Mein Fahrrad und ich – Part 6: Trennungsschmerz

Ich fühle mich amputiert. Ich komme nicht mehr vorwärts, bin festgefahren, gefangen auf der Stelle, in einem tiefen schwarzen Loch, in dem nichts mehr glänzt, kein bordeaux-metallischer Glanz, kein Leuchten in den Augen, nur Tränen, die meinen Blick verschleiern, die mein Gesicht mehr durchnässen als jede Fahrradfahrt im Regen. Kein Leuchten mehr in den Augen, das mich blendet und mich die Gefahren nicht sehen lässt.

Mein Fahrrad und ich – Part 6: Trennungsschmerz

Ich fühle mich, als würde mir ein Körperteil fehlen. Und mein Herz. Ja, mein Herz ist herausgerissen und baumelt am seidenen Faden vor meinem Bauch, der jedes Mal schmerzhaft kribbelt, wenn ich bordeaux-farbene Fahrräder sehe. Und dann versetzt es meinem baumelden Herzen einen Stich, dann fühle ich mich kurz lebendig, um direkt wieder einzusinken in die trostlose Taubheit stumpfsinniger Spaziergänger, die kein Ziel haben, sondern einfach laufen, laufen, um den Schmerz nicht zu spüren, der zwischen meinen Rippenbögen am seidenen Faden baumelt und reißt und zieht und mich nach unten zieht, Richtung Asphalt, wo ich schon gelegen habe – damals, mit dir, aber das ist lange her, das war in einem anderen Leben, vor dem Diamanten, mit dem ich doch so glücklich war und alles glänzte und leuchtete. Jetzt ist Bonn keine Fahrradstraße mehr. Jetzt ist Bonn ein linkisches, diebisches Pflaster und die Polizei ist zwar nett, lässt mich aber zur Erstattung der Anzeige zwei Stunden warten und hilft mir dann nicht wirklich weiter.

Ich wurde verlassen. Ich fühle mich einsam. Ich bin gar nicht traurig, ich bin wütend. Warum? Warum?

Warum?

Jaja, die Karma-Polizei. Sie hat zugeschlagen. Jetzt habe ich Gewissheit. Endgültig. Ich bin mir ganz sicher, dass das die Retour-Kutsche ist. Für all die Male, die ich das Lila Launerad beschimpft habe. Für all die Male, die ich die Tür im Keller nicht abgeschlossen habe.

Ich bin wütend auf mich, auf Bonn, auf den Diamanten. Ich suche überall nach ihm – an jedem Fahrradständer, an jeder Bahnhaltestelle, sogar auf dem Nepper-Schlepper-Studenten-übers-Ohr-zieh-Gebrauchtfahrradmarkt, in der Hoffnung, ihn dort zu einem „Schnäppchen“-Preis zurückzukaufen. Aber Liebe ist nicht käuflich und Diamanten werden nicht in Studentenstädten verkauft. Das lohnt sich nicht.

Ich bin nicht mehr ich selbst. Ich bin langsam, als würde mir ein Bein fehlen.  Und tatsächlich ist es ja auch so, dass mir der Untersatz fehlt, meine Verbindung zur Straße, meine Verbindung zur Welt. Und ich schleiche und schlurfe und bin tieftraurig und ich fühle mich einsam. Liebeskummer geht vorbei, sagt man. Und eigentlich weiß ich das ja auch, ich bin schließlich erwachsen und voll aufgeklärt und abgeklärt. Nur auf Fahrraddiebstahl war ich irgendwie nicht vorbereitet und ich hätte nie gedacht, dass es so weh tut. Und dass Anzeige gegen Unbekannt so frustrierend sein würde. Wie der Diamant jetzt bei einem Unbekannten an einem unbekannten Ort ist.

Und ich denke an das wunderbare Jahr, das wir gemeinsam hatten – der Diamant und ich.

Einen gold-glänzenden Herbst, dessen laubbedeckte Straßen unser Federbett waren, das Knistern trockener Blätter unter seinen Reifen das zart gehauchte Versprechen einer gemeinsamen Ewigkeit und ewiger Liebe, das Summen seiner Reifen auf nassen Fahrradwegen mein Gute-Nacht-Lied und mein Lieblingssong, der mich auf bekannten und geliebten Zeilen sicher durch dunkle Herbsttage und -nächste geleitet hat.

Einen glitzernden Winter mit wattewolkenweichem Schneegeflüster und leuchtenden Reflexionen schillernder Weihnachtsdekoration auf seinem metallic-glänzenden Rahmen – ein Farbenspiel, das mir auch rückblickend Tränen in die Augen treibt. damals vor Schönheit und Glück, heute aus Trauer und meinem nicht schrumpfen wollenden Liebeskummer, der mir bei jedem Anblick metallic-bordeaux-farbender Räder einen Stick in die entstellte Lücke zwischen meinen Rippen versetzt.

Einen leuchtend-bunten Frühling, in der für ihn und mich ein neues Kapitel begann: echter Alltag mit Job und geregelten Arbeitszeiten. Mit geregelten Fahrradfahrzeiten. Wir meisterten diese Hürde, an der so manche andere Beziehung die rosa-rote Brille verliert. Mit Glanz und Bravour. Weil wir eben gut zusammen passten. Weil wir zusammen gehörten.

Ein perfekter Sommer voller Ausflüge und Fahrten in lauen Nächten. Picknick im Grünen und ganz groß Gefühle.

Ein Jahr erst war es her, dass wir uns gefunden hatten. Und nun hatte er mich verlassen, der ach so glänzenden Diamant. Hat sich mir irgendwelchen dahergelaufenen Fahrraddieben aus dem Staub gemacht. Ob ich ihm nicht genug Abenteuer geboten habe? Ib er die Geschichten über das Lila Launerad leid war? Ich werde es nie erfahren. Ich erfahre von der Staatsanwaltschaft lediglich, dass die Suche nach dem Diamanten und dem unbekannten Diamantendieb eingestellt wurde.

An diesem Tag lerne ich zwei Dinge: Liebeskummer geht vorbei. Und die Polizei ist vielleicht eher Freund als Helfer.

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Dieser Beitrag ist Teil meiner Fahrradgeschichten, die im Rahmen der Blogparade I want to ride my bicycle erscheinen.Mein Fahrrad und ich – Part 6: TrennungsschmerzHier geht es zurück zu Part 5: Umzugshelfer
und hier geht es weiter zu Part 7: Victoria (erscheint demnächst)


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