagen, ging es wieder von vorne los und sie sagte nein und weinte wieder. Nach einer weiteren Stunde sagte sie, dass sie auf dem Sofa schlafen wollte. Da jedoch auch die Kleine gestillt werden wollte und das Sofa nicht breit genug für uns alle 3 ist, ging ich zuerst mit ihr alleine wieder ins Bett, während der Papa die Kleine auf dem Arm hielt, die sich dadurch glücklicherweise noch beruhigen ließ. Nach ein paar Minuten, in denen ich mit ihr geredet hatte und sie ruhig und müde schien, war ich optimistisch, dass es nun klappen wird. Der Papa brachte die Kleine, ich stillte sie und nahm die Große in den Arm und knipste das Licht aus. Dann ging es wieder los und sie weinte und sagte nein. Sie rief nach Papa, der sich dann neben uns legte und mit ihr noch einmal ein Buch anschaute. Sie war ruhig und ich hoffte, dass es nun klappt. Leider nicht. Sie weinte und hörte nicht auf. Die ganze Zeit über sagte ich ihr, dass ich da bin und sie lieb habe. Ob es bei ihr ankam, weiß ich nicht. Sie reagierte darauf jedenfalls kaum. Also kam der Papa wieder und fragte sie, ob er das Körnerkissen warm machen soll. Sie ging mit und gemeinsam wärmten sie das Körnerkissen auf. Sie kam zurück und schlief nun mit dem Körnerkissen auf dem Bauch ein. Endlich!

Ich ging noch einmal kurz ins Wohnzimmer – nachdem es nun aber schon 22 Uhr war und ich selbst total fertig und verzweifelt war, weil ich mich so hilflos fühlte, ging ich auch ins Bett. Neben den üblichen Stillunterbrechungen der Kleinen wachte die Große noch mehrmals weinend auf, ließ sich aber glücklicherweise schnell wieder beruhigen, wenn ich sie in den Arm nahm. Heute Morgen schlief sie noch, als der Papa sich für die Arbeit fertig machte und ich nutzte die Zeit mit der Kleinen bzw. um alles vorzubereiten.

Zur üblichen Zeit stand sie auf und sagte mir lächelnd “gut geschlaft”. Ich zog sie an und redete mit ihr, dass es mir leid tut, dass ich sie am Abend nicht beruhigen konnte und dass ich so ungeduldig war. Sie schaute mich ungläubig an und es schien, dass sie gar nicht wusste, was ich meine. Das brachte mich noch mehr zum Nachdenken. Warum reagiert sie so? Kann sie sich nicht erinnern? Oder kam meine Ungeduld gar nicht bei ihr an, sondern sie fühlte sich doch durch mich beruhigt, sodass sie nicht verstand, was ich meinte?

Die Fragen, die mir am Abend durch den Kopf gingen, waren: Hat sie Schmerzen? Will sie vielleicht ein anderes Ritual? Hab ich ihr zu viel zugemutet am heutigen Tag? Ist das ihre Art, Aufmerksamkeit zu bekommen, während sie sonst so gut mit der Situation, dass das Baby mehr Aufmerksamkeit braucht, umgeht? Gebe ich ihr zu wenig Struktur? Überträgt sich meine Unruhe? Hat sie Angst im Dunkeln? Wenn ja, warum? Spürt sie, dass ich unsicher bin, wie der nächste Tag ohne den Papa klappen soll?

All diese Fragen belasteten mich die ganze Nacht über und vielleicht war das der Grund, warum sie immer wieder aufwachte. Mama und Kind sind ja durch ein unsichtbares Band verbunden. Vielleicht war es doch zu viel am gestrigen Tag. Sie hatte morgens das erste Mal die Toilette mit Erfolg benutzt und trug tagsüber nur eine Unterhose, weil sie keine Windel anziehen wollte. Das Bescheid sagen klappte erst, als es zu spät war und die Hose schon nass war. Ich reagierte ohne es groß zu kommentieren, außer ganz ruhig zu sagen, dass sie beim nächsten Mal bitte Bescheid sagt.

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© “I. Rasche  / pixelio.de”

Mit zeitlichem Abstand betrachtet und auch durch den Zuspruch aus meiner Timeline auf Twitter denke ich, dass es richtig war, ihr immer wieder zu sagen, dass ich sie lieb habe und ich da bin, auch wenn sie sagte: “Geh” oder “Finger weg”. Es tat mir einfach weh, sie so zu sehen und mit meiner Hilflosigkeit am Ende zu sein. Auch diese Worte waren sehr hart für mich in dem Moment und ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Auch jetzt steigen mir die Tränen wieder in die Augen, wenn ich daran denke. Ich kenne es nicht, dass sie so lange weint und ich ihr nicht helfen kann. Sie hat an dem Abend auch gesehen, dass ich weinte, was sie vielleicht zusätzlich verunsicherte, weil sie spürte, dass es wegen ihr war. Als ich weinte, umklammerte sie mich aber fest und ließ mich nicht mehr los, als ob sie mich trösten wollte. Ich wollte nicht weinen vor ihr, konnte aber nicht anders. Was letztendlich die Lösung brachte, war wahrscheinlich, dass sie kurz mit Papa aus der Situation ging, der in den letzten Wochen während seiner Elternzeit wichtiger als je zuvor für sie geworden ist, weil Mama eben nun viel Zeit für das Baby braucht. Vielleicht war der Grund für ihre Unruhe auch, dass sie wusste, dass Papa heute wieder arbeiten muss. Ich weiß es nicht. . . und sie hat es nicht gesagt. Wir haben den Abend und die Nacht überstanden, so schwer es auch war. Und der Papa ist heute sicherlich sehr müde. Es war zum allerersten Mal, dass ich mich richtig hilflos fühlte, weil ich nicht mehr wusste, was ich noch tun soll. Ich habe großen Respekt vor allen Eltern, die solche Zeiten immer wieder erleben und das Kind sich einfach nicht beruhigen lässt. Wie haltet Ihr das nur durch, ohne selbst an Euch zu zweifeln? Ich könnte das glaube ich nicht und bin froh, dass ein Abend wie gestern hoffentlich eine Ausnahme ist. 

Heute ist wieder alles gut und ich hoffe, dass ein solcher Abend so schnell nicht wieder kommt.

Eure Mami Renate

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