Mein Fahrrad und ich – Intermezzo: Diamant

Ich muss dir etwas sagen. Ich habe jemanden kennengelernt. Er ist ein Geschenk. Er heißt Diamant und wir funkeln gegenseitig um die Wette – ich voller Freude, er dank Metallic-Optik. Den geräumigen Fahrradkorb gibt es geschenkt on top, weil meine Augen so groß sind und leuchten und weil sein Narben-Dynamo noch heller leuchtet, ohne dass ich mich abstrampeln muss. Ich bin hin und weg, während ich auf dem Hof des Händlers meine Runden mit ihm drehe – hin und her und hin und weg. Endlich ein Fahrrad in meiner Größe und mit all dem Luxus, den ich bisher nicht kannte. Ich bin vielleicht ein bisschen geblendet, aber auch auf den zweiten Blick ist es immer noch Liebe.  

Mein Fahrrad und ich – Intermezzo: Diamant

Unser erstes gemeinsames Foto entsteht noch beim Händler und landet direkt auf Instagram. Ich denke kurz, ob es rassistisch ist, dass ich mich aufgrund der Farbe für das neue Rad entschieden habe, weil ich bordeaux-metallic einfach schöner fand als anthrazit? Ganz kurz flammt das schlechte Gewissen auf. Nicht nur wegen der Farbdiskriminierung, sondern auch, weil sich mir die Frage stellt: Was mache ich jetzt mit dem Lila Launerad? Zwei Räder brauche ich nicht.  

Ich dachte immer, sowas passiert mir nicht. Dass, wenn ich mich binde, ich mich nicht neu verlieben kann. Weil das doch nur bedeuten kann, dass mit der Beziehung eh schon was nicht stimmt. Oder? Dass am Fremdgehen nicht der dritte Schuld ist, sondern der Fremdgeher.  

Oh Gott, ich schäme mich. Und:  

Oh Gott, ich bin so verliebt. Ganz anders als damals mit dir, irgendwie erwachsener. Entschiedener. Weil ich nicht aus der Not heraus einen Partner in crime brauche, sondern mir einen aussuchen kann. Ich wähle ihn für mich, den Diamanten, und setze alle Hebel (und das Auto) in Bewegung, um ihn nach Bonn zu holen.  

Ich bringe den Neuen mit nach Hause, erlöse dich von deinem Schloss, um dich dann in unseren Kellerverschlag zu sperren. Du rottest neben den Überresten deiner alten, geplatzten Radmäntel, der Neun- und Zwölf-Euro-Schläuche und rostigen, voneinander getrennten Kettenglieder vor dich hin, die Luftpumpe auf dem Boden eine Erinnerung an bessere Zeiten, in denen du noch gebraucht wurdest. Deine Zeit wird kommen, flüsterst du dir unentwegt zu, machst es zu deinem Mantra und wartest wie Cinderella auf deine Kürbiskutsche aus dem Keller in die Freiheit. 

Ich brauche dich nicht mehr, denke ich – nicht ohne Reue. Ich fühle mich ein bisschen schizophren, weil ich so voller Trauer für dich bin und ob der guten alten Zeiten Mitleid mit dir habe, und gleichzeitig so voller Freude, weil ich endlich ein Fahrrad habe, für das ich mich nicht schämen muss, weil es klappert, platzt, rattert oder eine auffällige Farbgebung hat. 

Der Neue, der bordeaux-metallic glänzende Diamant, und ich erkunden die Stadt auf eine ganz neue Weise. Abgesenkte Bürgersteige bedeuten nicht länger herausspringende Ketten – dank Stoßdämpfer und Gelsattel ist Bonn jetzt eine einzige Fahrradstraße. Und ich bin glücklich, so glücklich. 

An diesem Tag lerne ich zwei Dinge: Es ist nicht alles Gold, was glänzt – manches ist auch metallic. Und aufgrund des Glanzes macht Liebe vielleicht blind.  

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Dieser Beitrag ist Teil meiner Fahrradgeschichten, die im Rahmen der Blogparade I want to ride my bicycle erscheinen.Mein Fahrrad und ich – Intermezzo: DiamantHier geht es zurück zu Part 4: Rutschgefahr
und hier geht es weiter zu Part 5: Umzugshelfer (erscheint am 20.10.2017)

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