Nun sind wir in der verrückten Situation angekommen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronainfektionen in Deutschland weiter gelockert werden, also die kleinen Geschäfte, Friseure, Buchläden usw. öffnen, aber dafür seit heute eine Maskenpflicht gilt. Beim Blick in die klassischen Medien oder die, welche sich sozial nennen, habe ich aber den Eindruck, das Tragen der Masken exkulpiert die Leute von allen Auflagen. Bilder vom englischen Garten in München oder den Flussauen in Großstädten zeigen Menschentrauben, die vielleicht in der Familie unterwegs sind, aber sicher in der Summe keinen ausreichenden Abstand zur nächsten Gruppe halten. Ich hoffe, dass das nicht nach hinten losgeht. Richtig toll finde ich die Demonstrationen der einschlägig verdächtigen Verschwörungstheoretikern, die ohne Maske und ohne Abstand durch die Innenstädte watscheln. Können wir die mittels der neuen Handy-Apps tracken, damit die Leute direkt in eine COVID-Isolierstation umleiten können? Danke.
Das Schöne an der Maskenpflicht? Im Gegensatz zu den ganzen anderen Maßnahmen ist sie unmittelbar sichtbar. Je mehr Menschen eine Maske in der Öffentlichkeit tragen, desto mehr bleibt das weiterhin bestehende Risiko einer Infektion mit COVID-19 in den Köpfen der Menschen. Außerdem ist es eine sehr soziale Maßnahme, denn die einfachen Community-Masken schützen ja insbesondere die/den Gegenüber und nicht sich selbst, das ist doch sehr sympathisch. Insofern: Maskenpflicht ist (wie das Impfen) eine sozial verantwortliche Aufgabe. Nehmen wir sie als solche wahr und nicht als lästige Pflichtübung.
Maskenpflicht:
- Erlaubt sind einfache Mund-Nase-Masken, so genannte OP-Masken, aber auch selbst genähte Masken, die inzwischen den hippen Namen „Community-Maske“ bekommen.
- Schal, Buffs usw. sind auch ok.
- Gilt in Öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkauf, in manchen Bundesländer gibt es strengere Vorgaben
- Gilt nicht für Kinder unter 6 Jahren (das hatten wir uns alle erhofft)
- Alle anderen Maßnahmen, vor allem die Abstandsregelung sind *nicht* ausgesetzt.
Nadine Roßa hat zur Reinigung der Masken ein wunderbares Sketchnote gemalt:
Die Woche war geprägt von den Empfehlungen des amerikanischen Präsidenten. Glücklicherweise gibt es noch Vernünftige unter den Beratern, die diese richtig interpretieren. Hier Dr. Fauci:
And now, a message from Dr. Anthony Fauci. #SNLAtHome pic.twitter.com/LYemNAWaAT
— Saturday Night Live – SNL (@nbcsnl) April 26, 2020
Sind wir doch mal ehrlich: Wie immer, wenn es um eine neue Entwicklung in unserem Leben geht, springen Experten aus allen Löchern hervor, um irgendetwas von sich zu geben. Noch mehr Pseudoexperten finden sich darunter. Da ist es egal, ob es um de Corona-Pandemie geht, den Klimawandel oder, wer die nicht stattfindende Fussball-EM gewinnen wird, oder wen Jogi Löw am besten im Sturm einsetzt. Jeder, der nur ansatzweise etwas mit dem Thema zu tun hat, muss seinen Senf äußern. Und bei der C-Pandemie hat jeder mit dem Thema zu tun, deshalb muss sich auch jeder äußern. Ich ja auch.
Ich gehöre aber der paternalistischen Lebensansicht an. Ich könnte auch sagen: Ich habe mehr Vertrauen. Vertrauen in Herrn Drosten, Vertrauen in die WHO, Vertrauen in die Bundesregierung (und ich bin – Outing! – ganz sicher kein CDU/CSU-Sympathisant). VirologInnen, EpidemiologInnen, auch KlinikerInnen dürfen ihre ExpertInnenmeinung äußern, sollen sie auf wissenschaftliche Fakten basieren und sollen eine Empfehlung abgeben. Die Politik muss abwägen: Können wir das umsetzen? Können wir das den Menschen zumuten? Passt das zu unserer Gesellschaft, zu unserer Struktur? Wenn es dann eine Empfehlung gibt, werde ich diese auch umsetzen. Vielleicht bin ich da zu sehr Schaf. Aber wie soll sonst eine Gesellschaft funktionieren? Wir sind ja nicht in einer Diktatur oder werden von einem durchgeknallten Pseudoexperten mit orangenen Haaren regiert. Soviel Vertrauen muss sein. Ich glaube nicht, dass gerade unsere Wirtschaft den Bach hinunter geht.
„There is no glory in prevention.“ Diese Satz hat „Klausi“ in seinem Podcast vor ein paar Wochen zitiert (unbekannter Herkunft), als er von den zu erwartenden Ausgangsbeschränkungen sprach, und dass sich, wenn sich die Kurve der Neuansteckungen abflacht, alle plötzlich rufen werden: „Her mit den Lockerungen! Ist alles doch gar nicht so schlimm!“ Ich finde es sehr risky, aus der Bevölkerung (oder Kindergartenkindern oder Schulkindern) eine große Testkohorte zu machen. Und wenn die Zahlen der Infektionen wieder anziehen, ach, naja, dann schließen wir eben die Geschäfte wieder.
Sehr interessant übrigens: Die Kinderklinik Heidelberg (alma mater meine) möchte eine Studie erarbeiten, inwieweit Kinder überhaupt das COVID-19 weitergeben an ihre Eltern. Gesucht werden vor allem Kleinkinder aus Notbetreuungen, ungefähr 2000 (zusammen mit ihren Eltern). Die Rekrutierungsphase läuft, zusammen mit den anderen Unikliniken Baden-Württembergs Freiburg, Tübingen und Ulm. Leider gibt es eine Blutabnahme für die Kleinen und natürlich einen Nasenabstrich. Aber es ist ja für das Ganze. Das wird sicher eine sehr interessante Veröffentlichung. Und auch dann – egal, wie das Ergebnis sein wird – werden solche sagen, wir haben es ja gleich gesagt und andere, wir haben es genauso anders gesagt. So ist eben Wissenschaft und so ist eben Politik, die nach der Wissenschaft entscheidet.
Wichtigstes Update: Die Lieferung der Kassenärztlichen Vereinigung ist letzten Donnerstag gekommen. Immerhin 10 FFP, 40 OP-Masken, 2 Kittel und eine Packung Handschuhe. Dankeschön. Damit hast Du, liebe KV, leider nur die Bronzemedaille errungen. Ein Akutlieferant konnte Anfang der Woche innerhalb von drei Tagen Material in ausreichender Stückzahl liefern, ebenso die hiesige Apotheke.
Bleibt gesund!
(c) Bild bei publicdomainpictures.net/Piotr Siedlecki (CC0 Lizenz) – „Corona“ – (c) bei Nadine Roßa