„Mein Job ist sinnlos aber gut bezahlt“, sagte der Kreativdirektor im Coaching. - Und was die Maslow Bedürfnispyramide damit zu tun hat.

Von Rkoppwichmann

Und was die Maslow Bedürfnispyramide damit zu tun hat.

Was die Bedürfnispyramide von Maslow mit der Sinnfrage zu tun hat.

Sinnfragen tauchen in meinen Coachings immer wieder auf. Solche Fragen entstehen bei Menschen, die es geschafft haben. Also eine Karrierestufe erreicht, die ein auskömmliches Einkommen sichert. Die eine Partnerschaft oder eine Familie haben, wo die Kinder aus dem Gröbsten raus sind und Zeit ist, durchzuatmen – und Bilanz zu ziehen.

Alles okay soweit. Und wie geht’s jetzt weiter?

Wie es weitergehen kann und was einen dabei antreibt, erklärt gut die Bedürfnispyramide von Maslow.

Wenn der Job fesselnd und herausfordernd genug ist, ist alles gut. Sinnfragen entstehen, wenn sich jemand am Ende eines langen Arbeitstages fragt: „Was habe ich heute eigentlich gemacht?“ .

Und darauf keine befriedigende Antwort findet. So wie mein Klient im 3-h-Coaching.


„Wie kamen Sie denn darauf, sich die Sinnfrage zu stellen?“ wollte ich von Ralph M. , 42 Jahre, Kreativdirektor aus Hamburg, wissen.

Das war vor einem halben Jahr. In der Stadt, wo ich wohne, gibt es noch einen richtigen Schuster. Als ich dort abends nach der Arbeit meine reparierten Schuhe abholen wollte, traf mich die Frage wie ein Schlag. Der Schuster überreichte mir strahlend meine neu besohlten Schuhe mit den Worten: „Schöne Schuhe sind das. Richtig gute Qualität. Ist nicht mehr selbstverständlich heutzutage.“

Ich sah diesen Handwerker inmitten seiner kleinen Werkstatt, umgeben von Hunderten von Schuhen. Er wusste, was er heute geleistet hatte und war stolz. Und seine Kunden waren dankbar, für seine Arbeit, weil sein Berufsstand langsam ausstirbt.

„Und was hast du heute gemacht?“ meldete sich eine kleine hässliche Stimme in mir. Und ich antwortete innerlich: „In drei Meetings gesessen. Einen unzufriedenen Kunden beschwichtigt. Mir drei Präsentationen für einen neuen Hundefutter-Etat angeschaut. Dutzende von Mails beantwortet. Aus dem Fenster geschaut und mich gefragt: Was mache ich eigentlich hier?“

Also ein ganz normaler Tag. Und da kam mir plötzlich alles so sinnlos vor.

„Wie kamen Sie zu Ihrem gegenwärtigen Job?“ wollte ich wissen.

„Ich wurde abgeworben von einer großen Werbeagentur in Hamburg. Sie wollten mich unbedingt haben, weil ich schon einige große Kampagnen gemacht hatte. »Wir machen Ihnen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können«, scherzten sie.

Und so war es. Das doppelte Gehalt, das ich bisher verdient hatte. Ein Audi 6, auch zur privaten Nutzung. Homeoffice, großzügige Altersversorgung. Ich war verheiratet, wir hatten ein Kind, das zweite war geplant. Und wir träumten beide von einem eigenen Häuschen.

Die ersten sieben Jahre waren toll. Interessante Kunden, herausfordernde Projekte. Die Arbeit machte mir viel Spaß. Es war anstrengend aber ich spürte, dass sich durch meine Arbeit und meine Ideen etwas bewegte. Ich baute ein Team von vierzehn Leuten auf.

„Was hat sich geändert?“ wollte ich wissen.

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Die Maslowsche Bedürfnispyramide beschreibt recht anschaulich, was Menschen antreibt und motiviert, sich Ziele zu setzen. In seiner Theorie beschreibt er fünf Ebenen:

  1. Physiologische Bedürfnisse
    Hierzu zählen alle Bedürfnisse, die zum Erhalt des menschlichen Lebens erforderlich sind. Also Atmung, Wasser, Nahrung, Schlaf, Sex.
  2. Sicherheitsbedürfnisse
    Sind die physiologischen Bedürfnisse erfüllt, will der Mensch mehr und es entwickelt sich das Bedürfnis nach mehr Sicherheit. Also Wünsche nach einem festen Dach über dem Kopf, einem sicheren Arbeitsplatz einer finanziellen Reserve für Notfälle, einer Familie für die emotionale Stabilität. Man beginnt, an seine Gesundheit zu denken.
  3. Soziale Bedürfnisse
    Hierzu gehören Wünsche nach Partnerschaft, Familie, Freundschaft, Gruppenzugehörigkeit. Es geht dabei um Kommunikation und sozialen Austausch.
  4. Individualbedürfnisse
    Das sind Vertrauen, Wertschätzung, Selbstbestätigung, Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit. Der Mensch wünscht sich Ansehen, Prestige, Wertschätzung, Achtung und Wichtigkeit, oft auch mentale und körperliche Stärke.
  5. Selbstverwirklichung
    Auf dieser Stufe will der Mensch seine Talente, Potenziale und Kreativität entfalten. Er will sich in seiner Persönlichkeit und seinen Fähigkeiten weiterentwickeln und sein Leben aktiv gestalten und ihm einen Sinn geben.

Maslows Theorie wurde viel diskutiert und von ihm selbst auch ergänzt. Mehr dazu lesen Sie hier …

Sie ist sicherlich keine objektive Abbildung der menschlichen Motivation, sondern mehr ein Orientierungsmodell. Man versteht damit aber besser, warum jede Gesellschaft und ihre Bevölkerung sich in bestimmten Stufen entwickelt. Wer sich täglich seinen Lebensunterhalt verdienen muss, träumt nicht von einem Opernbesuch.  in China war Weintrinken bisher der Oberschicht vorbehalten, was sich gerade ändert.

Die Bedürfnisse des Menschen können sich auch mit der Zeit ändern, wie diese Grafik zeigt.

Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MOTIVATION/Beduerfnis-Pyramide-Maslow.shtml


Es ist offensichtlich, dass mein Klient die ersten vier Stufen der Bedürfnispyramide erreicht hat. Und nach etwas Anderem sucht.

Das ist nicht selbstverständlich. Manche Menschen bleiben den Sicherheitsbedürfnissen verhaftet, gieren nach noch mehr Gehalt, um sich sicher zu fühlen. Andere sind unersättlich was die Individualbedürfnisse angeht. Sie wollen immer mehr Anerkennung und Macht und glauben, wenn Sie auf der Karriereleiter weiter nach oben kommen, dass der Kampf aufhört.

Auf der 5. Ebene der Selbstverwirklichung geht es um die Frage nach dem Sinn.

Viktor Frankl (1905 – 1997) setzte sich intensiv mit den Theorien und Konzepten seiner Zeit, die erklären wollten, was den Menschen antreibt, auseinander. Im Gegensatz zu Sigmund Freud, sah er nicht die menschlichen Triebe als ursächlich an oder das Streben mach Macht wie Alfred Adler.

Vielmehr sah er den Menschen als ein geistiges Wesen, das nach Sinn strebt. Er war überzeugt: Der Mensch will wissen, wozu er auf der Welt ist. Dies unterscheidet ihn vom Tier.

Das hat viel mit seiner Geschichte zu tun. Frankl überlebte als Einziger seiner Familie etliche Konzentrationslager. Seine Erfahrungen in diesen Lagern beschrieb er in seinem Buch “… trotzdem Ja zum Leben sagen“.

Darin machte er deutlich, dass es selbst unter schrecklichsten unmenschlichen Bedingungen möglich ist, Sinn im Leben zu finden und prägte den Satz “Wer ein Wozu hat, erträgt jedes Wie.” Sein „Wozu“ war es, dass er überleben wollte, um später davon zu berichten.


Unsere Werte lernen wir in der Herkunftsfamilie.

Natürlich wird darüber selten explizit gesprochen. Die Werte werden vorgelebt:

  • Wenn samstags immer Putztag war und jeder in der Familie eine Aufgabe hatte, lernt man früh, dass Aufräumen, Saubermachen und Ordnung halten wichtig ist.
  • Ob man am Wochenende etwas gemeinsam unternahm oder alle zuhause in ihren Zimmern rumhingen, prägt ebenfalls.
  • Ob in der Familie regelmäßig frisch gekocht wurde (von wem und nach welchen Rezepten)) oder ob es vor allem Essen aus Tiefkühlgerichten, Dosen oder vom Lieferdienst gab, beeinflusst den Wert, dem man dem Essen beimaß.
  • Wofür neben den Basiskosten Geld ausgegeben wurde und wofür partout nie Geld „verschwendet“ wurde, sagt etwas aus.
  • Ob in der Familie über Persönliches und Gefühle gesprochen wurde, ob es Körperkontakt gab, prägt die eigenen Einstellungen.
  • Welche Einstellungen zum Beruf, zu Geld deutlich wurden, prägt sich früh in das Unbewusste ein.

„Was waren denn wichtige Werte in Ihrer Familie? Welche Regeln gab es?“

Diese Frage stellte ich Ralph M. Er musste eine Weile überlegen und sagte dann:

„Aus heutiger Sicht ging es viel um Sicherheit und die Angst vor Ungewissem. Mein Vater war Beamter im Finanzministerium und erzählte das immer wieder voller Stolz im Bekannten- und Freundeskreis. Auch meine Mutter erwähnte das öfter, dass man dann im Alter eine gute Pension bekäme, die einem der Staat garantiere.

Erst als ich zehn Jahre alt war, erfuhr ich aus Gesprächen mit meinen Freunden, dass man auch ohne eine Beamtenstelle gut leben konnte. Meine Eltern hatten auch viele Versicherungen gegen alles Mögliche. Jedes Jahr kam der Versicherungsvertreter und hatte wieder eine neue Versorgungslücke aufgetan.
Meine Mutter war Kindergärtnerin in einem städtischen Hort und betonte auch öfter, dass die Stadt ja nie pleite gehen könne und ihr Arbeitsplatz deshalb sicher sei.

„Worüber wurde denn in Ihrer Familie wenig oder gar nicht gesprochen?“, wollte ich wissen.

„Aus heutiger Sicht wurde eigentlich nie über Gefühle gesprochen“, antwortete der Klient. „Das fiel mir auf als ich das erste Mal die Familie meiner Frau kennenlernte. Sie fragten mich, wie mir meine Arbeit gefiele, wie ich mit dem Chef und den Kollegen auskäme. Sie wollten wissen, was mir in der Teamarbeit wichtig wäre und nach welchen Grundsätzen ich neue Leute einstellte.

Sowas hatten mich meine Eltern noch nie gefragt. Sie wollten immer nur wissen, ob ich noch befördert werden könne und wie sicher ein Job in der freien Wirtschaft wäre. Und warum ich immer noch keine Berufsunfähigkeitsversicherung hätte.“


Woran Sie merken, dass Ihr Job Sie nicht mit Sinn erfüllt.

Nicht alle Menschen vermissen Sinn in ihrem Beruf. Einfach, weil sie die Einstellung haben, dass der Beruf keinen Spaß machen muss, sondern nur das nötige Geld einbringen soll. Das sinnvolle Leben haben diese Menschen außerhalb ihres Jobs.

11 Merkmale für mangelnden Sinn in Ihrem Beruf:

  1. Sie müssen sich jeden Morgen aus dem Bett quälen.
  2. Sie schauen im Job öfter auf die Uhr, wann endlich Feierabend ist.
  3. Wenn Sie etwas über Menschen lesen, die ihre Arbeit lieben, werden Sie neidisch.
  4. Sie arbeiten von Wochenende zu Wochenende, von Urlaub zu Urlaub.
  5. Wenn man Sie fragt, wofür Ihre Arbeit gut ist, haben Sie nur eine zynische Antwort.
  6. Andere hören von Ihnen nur, wie frustrierend Ihre Tätigkeit ist.
  7. Sie fühlen sich in einer Falle, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint.
  8. Immer öfter plagen Sie Gefühle von innerer Leere und Sinnlosigkeit.
  9. Sie schauen ab und zu Stellenanzeigen an, werden aber nicht aktiv.
  10. Sie fragen sich, ob Sie es wirklich bis zur Rente auf dieser Position aushalten.
  11. Sie haben manchmal die Phantasie, eine schwere Krankheit zu bekommen.

Um dem eigenen Leben mehr Sinn zu geben, hilft es, seinen Lebensträumen auf die Spur zu kommen.

Lebensträume sind langfristig wiederkehrende, intensive, hoch positiv besetzte Wünsche, Bedürfnisse und Gedanken, in Bezug auf Personen, Dinge, Lebensumstände und Inhalte.
Anders gesagt: Lebensträume sind Wünsche und Ideen, die uns einfach nicht mehr loslassen, so sehr wir oft auch versuchen, sie zu vergessen. 

Solche Lebensträume sind wichtige Wegweiser, um auch dem nahezukommen, was man gern beruflich machen möchte.

Dabei helfen Erinnerungen, was man als Kind oder Jugendlicher werden wollte. Die privaten Interessen und der eigene Bücherschrank geben Hinweise. Was man gern in der Zeitung liest oder im Fernsehen sich anschaut oder worüber man auf Parties schnell mit Fremden ins Gespräch kommt.

Wichtig bei diesen Lebensträumen ist, sie nicht zu genau zu nehmen, sondern sie eher als verschlüsselte Symbole für verborgene Wünsche zu verstehen.

Das heißt, man kann sich fragen: Was den Lebenstraum so anziehend macht? Was dann möglich wäre? Womit man nicht mehr zu tun hätte? Worin der persönliche Sinnbeitrag läge?


Zurück zu meinem Klienten.
Was würden Sie denn statt Ihrer jetzigen Tätigkeit gerne tun?“, fragte ich ihn.

„Das weiß ich gar nicht“, antwortete er. „Genau genommen, habe ich darüber auch noch nie nachgedacht.“

Zu wissen, was man nicht will ohne zu wissen, was man stattdessen möchte, ist der Trostpreis. Denn dann muss man auch nichts ändern, darf aber unzufrieden sein.

„Vielleicht haben Sie auch Angst, es herauszufinden“, vermutete ich. „Denn das hätte ja Konsequenzen für Ihre Familie. Und was würden Ihre Eltern sagen, wenn Sie jetzt den Job als Kreativdirektor aufgeben würden?“

„Meine Eltern würden mich für komplett verrückt erklären. So einen Posten gibt man doch nicht freiwillig auf. Und meine Frau wäre wohl auch nicht begeistert. Sie hat sich an unseren hohen Lebensstil gewöhnt. Ich weiß nicht, wie sie reagieren würde.“

„Dann ist es ja gut, dass Sie keine Alternative wissen. Wollen Sie denn überhaupt etwas ändern?“

Dieser Satz ist in meinen Coachings die Gretchenfrage. Und auch der Versuch zu klären, ob mir der Klient einen Auftrag zur Veränderung gibt. Ohne klaren Auftrag sollte man nicht helfen, denn das geht fast immer schief. Der andere hat dann tausend Einwände, warum dies und das nicht geht. Aber der eigentliche Grund ist, dass er gar nichts verändern will.

Doch der Klient antwortete: „Doch ich will, ich muss etwas verändern. Ich spüre, dass ich sonst kaputt gehe. Ich habe jetzt so lange gut funktioniert. Ich spüre, dass ich das nicht weitermachen darf, ohne irgendwann krank zu werden.“

Ich griff die Phantasie von ihm sofort auf und lud ihn zu  einem Experiment ein. Das mache ich immer im Coaching, um von der Gesprächsebene weg, tiefer zu Gefühlen und unbewussten Inhalten zu kommen. Ralph M. willigte ein.

„Stellen Sie sich doch mal vor, Sie sind bei einem Routinecheck Ihres Arztes und im Abschlussgespräch macht er ein ernstes Gesicht und sagt: »Es tut mir sehr leid, Sie haben einen Gehirntumor. Inoperabel. Wenn es gut läuft, haben Sie noch fünf, sechs Jahre.«
Nachdem Sie sich von der Schocknachricht erholt haben, was würden Sie ändern? Was wäre jetzt noch wichtig? Und was würden Sie nicht mehr machen?

Dieses Experiment ist hart, denn es konfrontiert den Klienten mit seiner Sterblichkeit. Macht ihm deutlich, dass egal wie lange es dauert, sein Leben endlich ist. Und dass die meiste Zeit davon schon vorbei ist.

Wenn wir nicht wissen, was wir wollen oder es wissen, aber nicht danach handeln, gaukeln wir uns vor, dass wir ja noch viel Zeit haben. Das mag im Einzelfall sich auch bewahrheiten, doch die Konfrontation mit der Endlichkeit im Experiment hat einen enormen positiven Effekt: Man erlebt, welche ungelebten Wünsche und Träume auftauchen.


So war es auch bei meinem Klienten. Er schaute mich ernst an und sagte:

„Wenn ich nur noch ein paar Jahre hätte, wäre das der letzte Anstoß, einiges zu ändern. Ich hätte keine Ausrede mehr!“

„Wem gegenüber brauchen Sie denn eine Ausrede, um das zu tun, was Sie im Leben wollen?“ fragte ich ihn.
Herr M. wurde verlegen: „Gegenüber meinen Eltern, schätze ich. Aber wenn ich schwer krank wäre, dagegen könnten Sie nichts sagen.“


Wie unbewusste Loyalitäten unser Leben einengen.

Aufgrund unbewusster Verstrickungen sind viele Menschen tief im Innern überzeugt, dass es ein Zeichen von Liebe, Verpflichtung und Dankbarkeit, wenn wir unseren Eltern „treu bleiben“, ihnen also möglichst ähnlich sind und dieselben Werte wie sie leben, die sie uns vorgelebt haben.

Aus der Diskrepanz zwischen dieser unbewussten Anpassung, unserer Loyalität und unserem Aufbegehren, unserem Bedürfnis nach Selbstentfaltung ergeben sich oft Schuldgefühle. Hier ein Blogartikel von mir dazu.

Das vermutete ich auch bei meinem Klienten und wollte ihn das emotional erfahren, wieder mit einem Experiment in Achtsamkeit. Deshalb sagte ich zu ihm:

„Ich werde Ihnen einen Satz sagen und bitte Sie, dass danach Sie den Satz sagen.
Und genau beobachten, was an inneren Reaktionen dabei passiert in den ersten Sekunden.
Der Satz lautet: »Mein Leben gehört mir.«

Als der Klient den Satz vor sich hin gesagt hatte, war die Reaktion von außen sofort zu sehen: Ein langsames, deutliches Kopfschütteln. Gleichzeitig wurden seine Augen feucht und er musste schlucken. Dann berichtete er: „Der Gedanke war sofort da: das stimmt nicht. Dein Leben gehört nicht dir.“


Erst was uns bewusst ist, können wir ändern.

„Der Fisch ist der Letzte, der das Wasser entdeckt“, heißt ein geflügeltes Wort. Das, was uns täglich umgibt, das wir gewohnt sind, können wir nicht wirklich wahrnehmen. Wir sind damit identifiziert.

Der Kreativdirektor war stark mit den Existenzängsten und dem daraus folgenden Sicherheitsbedürfnis seiner Eltern identifiziert. Deswegen blieb er so lange in einem Beruf, der ihn nicht ausfüllt und den aufzugeben und etwas Neues zu beginnen, ihm Schuldgefühle machte. In seiner Phantasie würde erst eine schwere Krankheit – gleichsam als Wiedergutmachung – ihm erlauben, sein Leben so zu führen, wie es ihm entspricht.

Im Verlauf der Coachingsitzung bearbeiteten wir diese starke, unangemessene Treue zu den Werten der Eltern. Und explorierten, welche Berufswünsche auftauchen würden, wenn sein Leben wirklich ihm gehörte.

Dieses Arbeiten am Engpass ist meist ziemlich emotional, denn der Klient erlebt, dass er jahrzehntelange Prägungen nicht einfach über Bord werfen kann. Oft kommt heftige Trauer hoch, wenn er begreift, was der Preis für diese Treue zu den Eltern und ihren Werten bis jetzt war. Aber jetzt ist auch Veränderung möglich.

PS: Nach vier Monaten bekam ich eine Ansichtskarte aus Neuseeland. Er hatte sich in der Agentur ein Sabbatjahr „erkämpft“ mit der Möglichkeit, bei der Rückkehr wieder seinen alten Job zu übernehmen. „Ich muss erst einmal den Kopf freikriegen“, schrieb er.  „Und herausfinden, was ich im Leben eigentlich will.“


Weitere Fallgeschichten finden Sie hier:

  • „Ich sei passiv-aggressiv, meint meine Chefin.“
  • „Ich fühle mich nirgends zugehörig.“
  • „Meine Zwangsstörung macht mich fertig!“
  • „Warum sabotieren wir uns selbst?“
  • „Im Aufschieben bin ich Weltmeister!“
  • „Mit 45 bin ich immer noch der Juniorchef.“
  • „Ich bin einfach zu nett!“
  • „Karriere Top, Privatleben Flop!“
  • „Ich kann keine Entscheidungen treffen.“
  • „Ich habe alles erreicht!“
  • „Delegieren kann ich nicht.“

PS: Alle Fallgeschichten sind real, aber so verfremdet, dass ein Rückschluss auf meine Klienten nicht möglich ist und die Vertraulichkeit gewahrt bleibt.

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