Mein Weg zurück zur Einfachheit

Von Mareike W

“Das Siegel der Wahrheit ist die Einfachheit.”

Hermann Boerhave

Vor uns liegt eine Woche Urlaub bei meinen Eltern. Noch bis vor einigen Jahren war das für mich undenkbar! Meinen Urlaub in einer 5000-Seelen-Stadt irgendwo zwischen Chemnitz und Leipzig. In einer Stadt, in der die Läden am Samstag um 11:00 Uhr schließen und bei der jeder den Bürgermeister noch persönlich kennt. Tja, und nun sitze ich hier im Garten meiner Eltern und genieße diesen „spießigen“ Urlaub. Ich genieße die Ruhe, die Abkühlung unter den Bäumen und schaue Nepomuk beim spielen im Gras zu.

Dieser „Familienurlaub“ ist für mich die konsequente Fortsetzung eines Lebenswandels, den wir im Januar eingeleitet haben. Ursprünglich wollte ich eigentlich nur 30 Tage vegan leben und ein paar Kilo verlieren. Daraus wurden dann tiefgründige Diskussionen mit meinem Freund um unsere Zukunft, das geweckte Interesse zum Minimalismus und die damit verbundene intensive Beschäftigung mit meinem Konsumverhalten. Hinzu kommen die wachsende Naturverbundenheit und das Einlesen in die Konzepte von Emmi Pikler und Maria Montessori.

Auch wenn ich nicht glaube, dass nur die Geburt von Nepomuk mich so nachhaltig im Denken und Handeln verändert hat, bin ich doch sicher, dass sie einen erheblichen Beitrag geleistet hat. Selbst jemandem wie mir, der die Unverbindlichkeit und Schnelligkeit der heutigen Zeit immer gepriesen hat, wurde spätestens in den ersten Lebenswochen von Nepomuk bewusst, dass diese doch stark egoistische Denkweise so nicht weitergehen kann.

Als ich 3 Monate nach der Geburt von Nepomuk den New York Marathon lief, war das irgendwie eine Wendung in meinem Leben. Wenn ich ohne Training und ohne Vorbereitung 42 Kilometer schaffe, dann kann ich eigentlich auch eine Wendung in meiner Lebensweise schaffen.

Und so fing ich im Januar mit der veganen Ernährung an und strich Dinge wie Weißmehl oder industriellen Zucker aus meinen Lebensmitteln. Mir ging es sofort körperlich besser und auch der Gemütszustand besserte sich merklich. Ich las viel über vegane und reine Ernährung. Irgendwann kam der Schwenk zum Minimalismus. Wenn es mir gelingt in der Ernährung auf überflüssige Dinge wie Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker zu verzichten, dann muss das doch auch in anderen Teilen des alltäglichen Lebens möglich sein.

Mein Freund brachte mich auf das Thema Reduktion und nach dem ich ein Interview mit der Autorin von „Buddha räumt auf“ gelesen habe, war ich sicher im Minimalismus mein Glück zu finden. Ich fing an auszumisten und mit jedem Gegenstand der unsere Wohnung verließ fühlte ich mich besser. Unser Wohnzimmer war nicht mehr chaotisch, sondern nun sauber strukturiert und aufgeräumt. In einem Buch von Maria Montessori habe ich gelesen, dass Kinder eine strukturierte Umgebung benötigen und das es zu vermeiden sein, das Kind mit einem „zuviel an allem“ zu überfordern.

Das Leben und der Konsum wurde in den letzten Wochen und Monaten überschaubar. In Zeiten von grenzenlosem Konsum und der 24/7 Mentalität ist ein überschaubares Leben doch schon ein gewisser Luxus. Jedenfalls geht es mir super damit. Und so sitze ich hier im Garten meiner Eltern in einem kleinen Städtchen und genieße einfach nur die Zeit mit meinem Freund, mit Nepomuk und meinen Eltern und den Eltern von Stefan, die zurzeit auch hier sind. Es ist alles so entspannt, ich habe Erdbeerflecken auf meiner Hose, keine Schuhe an, das WLAN funktioniert nicht im Garten und Nepomuk verzichtet auf Windeln und Body, weil es so schön schattig im Garten ist. Es ist alles so überschaubar hier: Kein All-Inclusive, keinen Drang jeden Abend in irgendein Restaurant zu gehen oder irgendwelche Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Ich sitze zum ersten Mal einfach nur auf der Hollywood-Schaukel und genieße die Zeit des Nichts tun. Ich fühle mich glücklich an einem Ort, den ich vor Jahren meist nur an wenigen Wochenenden im Jahr und an Weihnachten aufgesucht habe. Ein dauerhaftes Landleben kann ich mir zwar immer noch nicht vorstellen, auch wenn ich den Selbstversorgergarten von meinen Eltern so toll finde, aber für glückliche und stressfreie Tage ist es wirklich super.

Der Tag war heute wundervoll und die nächsten Tage werden super.