Ich stand in San Francisco und sah ihn.
Ich hatte ihn vorher schon häufiger gesehen und immer widerstanden, aber jetzt nicht.
Immer wollte ich ihn, jetzt gab es für ihn kein Entkommen. Er gehörte mir. Nein, eigentlich gehörten wir zusammen. Und darum: Zack olé, meiner!
Und es sollte für immer halten. Ich wusste, ich würde ihn lieben und ehren, in guten und in schlechten Zeiten.
No.
Matter.
What.
Von da an wich er nicht mehr von meiner Seite. Zusammen funktionierten wir super. Weil er mein ein und alles war, wurde er auch von Kate Spade eingekleidet und Timbuk2.
Ja, ich stehe zu ihm und er steht mir.
Zusammen waren wir in der Uni, in San Francisco, in Las Vegas und LA, in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Edinburgh. Und auch wenn ich in Siegen morgens die Augen aufschlug, lag er neben mir und wachte mit mir auf.
In den USA war er mein Fenster nach Deutschland, jetzt holt er jeden Tag ein Stück von mir nach Kalifornien oder ein Stück von Kalifornien zu mir.
Natürlich könnte man sagen, dass er nur einer von vielen war. War er aber nicht. Er war etwas besonderes.
Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass wir nur gute Zeiten hatten. Zusammen waren wir oft genug im Apfelkrankenhaus, doch im Prinzip brachte uns eine Woche Intensivstation und stundenlanges an Schläuchen liegen doch nur näher zusammen. In sieben Monaten Beziehung tut man, was getan werden muss, das schließt auch zwei neue Motherboards ein.
Egal wo ich war, er war fast immer bei mir. In der Uni, im Flugzeug, in der Bahn, in jeder Stadt und im Büro. Im Bett, im Café, auf dem Dach.
Er war da, und bis auf wenige Ausnahmen war immer auf ihn Verlass.
Bis vor zwei Tagen ein tragischer Unfall alles zerstörte.
“Don’t drink and type” – Ein Schluck Weißwein zu viel und das war das Ende.
“Wir haben schon vieles zusammen durchgestanden, darum wird das jetzt auch wieder werden.”, dachte ich, Optimistin vom Dienst, nachdem der Übeltäter sich bei mir entschuldigt hatte, versuchte alles an Wein wieder rauszuholen und ihn zu retten.
Ich bin nicht ausgerastet und ich habe auch nicht geweint.
Das macht man dann nicht. Dem anderen ging es schon schlecht genug.
Am nächsten Tag sofort ins Apfelkrankenhaus.
Das war es. Alles schwarz.
“Das sieht nicht gut aus.”, sagte der Mann hinter dem Tresen.
Nein, das sah wirklich nicht gut aus. Und das war es auch. Nicht gut.
Ich habe immer noch nicht geweint. Ich verdränge den Schmerz und hole mir einen Ersatz. Einen Neuen.
Als ich ihn sehe, bin ich kalt wie ein emotionaler Kühlschrank.
Er interessiert mich eigentlich gar nicht.
Mein Herz hängt an meinem Ex, seinem Vorgänger.
Das bringt aber nichts.
Der Neue ist noch besser, sagt man mir.
Der Typ hat leicht reden, er hat Fälle wie mich jeden Tag vor sich stehen.
Der Neue.
Er ist schneller, besser, neuer.
Aber da er neu ist, hat er auch noch keine Geschichte.
Er hat keine amerikanische Tastatur, die ich geliebt habe, und er kommt auch nicht aus San Francisco. Jedenfalls haben wir uns da nicht gefunden. Er hat noch keine Kratzer und noch keine Beulen – einfach noch keine Naben.
Der Neue hat einen schweren Start.
Er ist noch so naiv. Er weiß gar nicht, was er ab jetzt durchmachen wird, dass er zwar schlafen, aber so gut wie nie ganz abschalten wird.
Er wird mich immer sehen, wenn mich andere nicht sehen. Wenn ich alleine bin, wird er bei mir sein. Er wird das verwirrte Gesicht kennenlernen, das ich aufsetze, wenn ich meinen Kontoauszug sehe, und das fröhliche, wenn ich mich über Post freue.
Er ist mein Neuer und er hat eine Chance verdient.
Hallo “Neuer Apfel”. Oder vielleicht nenne ich ihn “Apfel II”.
Und jetzt wo wir mal darüber gesprochen haben, kann ich mich auch über ihn freuen. Irgendwie.
Darf ich vorstellen: Mein Neuer.