Foto: Peer Kugler - „Ha ha ha, Du unbelehrbares Ding!“
An dieser Stelle schreibt unsere Autorin Briefe an „ihren Mann“, den es zwar hoffentlich schon gibt, der aber noch nicht bei ihr geklingelt hat. Die Bilder zu der Serie sind von dem Fotografen Peer Kugler. Die beiden waren vor 30 Jahren ein Paar und haben die meiste Zeit ihrer verliebten 24 Monate im Kino verbracht. Beide wundern sich darüber, dass ihre Freundschaft schon so alt ist wie der Fall der Berliner Mauer. Auf einer gemeinsamen Reise nach Bukarest vor 24 Jahren schlug Stefanie Peer vor, eine Leica mitzunehmen, seither legt er die Kamera nur selten vom Körper ab.
Teil 2
Die Romantik von Mustern
Als junges Mädchen hegte ich den Wunsch mit nur einem Mann mein ganzes Leben zu verbringen. Offenbar war ich eine Romantikerin. Nach meinem ersten großen Liebeskummer mit 20, der quälte mich tatsächlich zwei Jahre lang, wurde mir klar, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Fortan spielte ich einige Jahre lang Amazone und fraß erfolgreich Herzen.
Aber meine Ehe, die würde für immer halten! Ganz bestimmt. Meine Zukunftsplanung in Liebesdingen glich einer Gleichung mit zwei Unbekannten. Und in Mathe war ich eine Niete.
Mein Ehemann flirtete bereits fremd, da stillte ich noch unsere Tochter. Jetzt, wo ich „Lieben“ des Norwegers Karl Ove Knausgard gelesen habe, kann ich das Dilemma der egozentrischen Männer viel besser einordnen. Ich hatte meinen Mann zum Familienvater befördert und das musste bei einem Cowboy unweigerlich zu Eskapismus führen. Ich war so naiv. Das musste ja schiefgehen. Ich machte tapfer alleine weiter und traf Mann Nummer zwei mit dem ich nun ganz sicher bis an mein Lebensende zusammen sein würde. Und wieder eine Gleichung mit zwei Unbekannten. Wir hatten von gemeinsamen zehn Jahren als Paar mindestens sechs Jahre lang ein mittelmäßiges Zeugnis: Versetzung fast jedes Silvester gefährdet. Statt eines Cowboys hatte ich nun Peter Pan zum Vater gemacht. Meine zweite Tochter war geboren. Auch die Nachhilfe beim Paartherapeuten half nicht weiter. Unsere Beziehungsmuster hatten sich zur Blockade verheddert, der Gordische Knoten war durch keine Methode zu lösen.
Immerhin, im Nachgang der Trennung sollte ich mich endlich besser kennenlernen. Jedes unglückliche Menschlein darf sein Selbst erforschen, das ersetzt so manchen Abenteuerurlaub.
Mein lieber Mann ... ich bin nun keine Gleichung mit zwei Unbekannten mehr. Langweilig war und ist das nicht. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, dass ich noch immer an die große Liebe glaube. Den Romantikerin-Putz hat das Leben nicht abwaschen können. Während meiner Morgenspaziergänge beobachte ich regelmäßig ein Paar, er ist ein pensionierter Biologe, sie konnte ich noch nicht interviewen: Die beiden sammeln am Strand Plastik ein. Es hat lange gebraucht, bis sie meinen Gruß erwiderten, da bin ich hartnäckig. Ich freue mich immer über ihren Anblick, sie sind so vertraut miteinander, beide sind bestimmt über 70 und sie schenken mir Zuversicht. Dass die Meeresbewohner und die Menschheit nicht am Plastik ersticken werden. Dass kleine Aktionen auch etwas bewegen können. Ein Plastikdeckel weniger im Magen eines Seevogels. Und dass ich als alte Frau nicht allein am Strand laufen werde. Inspiriert von ihrem Beispiel habe ich auch damit begonnen, am Flut-Saum Plastik einzusammeln. Es ist erstaunlich wie häufig andere Spaziergänger darüber irritiert sind. Andere wiederum helfen spontan mit.
Irgendwann wird mich jemand dabei begleiten. Wir werden leider nicht auf gemeinsame Jahrzehnte zurückblicken können. Aber wir werden sicher ein paar Gemeinsamkeiten entdecken. Die Liebe zur Nähe des Wassers zum Beispiel.
„Ha ha ha, Du unbelehrbares Ding!“, spottet mein persönliches Korrektiv (es kann unter Umständen sehr laut werden). „Wie soll das gehen? Alle interessanten Männer sind vergeben!“ Der optimistische Teil in mir entgegnet trotzig: „Aber es sind ja auch nicht alle interessanten Frauen vergeben!“
Dir hat es gefallen? Den ersten Teil aus der Serie “Mein Lieber Mann” findest du hier:
Teil 1