Mein #Mutterkoerper: Jubel und Tränen

Das Thema ist für mich nicht einfach – das sage ich zu Beginn.

Auch habe die vier (eigentlich sechs) Schwangerschaften immer mit gemischten Gefühlen begonnen. Ich mochte es nicht immer, mir meinen Körper zu teilen, nach der ersten Geburt fürchtete ich das für mich so nervtötende und schmerzhafte Stillen, ich hasste es, wie taub und wabbelig sich der Körper nach der Geburt anfühlte. Und dann diese tausend Dinge, die nie vorher mal jemand ausspricht oder einem sagt. Ich hatte immer Angst vor den Geburten und beschreibe sie bis heute als überwältigende Ereignisse. Jede auf ihre Art.

Nein, der Zustand, immer heftiger werdender Wehen mit Aussicht auf Steigerung, nackt auf allen Vieren bei der Hausgeburt vom Bad ins Wohnzimmer kriechen, das taube Gefühl beim ersten Pieseln nach der Geburt und Dammnähte, die sich anfühlten als reichten sie bis in den Nacken –  oder bei der vierten und mit Abstand heftigsten Geburt, als ich lakonisch dachte: “Hey, schlimmer kann es nicht mehr werden, weil ich nicht mehr lauter schreien kann” – all das macht es für mich nicht zum “schönsten Tag in meinem Leben”.

Nur der Moment, in dem man den neugeborenen Menschen zum ersten Mal umarmt – der ist absolut überwältigend einmalig. Da wären dann also die schönsten Momente im Leben.

Der Rest kann mir gestohlen bleiben. Ja, ich war total stolz auf mich – besonders nach der ersten Geburt, während der ich den Wunsch unterdrückte, um einen Kopfschuss zu bitten. Der ganze Sermon rund um “ich hab es ohne Schmerzmittel durchgehalten” gilt auch für mich. Drei Mal weil ich keine Schmerzmittel brauchte (oder im Geburtshaus/Hausgeburt hätte haben können) und einmal weil es dafür schon zu spät war. Hab mich ganz brav ganz tapfer geschlagen – so, wie es von uns Frauen verlangt wird. In der modernen Zeit, in der man sich des Naturalismus bedient, wann immer es en vogue erscheint (ausschließlich beim Kinderkriegen- und haben!)

So viel zu der Zeit vor dem “After Baby Body” (Was’n Wort, würg)

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Bauchmuskeln ohne Ende – nutzen aber nix: Geht genau so wenig in die Form zurück wie der Überraschungsei-Inhalt …

Mutterkörper

In unserem Urlaubs-Beitrag habe ich ein Bikinifoto von mir veröffentlicht. Darüber habe ich natürlich vorher ein Bisschen nachgedacht. Dann aber entschieden, dass es eine gute Entscheidung ist. Für mich war es ein Schritt, etwas selbstsicherer mit meinem Körper umzugehen. Das Foto selbst war dann sogar Anlass für Resonanz – damit hatte ich nicht gerechnet. Und sie war sehr positiv für mich. Es war für mich echt ein weiter Weg bis zu diesem Foto.

Ich habe nach der ersten Schwangerschaft – ein paar Tage nach der Geburt – nackt vor dem Spiegel gestanden und einen infernalischen Schock bekommen, der verzweifelt versuchte, sich in einem Weinkrampf Luft zu verschaffen.

Ich war bis vor der Schwangerschaft eine Frau, die ihren Körper sehr mochte und gerne zeigte. Echt jetzt: Es gibt eine Menge Nacktfotos von mir. Deshalb kann ich meine Fotoalben nur einem ausgewählten Publikum zeigen. Weil ich die einfach da rein geklebt hab. Zwischen “Ausflug zum Strand” und “Netter Nachmittag mit Freunden beim Picknick” bin ich halt auf manchen Fotos nackt irgendwo auf einer Wiese oder alten Ruinen – da finde ich nichts dabei.

Ich gefiel mir und das fühlte sich sehr gut an. Und dann das. Dieser Anblick – das war der blanke Horror für mich. Ich dachte:

“Das war’s. Dein Körper ist hinüber und du bist gerade mal Mitte Zwanzig.”

Und dieses Gefühl blieb. Keine weitere Schwangerschaft beeinträchtigte meinen Körper weiter. Das hat alles die erste arrangiert.

Ich hatte zusätzlich noch viel zu viel zugenommen und fühlte mich einfach grauenhaft. Dann gab es da ja auch noch diesen kleinen Menschen, der mein Leben neu durchstrukturierte und der gefühlt pausenlos an diesem geschundenen Körper schmerzhaft herumsaugen wollte – ich kam kaum dazu, mich in diesem derangierten Etwas zu arrangieren. Nachts lief die Milch so stark aus meinem Busen, dass ich immer unter einen nassen Decke aufwachte, auf der Seite schlafen ging nicht, weil meine Brüste zu prall gefüllten, gefühlt kiloschweren Melonen geworden waren.

Ich fühlte mich in diesem von Milch überquellendem Körper, der sich um mich herum anfühlte wie ein geweiteter Ballon, aus dem man die Luft abgelassen hatte, mehr als unwohl: Einfach nicht zuhause.

Es war alles in allem eine körperlich gesehen nicht wirklich bereichernde Phase, echt nicht.

Ja klar, das Baby war süß und ich liebte es sehr. Das verstehst sich ja von selbst – ich finde nicht, dass man das dauernd betonen muss. Aber ich wusste, dass ich für immer verändert aussehen würde. Negativ verändert. Für immer.

Skalpell und Co

Vor einigen Jahren – da war Nummer 3 bereits im Kindergarten und ich hatte längst mein Idealgewicht zurück, suchte ich einen Facharzt für plastische Chirurgie auf. Er ist einer der renommiertesten in unserem Wohnumfeld und ich erhielt dennoch recht schnell einen Termin. Dann saß ich da zwischen lauter Frauen, deren Gesichter erstaunlich gefühlvoll straffgezurrt worden waren. Mir wurde Kaffee und Gebäck gebracht – im Riesenfernseher an der Wand lief eine Nachrichtensendung.

Ich sprach mit dem Arzt. Er bat mich, meinen Bauch freizumachen und sah sich das Ganze an. Er fasste (das ist mal erhebend!) in die überschüssige Haut und zog sie etwas vom Körper weg.

Ich, scherzend: “Das machen sie sicher nur, damit man sich in jedem Fall FÜR eine Operation entscheidet, oder?”

Er, schmunzelnd: “Nein, das geht nicht anders, um den Körper, also die Hautbeschaffenheit zu beurteilen.”

Dann sah er mich an, strich rechts und links über meine Taille, blickte an mir rauf und runter, lächelte und sagte mit strahlenden Augen:

“Sie haben perfekte Körperproportionen, Frau Essential. Sie haben einen wunderschönen Körper. Ihr Schultern-Taille-Hüftverhältnis ist nahe an der Perfektion. Unglaublich. Ich möchte ihren Körper nicht operieren.”

Ich guckte ihn vermutlich an, als hätte er gerade spontan seinen Namen getanzt. Er ließ sich nicht beirren:

“Wissen sie, das, was sie da stört, das ist nichts – ich würde es lassen. Wenn sie die Dehnungsstreifen stören, dann verstehe ich das. Und sicher könnten sie die irgendwann irgendwo lasern lassen. In Düsseldorf geht das, glaube ich. Aber ganz im Ernst: Meine Frau sieht genau so aus. Sie hat besonders viele Streifen an den Oberschenkeln. Mehr als sie. Und ich finde es eigentlich traurig, einen Körper, der so viel geleistet hat, das sich dann zeigt, wieder zurückbasteln zu wollen. Ich tue das, wenn sie das unbedingt wollen und mir sagen, dass ihr Seelenheil davon abhängt. Dieses Seelenheil bekommen sie dann für 7.186 Euro. Ich werde ihren Bauchnabel ausschneiden und die Haut drumherum straffen und wieder annähen. Dann gibt es einen Schnitt für den Nabel, dort fügt man ihn wieder ein. Die Streifen aber kann man nicht passgenau wieder zusammenfügen. Das wird man sehen können – sie verlaufen nicht perfekt ineinander.”

Den nicht unerheblichen Betrag schrieb er während der Erklärungen bedeutungsschwer auf einen Klinikflyer und schob ihn mir hin.

“Möchten sie, dass ich das tue?”

Und ich hörte mich sagen: “Nein.”

Er lächelte zufrieden und verabschiedete mich.

Perfekte Proportionen. Oh Mann, ich brauchte eine Zigarette – aber ich bin Nichtraucherin. Also musste ich so klarkommen.

Mr. Essential grinste nur während meines abendlichen Berichts des Erlebnisses und sagte:

“Das hätte ich dir auch ohne Termin sagen können.”

Und ich dachte mir: “Nahe an der Perfektion. Klang gut. Trotzdem irgendwie verhunzt, dieser Körper. Weit weg von Perfektion. Ganz weit.” Komplimente oder fachkundige Feststellungen scheinen nicht viel zu helfen.

Schlank zu sein hilft mir. Ich fühle mich gut, wenn ich in die meisten Sachen, die ich in die Umkleide schleppe, hineinpasse. Vielleicht ist das auch schon brainwashed – wer weiß das schon? Aber ich empfinde eine gewisse Kilozahl als Wohlfühlgewicht. Und ich fühle mich damit dann in der Tat wohl. Ich bekomme Komplimente wie: “Vier Kinder und so eine Figur? Wow!” Aber ich denke mir dann immer: “Tja, Schätzchen, IN den Klamotten sieht das gut aus.”

Man kann so hart zu sich sein …

Gedanken und Geschichte

Ich habe Freundinnen mit und ohne sichtbare Schwangerschaftsspuren. Und bei einigen anderen weiß ich nichts darüber, denn man fragt ja nicht danach. Ist nach wie vor ein Tabuthema, viele schämen sich (ich!) …

Ich finde es übrigens immer wenig tröstlich, wenn ich lese, wie jemand schreibt: “Ja, ich fühle mich irgendwie unglücklich mit meinen Streifen/meinem Bauch/meinem Busen aber dafür habe ich ja ein/zwei tolle Kind/er.”

Ich möchte dann ketzerisch rufen: “Ja, die Kinder haben auch andere – und die sehen aus wie vorher! Was soll des das für ein Trost sein, hä?”

Oder beliebt bei mir auch: “Da muss man sich mal in der Schwangerschaft nicht so gehen lassen, dann passiert das nicht.” Blödsinn. Es gibt dünne und dicke und mitteldick/dünne Frauen, deren Körpern man die Schwangerschaften ansieht.

In einer Welt, in der man es einfach akzeptieren würde, in der wäre es leicht.

Es gab sie mal – das war unsere. Ist aber schon lange her. Ich kenne durchaus viele mittelalterliche Gemälde und Holzschnitte. Und viele sind ehrlich. Man sieht hängende Brüste und Bäuche und Schwangerschaftsstreifen. Man ging zusammen ins Badehaus, da schämte sich keine für ihren Körper. Das war eben einfach so.

Frauen bekamen weit mehr Kinder als die heutigen 1,3 – das wird man ihren Körpern wohl auch angesehen haben. Die Minderheit der Frauen geht ohne Spuren durch diese tiefgreifenden und beeindruckenden körperlichen Veränderungen. Das war früher nicht anders. Zudem begannen die Frauen mit dem Gebären in einem Alter zwischen 12 und 16 Jahren. Und hörten damit auf – äh, wenn sie fast starben. Was im Schnitt mit spätestens 50 Jahren (bei der Landbevölkerung mit 45 Jahren) der Fall war. Ein junger Körper reagiert der Sache nach heftiger auf eine Schwangerschaft. Also gab es eine Menge Tigerinnen mit Stripes – wie manche Amerikanerinnen Dehnungsstreifen nennen: “Tigerstripes”

Ehrlichkeit

Ich beneide ganz offen all jene, die makellos aussehen und sich darüber beschweren, dass ihr Popo eventuell einen Zentimeter tiefer sei als vor der Schwangerschaft. Eventuell.

Ich beneide es, dass sie sich gerne zeigen, nicht schämen (wieso zur Hölle tut man so etwas eigentlich?) und … äh … dennoch nicht zufrieden sind (wieso zur Hölle tut man so etwas eigentlich?)

Und zugleich möchte ich keinen Laser und kein Skalpell. Weil ich trotzig bin. Ich bin zu wütend auf diese ignorante Welt, die uns eintrichtert, dass wir uns zu schämen haben. Dass wir gefälligst Leben schenken sollten, ohne zu Murren und nach festen Vorgaben (selbstbewusst, Modus: spontan, schmerzmittelfrei, danach bloß nicht Jammern, weil das Baby anstrengend ist und immer schön 24/7 glücklich sein) und anschließend gefälligst noch unsere “Fuckability” (Danke, Du großartige Caroline Kebekus) zu erhalten.

Wir habe verflucht noch eins das Wichtigste zu erhalten, das wir darstellen: Makellose Schönheit. Diese soll verdammt noch mal da bleiben. Damit wir mit über 60 auch so sexy wie die Stars sind (die waren alle bei meinem Arzt in der Klinik!).

Im Ernst: Wisst Ihr, was es alles für Möglichkeiten gibt? Mommy Makeover: OPs und Laser für zigtausend Euro. PersonalTrainer, Ernährungsberater …

Aber vor allem kann man sich für viel Geld jeden einzelnen be*** Schwangerschaftsstreifen mit kleinen Nadeln wegsticheln lassen. Aber nein – das machen unsere zweifelhaften Zwangsvorbilder nicht! Quatsch! Die schlafen einfach nur mehr und essen während der Schwangerschaften einen verdammten Reiscracker am Tag! Das ist so ein Schwachsinn!

Ich mochte ein Interview mit Kate Winslet besonders gerne. In diesem kramte sie ihr Bäuchlein raus, zeigte die Stretchmarks und sagte grinsend: “Kampfnarben.” So einfach ist das. Kampfnarben – so etwas erwirbt man sich, Ladies – das gibt es nicht geschenkt. Kampfnarben haben Leute, die etwas geleistet haben. Vielleicht sogar mehrere Male! Seht her – ich habe welche! Das drückte sie mit diesem Wort aus und ich mag es. Was ‘ne Mutige. Ich bin da schissiger. Und verschämter.

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Tigerstripes: Verdient man sich wie das Lametta an ‘ner Gardeuniform (?)

Die Mehrheit aller Mamas sieht aus wie Menschen, die Kinder in sich trugen. Und die Körper sagen: “Uff, Collagenketten sind schwer zu halten, wenn sie in alle Richtungen derart gedehnt werden …”

Es gibt einfach Frauen, deren Körper das gut wegstecken und diese dürfen sich herzlich gerne freuen – es sei ihnen doch gegönnt. Und jene, bei denen es anders ist – tja, wir sollten zusammenhalten und uns daran erinnern, dass es ganz normal ist.

Vielleicht wäre es einfacher, wenn man mal drüber reden “dürfte” statt sich zu schämen. Man müsste einfach mal drüber reden.

Oh, hey, dazu hatte Bettie ja eingeladen.

Ein dickes Küsschen dafür, liebe Bettie <3 



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