Mein Fahrrad und ich – Part 4: Rutschgefahr

Wir kennen uns schon eine Weile, einen Winter haben wir schon überstanden. Aber neuer Winter, neue Abenteuer und so machen wir zum ersten Mal die Erfahrung, der Straßenglätte nicht mehr Herr zu werden. Dabei ist gar nicht Donnerstag. Sondern Freitag. Dabei waren wir letzten Winter so ein gutes Team. Du hast mich sogar nach Hause gebracht, als ich gestürzt war und niemand mit Auto uns abholen wollte. Du warst tapfer, hast gesagt, wir kriegen das hin, und bist ganz langsam und behutsam mit mir nach Hause geradelt. Mein Fuß tut seitdem weh, wenn es schneit. Ich glaube, der erinnert sich, dass es im Winter passiert ist. 

Mein Fahrrad und ich – Part 4: Rutschgefahr

Ob mein Fuß auch an diesem Morgen den Winter gespürt hat? Ich erinnere mich nicht mehr. Was ich aber noch weiß: Du schubst mich bäuchlings der Kreuzung entgegen, ruinierst meine lila Softshell-Jacke und damit unser lila Partner-Outfit. Fandest du das etwa albern? Warum hast du nichts gesagt? Wir sind doch immer der Star am Fahrradständer vor der Uni. Keiner würde es wagen, dem Lila-Laune-Mädchen das Lila-Laune-Fahrrad zu klauen. Dafür sind wir zu auffällig. Und heute sind wir fällig. Wir landen also auf der eisglatten Straße, meine Knie und Hände trotz schützender Kleidungsschicht aufgeschürft, dein Lenker verbogen. Mein Fahrradschlüssel bohrt sich von innen durch das Futter der Jackentasche, die auch von außen aussieht, als wäre jemand mit einem Schlüsselbund daran vorbeigerauscht. Das Auto hinter uns hält nicht an, rumpelt nur langsam auf die Kreuzung, während ich stoisch nicht den Blick des Fahrers suche, sondern mich und dich zusammen sammel, eine kurze Inspektion durchführe, auf die Uhr schaue, und beschließe, dass wir weiter müssen.  

Der Rest der Fahrt ist eine Zitterpartie mit unterdrückten Tränen. Ich bin ein bisschen sauer auf dich, weil du dich so anstellst. Und ich bin ein bisschen sauer auf mich, weil ich nicht anders kann, als Schmerz zu empfinden. Schmerz über deinen Verrat. Erneut. Warum lässt du mich bloß so oft hängen? Ich halte dich für eine Attention Whore. Ich glaube, du weißt das. Bist du eingeschnappt? Ich frage mich zum ersten Mal, ob die Sache mit der Karma-Polizei doch einen wahren Kern hat. 

Ich überlege kurz, dich doch noch gegen den ÖPNV zu tauschen. Aber ich komm nicht gern zu spät. Also rumpeln wir gemeinsam demoliert die Strecke entlang. Dein Lenker ist so verbogen, dass ich bezweifle, jemals wieder geradeaus fahren zu können. Deine Klingel hat jetzt eine neue Farbe: Schwarz mit silberfarbenen Schürfstreifen. Die Drei-Gang-Schaltung aus Plastik gleicht einer modernen Kunst-Plastik, die irgendwie fehl am Platz wirkt an diesem verbogenen Fahrradlenker, der zufällig deiner ist.  

Die nächste Woche ohne dich kann ich verschmerzen, da es schneit und ich jetzt tatsächlich den Bus zur Uni nehme. Ich nehme es dir übel, denn neben den Reparaturkosten kostest du mich auch Zeit, die ich mit länger schlafen verbringen könnte, wärest du funktionstauglich und vertrauenswürdig. 

Aus Angst, wieder zu fallen, trage ich dich ab jetzt im Winter nicht mehr die Außentreppe zum Keller herunter, sondern durch das innere Treppenhaus. Das ist aufwändiger und macht ein bisschen Krach, was ich den Nachbarn aber gönne. Vor allem, weil ich die Tür ja jetzt nicht mehr mit Absicht offen lassen kann, da ich sie ja nicht nutze. 

 An diesem Tag lerne ich zwei Dinge: Partnerlook ist für Paare, die mehr als 25 Jahre miteinander verbandelt sind. Und ein Fahrradhelm wäre eine gute Investition. 

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Dieser Beitrag ist Teil meiner Fahrradgeschichten, die im Rahmen der Blogparade I want to ride my bicycle erscheinen.Mein Fahrrad und ich – Part 4: RutschgefahrHier geht es zurück zu Part 3: Kettenreaktion
und hier geht es weiter zu Intermezzo: Diamant (erscheint am 13.10.2017)

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