Es gibt Kunstsammler, die aus Geltungssucht sammeln, solche, welche die renditenreiche Investition anspornt und wieder andere, die einen gänzlich anderen Zugang zu diesem Thema haben. Alois Bernsteiner ist es zu verdanken, dass im Kunstraum Bernsteiner in der Schiffamtsgasse 11 im zweiten Bezirk seit 2010 jährlich vier bis fünf Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten präsentieren können.
Studenten und Guernica von Picasso
Ursprünglich wollte der heute 64-Jährige Rennfahrer werden, musste diesen Traum nach einem schweren Unfall jedoch aufgeben. „Es war nach heutiger Sicht ein Glück, dass ich so lange im Krankenhaus war. Ich war damals 37 Jahre alt und hatte während meiner Genesung viel Zeit zum Nachdenken. Da lernt man auch genügsam sein und sich auf Sachen zu konzentrieren, die wichtig sind. Mit Kunst habe ich mich schon sehr früh auseinandergesetzt. Ich bin schon als junger Mann kreuz und quer mit Autostopp durch Europa zur Kunst gefahren. Ich war in Paris, in Madrid oder Amsterdam. Wenn ich von Museen oder Ausstellungen hörte, die mich interessierten, habe ich mich kurzerhand auf den Weg gemacht.“ Den Beginn seiner Leidenschaft für zeitgenössische Kunst kann Bernsteiner im Nachhinein jedoch in der Begegnung mit einem einzigen Bild festmachen: „Guernica“ von Picasso. Das hätte bei ihm eine Initialzündung ausgelöst. Das richtige Gespür für gute junge Kunst, das hat Bernsteiner von Künstlerinnen und Künstlern übernommen. „Ich höre immer gut zu, wenn sie sich untereinander unterhalten. Und auch heute noch frage ich manche nach ihrer Meinung. Da möchte ich von ihnen wissen, ob das Werk eines Künstlers oder einer Künstlerin Qualität hat oder ob es nichts als Larifari ist.“ Dass er mit seinem heutigen, elaborierten Kunstgeschmack einer kleinen Elite angehört, ist ihm voll bewusst. „Kunst ist so elitär geworden, dass heute 80% der Menschen nichts mit zeitgenössischer Kunst anfangen können. Ich hatte das Glück, dass ich das, was man in der Schule über Kunst lernt, rasch abschütteln konnte. Viele meinen ja nach wie vor, dass Zeichnen ein Ersatz für die Fotografie sein sollte. Das ist der größte Blödsinn.“ Alfred Hrdilicka, dem er als junger Mann „nicht nur einmal nachts hilfreich unter die Arme gegriffen hat”, aber vor allem die jungen Kunststudentinnen und Architekturstudenten, die er kennenlernte und denen er mit seinen handwerklichen Fähigkeiten ein menschenwürdiges Wohnen ermöglichte, beeinflussten seinen Kunstgeschmack von Beginn an. Heute zählen wichtige Vertreterinnen und Vertreter der zeitgenössischen österreichischen Kunstszene zu seinen Freundinnen und Freunden. Kogler, Schlegel, Wagner, Stangl oder Sandbichler, Bohatsch und Kogler sind Namen, die Bernsteiner nur so aus dem Ärmel schüttelt. Was sich so imposant anhört, hat dennoch bescheiden begonnen.
„Leute werden oft gefragt, was sie mit viel Geld tun würden. Ich würde Chancen schaffen. Ich würde dafür sorgen, dass Kreative das ausprobieren, was in ihrem Kopf ist.“
Tausche handwerkliches Geschick gegen Kunst
Ich kann warmes Wasser verlegen, du machst Bilder – lass uns tauschen. Das ist eine einfache Gleichung, die sich heute in einer Sammlung niederschlägt, welche „noch nicht vierstellig” ist. „In meinen jungen Jahren litt ich vor lauter Arbeitsaufträgen permanent unter Schlafentzug, heute muss ich wegen meiner Behinderung, den Unfallspätfolgen, ruhiger treten.“ Was der gelernte Installateur als „ruhiger Treten“ bezeichnet, ist für so manch anderen ein Fulltime-Job. Sein Kunsteinsatz ist jedoch nicht vergleichbar mit jenen von Galeristinnen und Galeristen. „Ich verkaufe keine Kunst, ich bin kein Galerist, ich biete nur die Möglichkeit, Neues hier zu zeigen.“ Das Engagement, in seinem Kunstraum vor allem raumfüllende Installationen zu präsentieren, ist mehr als erstaunlich. „Galerien möchten meist Kunst ausstellen, die sich als „Flachware“ möglichst gut verkauft. Das interessiert mich aber überhaupt nicht.“ Schon von Beginn seiner Ausstellungstätigkeit an, der nun mehr als 20 Jahre zurückliegt, bot er einer, maximal zwei Personen pro Ausstellung großzügig Raum, um darin deren künstlerische Vorstellungen umzusetzen, unabhängig vom alles bestimmenden Kunstmarkt. Es fing mit Ausstellungen in seinem Haus im 11. Bezirk an, danach wechselte er in seine neu gebaute Halle ebenso in Simmering. Der letzte Coup ist nun der Kunstraum Bernsteiner, eine von ihm unglaublich behutsam und zugleich spannend revitalisierte Location, die eine Herausforderung für die Ausstellenden bedeutet.
Kunst kann man nicht ausschließlich in Zahlen bewerten
„Der größte Reiz bei Ausstellungen ist für mich das Verfolgen des Entstehens des Projektes. Zu sehen, wie sich eine Idee konkretisiert und der Raum dabei jedes Mal anders genutzt wird. Ich bin von der ersten Idee bis zur Ausführung eingebunden, das ist es, was für mich richtig interessant ist.“ Bernsteiner ist ein „Macher“, einer, der den Künstlerinnen und Künstlern hilfreich zur Seite steht, aber auch einer, der von ihnen verlangt, selbst Hand mit anzulegen. Seine eigene Sammlung ist gut dokumentiert und elektronisch erfasst, wenngleich Bernsteiner selbst „mit Computer gar nichts am Hut hat.“ Im Dezember 2013 erhielt er für sein Engagement eine Anerkennung bei der Maecenas-Verleihung. „Auf die Frage, wie hoch denn mein jährliches Kunstbudget sei, zitierte ich meine Frau, die sagte, dass wir mit unserem Budget bereits im Jahr 2054 angelangt sind. Heute definiert sich alles über Zahlen, aber in der Kunst kann man vieles nicht mit dem reinen Geldwert ausdrücken. Arbeit zum Beispiel zählt nie als Geld.“ Und Arbeit macht jede einzelne Ausstellung mehr als genug. Nicht nur, dass Bernsteiner den Raum zur Verfügung stellt, er sorgt auch für PR und ermöglicht den Kreativen auch so manchen Sonderwunsch. Da werden schon einmal der Boden und die Wände in einer anderen Farbe gestrichen oder eine Wand eingezogen, wenn notwendig. „Ich bin Unternehmer. Man muss was angreifen, dass was draus wird.“ Das gilt im Installations- und Baugewerbe genauso wie in der Kunst. „Leute werden oft gefragt, was sie mit viel Geld tun würden. Ich würde Chancen schaffen. Ich würde dafür sorgen, dass Kreative das ausprobieren, was in ihrem Kopf ist.“ Es ist interessant, gerade das von einem Mann wie Alois Bernsteiner zu hören, der ja schon seit mehr als 2 Jahrzehnten im Kunstbereich nichts anderes macht.
Die Zukunft einer großen Sammlung
Auf die Zukunft seiner Sammlung angesprochen, reagiert der Kunstmäzen gelassen. „Mir ist es egal, was mit meiner Sammlung einmal geschieht. Ich möchte da niemandem etwas dreinreden. Und außerdem muss man bedenken, dass ich nicht systematisch gesammelt habe, eher aus dem Bauch heraus. Darüber hinaus hat sich im Laufe der Zeit mein Geschmack auch verändert.“ Überraschend nach dieser Aussage war dann jedoch die Feststellung auf die Frage, welche Bilder denn seine Lieblingsstücke wären: „90 Prozent! Aber verkauft wird davon nix! Meine Bilder sind für mich wie Tagebücher. Ich erinnere mich bei jedem Einzelnen, wie ich dazu kam, an die Geschichte drumherum.“ Dass er aber überhaupt eine derart große Kunstsammlung aufbauen konnte und seiner Leidenschaft auch in seinen diversen Kunstprojekten frönen durfte, das verdanke er seiner Familie, die „ein Lottosechser in seinem Leben“ gewesen sei. „Wir haben sogar einmal einen Familienrat einberufen, als es um den Ankauf eines Bildes ging. Entweder das Bild oder ein Urlaub, das galt es zu entscheiden und die Entscheidung fiel 3:0 – meine Frau, meine Tochter und ich – für das Bild.“ Leicht unwirsch wird Bernsteiner nur dann, wenn er auf das Thema der Kulturförderung zu sprechen kommt. Auf finanzielle Versprechungen, die nicht eingehalten wurden, auf einen bürokratischen Dschungel, den er hasst. „Bürokratische Hemmnisse sind etwas Schreckliches“ und „die Kunstförderung ist keine Kunstunterstützung, sondern die kleinen Summen, die dabei vergeben werden, sind so etwas wie Eselskarotten, die man den Leuten vor die Nase hängt und ihnen ab und zu einmal eine gibt, damit sie den Mund nicht aufmachen.“ Das darf einer sagen, der zwar nach eigener Aussage „stets weiß, was er in der Tasche hat“ aber zugleich auch „nie rechnet, was eine Ausstellung tatsächlich kostet.“
Alois Bernsteiner ist ein Mann der Tat mit einer Riesenportion Interesse an der Kunstproduktion. In Zeiten wie diesen und einer Stadt wie Wien wurde er so etwas wie ein feststehender Leuchtturm für viele, die ohne ihn nicht die Möglichkeit bekommen hätten, ihre künstlerischen Pläne in die Tat umzusetzen. Mit seinem Kunstraum ist es ihm gelungen, dem finanziellen Diktat, welches die Kunst auf vielen Ebenen tatsächlich zum Schweigen bringt, zumindest vordergründig ein Schnippchen zu schlagen. Und dass noch einiges von ihm zu erwarten ist, erklärt sich schon aus seiner lapidaren Feststellung, dass „ich für das, was noch in meinem Schädel ist, eigentlich fünf Leben brauchten würde.“