Er sagt, ich bin ein Germane
Angesichts des rasanten Fortschritts im Bereich der Archäogenetik war es nur eine Frage der Zeit, wann es die ersten Angebote geben würde, seine eigenen sequenzierten Gene mit denen von archäologischen Kulturen zu vergleichen. Nun wird mir das erste diesbezügliche Angebot bekannt (über die Facebook-Gruppe "Ancient DNA").
Auf der Internetseite "My True Ancestry" ( https://mytrueancestry.com ), betrieben von einer Schweizer Firma mit Namen "DNA Check LLC" (registriert im US-Bundesstaat Delaware), kann man seine eigenen sequenzierten Gene hochladen und auf Ähnlichkeit vergleichen mit den sequenzierten Genen inzwischen schon archäogenetisch erforschter archäologischer Kulturen. Natürlich habe ich das Angebot sofort wahrgenommen. Der Abgleich dauert nach dem Hochladen des Gendatensatzes nur fünf Minuten und er ist in der Einstiegs-Variante kostenlos. Hier nun die zur Verfügung gestellte Ergebnis-Karte (Abb. 1).
Zur Karte wird als Erläuterung in der Rubrik "FAQ" gesagt:
Blaue Punkte benennen eine klar definierte Gruppe von archäologischen Menschen. Rote Punkte benennen archäologische Funde, bei denen die Identität aufgrund der archäologischen Zusammenhänge allein schwer festzustellen ist. Helle Punkte bedeuten entferntere Verbindungen, dunkle Punkte bedeuten engere DNA-Nähe zu dir.
Blue dots link to a clearly defined set of ancient peoples. Red dots refer to ancient samples where identity is difficult to determine based on archaelogical evidence. Faded dots mean distant connection, brighter dots mean very close DNA distance to you.
Als archäologische Kulturen, die mir genetisch am nächsten stehen, werden mir unter den Rubrik "Your closest Ancient populations ..." genannt:
- Celt + Longobard (7.685)
- Longobard + Frank (7.795)
- Frank (9.07)
- Longobard (9.487)
- Celt (9.985),
Die sind ja auf der Karte auch blau gekennzeichnet. In einer weiteren Rubrik werden mir "Your closest Archaeogenetic matches ..." genannt. Hier geht es vermutlich um die roten Punkte auf der Karte. Daß die archäologische Zuordnung zu bestimmten Stämmen und Völkern nicht sicher ist, halte ich übrigens für wenig wichtig. Schließlich ist die Genetik selbst der sicherste Hinweis, in welchen vermutlich auch kulturellen Zusammenhängen sie sich bewegt haben, zumal wenn die jeweilige Zeitstellung hinzugenommen wird. Hier werden mir dann noch einmal andere Volksstämme angeführt, mit denen ich am nahesten genetisch verwandt bin:
- Alemannic Bavaria (450 AD) (6.469)
- [Hidden] - upgrade your account (7.637)
- Halstatt (775 BC) (7.957)
- [Hidden] - upgrade your account (9.07)
- Bell Beaker Germany (2500 BC) (9.483)
- [Hidden] - upgrade your account (9.487)
- Alemannic Bavaria (500 AD) (9.929)
- [Hidden] - upgrade your account (9.985)
- Celtic / Hungary (590 AD) (10.19)
- .... die Liste wird noch bis 20. forgeführt, allerdings mit "verborgenen" Positionen
Kurz und gut: Ich bin ein Germane. Wie stark sich Germanen und Kelten genetisch überhaupt voneinander unterscheiden, darüber habe ich noch nie eine Studie gelesen. Aber solche sollte es ja - angesichts dieser Auswertung - auch schon geben. Da muß ich noch einmal recherchieren. Es dürfte überhaupt interessant sein, ob man die einzelnen germanischen Stämme der Völkerwanderungszeit rein genetisch voneinander unterscheiden kann. Kann man das? Das wäre mir neu.
Sicher ist, daß man die oft männlichen, nach Süden zugewanderten Völkerwanderungsgermanen aus dem Norden, die man in den Reihengräberfeldern schon von Seiten der Physischen Anthropologie her als sehr einheitlich erkennen konnte, auch genetisch (als zugleich groß, blond und blauäugig) klar von den Frauen unterscheiden kann, die sie südlich von Main und Donau geheiratet haben, und die genetische Verwandtschaft zum Balkan aufwiesen. Eine solche genetische Verwandtschaft wird mir nicht angezeigt, auch nicht zu anderen heutigen Osteuropäern. Es würde mich interessieren, ob das für heutige Deutsche typisch ist und wie dieser Befund dann zu bewerten wäre angesichts der durch die Archäogenetik schon aufgezeigten Tatsache, daß es in der Völkerwanderung ja doch zu Vermischungen gekommen ist und man das ja auch heute noch im Bereich der Physischen Anthropologie sehen kann. (... Oder hat die heutige Vielfalt in der Physischen Anthropologie auch schon bei den Glockenbecher-Leuten vorgelegen? Das wäre ja interessant.)
Die Punkte hinter der Klammer geben übrigens, wenn ich es recht verstehe, statistische Verwandtschaftsbewertungen an. In der Erläuterung ("Info") werden anstelle dieser Zahlen die Zahlen 5, 10 und 15 genannt, die Punkte in der Zahlenreihe sind also offenbar als Komma zu verstehen.
Jedenfalls, das Ergebnis wird im Groben schon stimmen: Verschiedene germanische Stämme der Völkerwanderungszeit, Hallstadt-Kelten, Glockenbecher-Kultur, Indogermanen halt - und zwar genetisch jeweils etwas entfernter, je weiter man zeitlich zurück geht.
Verwandtschaft mit heutigen Völkern (Ethnizitätsabschätzung)
Unter der Rubrik"Your closest genetic modern populations ..." werden mir dann übrigens genannt:
- German_Central (3.374)
- East_German (5.432)
- North_German (9.654)
- West_German (10.08)
Da ich ja mütterlicherseits eine "großdeutsche Mischung", zugleich bin mit englischen, venezianischen, evtl. ungarischen genetischen Einsprengseln, väterlicherseits seit Jahrhunderten nur aus einer kleinen bäuerlichen Region des Westhavelland stamme, könnte es schon gut hinkommen, daß "German_Central" die mir genetisch am nächsten stehende heutige Population ist. Unter "FAQ" wird auch zu der Frage Stellung genommen, warum man nicht eine der großen Consumer genetics-Firmen bezüglich dieser Frage nutzen soll. Antwort:
Why do we use Google today and not Altavista? Innovation. MyTrueAncestry represents the latest algorithms to solve these problems with over 250 ethnicities. Other 'big companies' typically have about 20 categories. e.g. if you are German it will say you are half English and half Finnish.
Ganz genau, so war ja auch meine Erfahrung und ich empfand sie immer schon als unbefriedigend.
... Und noch ein Seitenblick auf die aschkenasischen Juden
Was mich ein wenig stutzig macht, ist, daß auf der Internetseit unabhängig von meiner eigenen, persönlichen Auswertung unter der Rubrik "How do populations relate to each other?" als nächste archäogenetische Verwandte der aschkenasischen Juden genannt werden:
- *Hellenic Roman (7.562)
- *Roman (7.562)
- Hellenic Roman + Roman (7.562)
- Ancient Greek + Roman (11.27)
- Hellenic Roman (11.9)
- Roman (14.05)
- Ancient Greek (16.33)
Ein Wert von 7 ist nicht gerade der höchste Verwandtschaftswert auf dieser Internetseite. Und ich dachte bislang immer noch, daß eine deutlich mittel- oder nordeuropäischere genetische Komponente, die mit den germanischen Langobarden zu tun gehabt hätte, bei den aschkenasischen Juden auch eine Rolle gespielt hätte. Scheinbar nicht. Auch als nächste heutige Verwandte werden genannt:
- East_Sicilian (5.157)
- Central_Greek (5.924)
- Greek_Crete (6.191)
- Greek_Islands (7.254)
- Italian_Abruzzo (8.393)
- South_Italian (8.437)
- Greek_Thessaly (9.336)
- West_Sicilian (9.423)
Und für sephardische Juden archäogenetisch:
- *Canaanite / Semite (13.97)
- Hellenic Roman + Canaanite / Semite (11.69)
- Canaanite / Semite + Hittite (12.31)
- Canaanite / Semite (13.97)
- Hittite (16.63)
- Hellenic Roman (17.65)
Oh, ein Wert von 13 zeigt ja schon eine recht entfernte genetische Verwandtschaft an. Näher verwandte Völker scheint man noch nicht gefunden zu haben. Und heutige Völker:
- Lebanese_Muslim (5.417)
- Kurdish_Jewish (6.955)
- Syrian (7.132)
- Iranian_Jewish (7.469)
- Assyrian (7.715)
- Lebanese_Christian (11.01)
- Cyprian_Greek (11.08)
- Jordanian (11.44)
Auffällig, daß hier sephardische und aschkenasische Juden gar nicht als gegenseitig näher miteinander verwandt angezeigt werden. Auf Wikipedia ist zu erfahren, daß die Forschung auch heute noch nicht wirklich klare Ergebnisse aufweisen kann zur genetischen Herkunft und Entstehung der aschkenasischen (oder auch: der sephardischen) Juden. Es heißt dort immer noch ( Wiki):
In the case of Ashkenazi and Sephardi Jews (...), who are closely related, the source of non-Jewish admixture is mainly southern European. Behar and colleagues have remarked on an especially close relationship between Ashkenazi Jews and modern Italians.
Da deuten sich endgültigere Einordnungen an, aber es scheint auch noch vieles offen zu sein. Die Frage der Ethnogenese der aschkenasischen Juden ist ja schon mehrmals anderwärts hier auf dem Blog behandelt worden.