“And once the storm is over, you won’t remember how you made it through, how you managed to survive. You won’t even be sure, whether the storm is really over. But one thing is certain. When you come out of the storm, you won’t be the same person who walked in. That’s what this storm’s all about.”
Wenn ich die letzten 5 bis 10 Jahre zurückschaue, dann gab es kein so anstrengendes Jahr, wie es 2017. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals dem Jahresende so entgegengefiebert habe – mit dem Gedanken: Es reicht jetzt mit diesem Jahr. Ich will einfach nur, dass es vorbei ist.
Es gab so viele Faktoren, die dieses Jahr auf mich eingeprasselt sind, dass ich oft nicht wusste, welche Feuer ich zuerst löschen sollte. Und immer wenn ich dachte, alles ist gut, flammte es irgendwo wieder auf. Ich weiß nicht, wo ich mit meinem Review anfangen soll. Vielleicht in dem Bereich, der mir dieses Jahr die größten Bauchschmerzen bereitet hat.
Mein Jobwechsel und das Dilemma mit der Teilzeit
Eins möchte ich vorweg sagen: Ich mag meinen Job, also die Aufgaben. Ich mag auch meinen Chef und auch das Umfeld in der Firma ist eigentlich ganz gut. Aber ich habe mich total verschätzt, was es bedeutet für den Rollout eines Einkaufssystem für zwei Gesellschaften an zwei Standorten bedeutet. Ende des Jahres hat wohl jeder verstanden, dass eine Teilzeitkraft das nicht alleine stemmen kann. Nicht ohne komplett am Limit zu laufen.
Als ich im Januar neu ins Jahr gestartet bin, war ich noch der festen Überzeugung, dass ich an meinem Einstiegsjob kein Spaß habe. Es war eine Schnittstelle zwischen Controlling, Buchhaltung und Einkauf. Ich gehörte zwar zum Team des Einkaufs, saß in den Team Calls, aber sonst abgeschottet in einem anderen Stockwerk, bei einem anderen Team. Auch die Aufgaben waren absolut nicht Einkauf.
Ich hatte gerade auf 25 Stunden aufgestockt und damit meinen freien Freitag aufgegeben. Mein Freund hat mich noch ausdrücklich gewarnt, dass ich das nicht wieder zurückdrehen konnte. Ende Januar war ich so unmotiviert, dass ich schon die „Vorteile eines Hausfrauen Daseins“ gegoogelt habe. Ich fühlte mich als Rabenmutter, weil ich 3 Tage auf Team Event in Berlin war. Und bereute es, auf die 25 Stunden hochgestockt zu haben.
Irgendwie kam dann aber meine Motivation zurück und der Februar und März liefen ganz gut. Dann wurde mir irgendwie klar, dass meine damalige Position nicht so gut zu mir passte und ich lieber komplett in den Einkauf wechseln wollte. Mein Chef fragte mich, ob ich es mir zu Anfang August vorstellen könnte. Ich seh noch heute, wie mir die Kipplade runterklappte. Wir hatten April und wenn ich sage: Zeitnah, dann ist das nicht im August.
So suchte ich für meine Stelle einen Ersatz über eine Zeitarbeitsfirma und ab Juni war ich voll im Boot.
Im April meinte mein Chef, dass es gut wäre, wenn ich mich um den Rollout des Einkaufssystems in München kümmern könnte. Ich hatte ehrlich gesagt Angst davor. So allein und in Teilzeit. Mein Freund, immerhin selbst Geschäftsführer, meinte ich solle es versuchen. Wenn es gut geht, kann ich stolz sein, wenn es schief läuft, nehme ich die Abfindung und gehe.
Arbeiten an sieben Tagen die Woche
Nach langem hin und her und der Zusage eines Kollegen mich zu unterstützen, willigte ich ein. Die ersten zwei Monate, bis meine Nachfolgerin gefunden war und anfing, arbeitete ich quasi auf zwei Jobs. Meinem alten Controlling Job und meinem neuen Einkaufsjob bzw. dem Einkaufsprojekt. Es war anstrengend und absolut nicht machbar in den 30 Stunden.
Ich arbeite morgens, abends und am Wochenende – auch als ich dann komplett in das Projekt wechselte. Irgendwann stieg der Kollege aus und ich saß allein in München mit diesem Projekt. Ich versuchte es allen irgendwie recht zu machen: Meinem Chef, meinen Kollegen, den Nutzern des neuen Systems. Er war ein riesen Kraftakt.
Ich weiß nicht, wie oft ich weinend auf der Bürotoilette saß, wie oft ich morgens um 6 Uhr weinend ins Büro gefahren bin. Ich habe mich immer wieder nach dem Sinn gefragt und ihn nie gefunden. Ich war wochen- und monatelang einfach nur sauer. Sauer auf mich, dass ich offensichtlich so blöd war, mich komplett ausnutzen zu lassen. Natürlich hat mich keiner gezwungen 53 Stunden die Woche zu arbeiten, geschützt vor negativem Feedback wurde ich allerdings auch nicht. Die anderen saßen in Berlin und ich war der Dreh- und Angelpunkt in München.
Doch ich war nicht nur sauer auf mich, auch auf mein Umfeld. Ich traute niemandem mehr und fing an einfach nur noch um mich herumzuwüten. Mittlerweile weiß ich, dass mein Verhalten sicher oft nicht korrekt war und ich zu emotional war. Aber wenn der Druck so groß ist und die Angst vor dem Versagen noch größer, dann schaltest du relativ schnell in den „Survival Modus“.
Und dann habe ich wieder Sachen gemacht, die absolut nicht nachvollziehbar waren. Ich hatte mit München zu kämpfen und doch beschloss ich, mich mindestens auch um die Trainings in Berlin und die Nutzer dort zu kümmern. Es war hart, dort den Fuß reinzubekommen und noch heute bekomme ich in Trainings verbal eine ausgeteilt, wie schlimm das alles ist.
Oft habe ich mir gedacht: Ich brauch das alles nicht. Mein Freund verdient einfach mehr als ihr hier in dem Seminarraum und ich geh jetzt einfach. Aber irgendwie kann ich nicht aufgeben. Wenn andere schon loslassen oder abgesprungen sind, versuche ich noch so weit wie möglich das Steuer rumzureissen. Was mir in den letzten Monaten nicht gelungen ist.
Warum ich das alles hier schreibe?
Für mich war 2017 ein einziger Sturm – sowohl beruflich, als auch privat. Ich war mal nur in der Nähe des Sturms und mal mitten drin. Und manchmal kam noch ein Tsunami dazu. Immer wenn ich versucht habe, an die Wasseroberfläche zu kommen, kam eine Welle und tauchte mich wieder unter. Und das alles mitten auf dem Meer – ohne Orientierung und ohne Hilfe.
Ich merkte und bin immer noch der Überzeugung, dass ich kein Teamplayer bin. Ich war früher zwar auch in Teams, aber entweder bestanden sie nur aus 2 bis 3 Leuten oder ich schwirrte als Satellit rum, ohne wirklich zum Team zu gehören. Mein Freund war auf einer Veranstaltung und hörte einen Vortrag über das „Helden Dilemma“. Es ging darum, dass man gute Leute oder so Non-Stop-Performer aus Teams rausnehmen muss, damit das Team zur Ruhe kommt. Ich glaube immer noch, dass ich ein Störfaktor im Team bin. Klar, dass will niemand hören, denn wir leben in der Zeit des Teams. Irgendwann gehen wir alle zusammen auf die Toilette – und zwar auf die gleiche.
Das ich hochsensibel bin, macht es auch nicht einfach. Wenn du diese negativen Schwingungen hörst, unterschwellige Bemerkungen und die Mimiken des Gegenübers. Wenn du körperliche Schmerzen hast, weil manche Leute hilflos vor dem System sitzen oder weil Dinge einfach nicht funktionieren. Das sind alles Sachsen, die ich dieses Jahr gespürt habe – zum ersten Mal in dieser Heftigkeit oder Intensität. Wenn du am Abend so voll bis mit Eindrücken, dass du nicht in der Lage bist, mit deinem Sohn zu spielen. Dann läuft etwas schief.
Die Sache mit dem Vertrauen
Es ist fatal sowas zu sagen, aber im Jahr 2017 ist mein Vertrauen abhanden bekommen. Jedenfalls das berufliche. Ich traue fast keinem mehr, vielleicht, weil ich für viele zur Zielscheibe geworden bin. Auf mich bzw. auf das System, für dessen Rollout ich verantwortlich war.
Ich fühlte mich oft allein gelassen, auf Worte folgten keine Taten und auf manche Taten warte ich noch heute und glaube immer noch nicht, dass sie jemals umgesetzt werden.
Das einem das Vertrauen im täglichen Arbeitsleben abhanden kommt, war eines der härtesten Learnings aus diesem Jahr. Ich möchte das kurz an einem Beispiel zeigen: Als ich mit meiner Freundin in New York war und dort das Wasser im Hotel ausgefallen war. Haben wir an der Rezeption nach einem Ausweichzimmer gefragt, in dem wir uns duschen konnten. Der Mann an der Rezeption meinte, dass er den Schlüssel gerade jemand anderem gegeben hat und uns sofort anruft, sobald die wieder aus dem Zimmer raus waren.
Wir gingen wieder auf unser Zimmer und warteten. Nach einer Stunde meinte ich zu meiner Freundin, dass die uns vergessen hatten und ich da jetzt runtergehe. Sie meinte, sie würde darauf vertrauen, dass er uns anruft.
Meine Antwort darauf war: Ich habe nicht viel in diesem Jahr gelernt, aber eins weiß ich definitiv: Vertraue niemandem. Es ist besser alles selbt zu überprüfen.
Ich stapfte an die Rezeption und fragte beim Rezeptionist nach. Er meinte, wir kämen gleich dran. Und in dem Moment kam die Frau mit dem Schlüssel und es war natürlich nicht die Frau, die vor uns den Schlüssel bekommen hatte und er uns gleich danach anrufen wollte.
Es ist so schlimm, aber egal ob es der Receptionist in New York oder der Mitarbeiter im Unternehmen ist:
„Sei höflich zu allen, aber freundschaftlich mit wenigen; und diese wenigen sollen sich bewähren, ehe du ihnen Vertrauen schenkst.“ (George Washington)
Die Wendung zum Ende des Jahres
Als ich in New York war habe ich noch überlegt, meinen Job zu schmeißen. Ich hatte meinem Chef eine fiese Mail geschrieben. Die Nacht bevor ich nach New York geflogen bin. Ich war mir sicher, nach meiner Rückkehr würde ich schon mein Donnerwetter erleben.
Ich bereute die Mail in New York, aber war sie doch gleichzeitig ein Signal, dass wir am Limit sind und das ich so nicht mehr weiterarbeiten kann.
Ich kam wieder und ein für mich schon abgestimmtes Thema war nicht durch. Da war ich schon wieder genervt. Hinzu kam, dass sich in den zwei Wochen meiner Abwesenheit scheinbar nichts geändert hat. Ich fing wieder an, mich in Dinge hineinzusteigern – das kann ich sehr gut. Ich kann dann innerlich zum Vulkan werden und wehe dem, der dann in der Nähe steht.
Der Weg aus dem Sturm
Jedenfalls habe ich einfach mal mündlich gekündigt. Zwei Minuten bevor ein Workshop startete, den ich organisiert hatte. Ich war einfach nur am Boden, genervt, vernachlässigt und gekränkt. Dann handle ich absolut irrational und wie ein kleines Kind.
Noch im Workshop merkte ich, dass ich wohl zu weit gegangen war. An dem Tag und die Tage darauf gab es noch einige Wendungen und mit einmal hatte ich das Gefühl, dass ich aus dem Sturm raus war. Alles, was mich die letzten Wochen und Monate eingeengt hatte, war weg. Es war das erste Mal, dass ich mit dem Fahrrad zum Kinderwagen raste und lachte vor Glück. Naja, vielleicht auch vor Schadenfreude, aber ich hatte das erste Mal das Gefühl, dass nicht wir falsch lagen, sondern andere nur alles daran gaben, dass es so aussah.
Noch jetzt habe ich das Gefühl, dass mit den letzten Tagen im Büro eine Wendung eintrat. Wenn ich zurückschaue, sehe ich immer noch Chaos und den Sturm, aber ich spüre ihn nicht mehr. Vieles was mich verzweifeln lies, liegt hinter mir und einfach nur, weil ich geduldig war. Weil es sowas wie Karma doch gibt und auch wenn es Wochen oder Monate dauert: Es tritt ein mit der absoluten Härte.
Die Arbeit wird nicht weniger und 2018 wird auch anstrengend, aber wenn ich diese negativen Schwingungen nicht mehr habe, dann kann ich mit der Arbeitsbelastung absolut leben.
Was ich für 2018 gelernt habe
Ich war in 2017 bestimmt oft nahe an dem Burnout. Ein Zustand, den ich vorher nie hatte. Der Spagat zwischen Mamasein und Beruf, die ständige Anspannung und das fragen nach dem Sinn der Tätigkeit. Das alles hat mich fast verzweifeln lassen.
Bisher war ich nie jemand, der aufgegeben hat, wenn es rumpelig wurde. Nein, ich war eher derjenige, der sich erst mit den anstrengenden Themen wohl fühlte. Dieses Jahr war ich mir da manchmal nicht sicher.
Der Vorteil an so einem anstrengenden Jahr: Irgendwas nimmt man immer mit. Wir selbst entscheiden, ob es nur die Sorgenfalten sind oder auch Dinge, die wir über uns selbst oder andere gelernt haben.
Was ich für mich gelernt habe:
- Das wichtigste Learning war: ES GIBT DIESES KARMA WIRKLICH. Auch wenn man Monatelang der Idiot war, braucht das Karma zwei Tage, um zurückzuschlagen. Zwei Tage, um eine Situation so zu drehen, dass man nicht mehr nur der Idiot ist, sondern die Gewissheit hat, dass man nicht alles falsch gemacht hat.
- Probleme und Missverständnisse offen ansprechen. Es ist hart, gerade wenn man das Gefühl hat, dass man seinem Chef überhaupt nicht mehr folgen kann, dieses anzusprechen. Ich weiß nicht, ob ich immer den richtigen Ton getroffen habe. Ich glaube der richtige Ton war immer die Ausnahme und meine „fiese“ Mail sicher auch nicht professionel. Aber in Summe habe ich gelernt, dass man mit denen den offenen Austausch zu sollte, mit denen man auch weiterhin ein vertrauensvolles Verhältnis haben möchte.
- Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ich wünschte, dieses Learning nie gemacht zu haben. Aber leider war das doch so ein signifikantes Thema in meinem Jahr, dass ich für 2018 offen bin Vertrauen aufzubauen, ob ich das kann, weiß ich noch nicht.
- Übe dich in Geduld. Ich hasse es geduldig zu sein. Nichts ist für mich unerträglicher, als warten. Doch in 2017 habe ich gelernt, dass es manchmal von Vorteil sein kann, geduldig zu sein.
- Beharrlichkeit zahlt sich aus. Auch wenn ich es nie gewohnt war, bestimmten Sachen hinterherzurennen, so habe ich dieses Jahr doch für einiges gekämpft. Ob es was gebracht hat, wird sich in 2018 zeigen.
Alles in allem war dieses Jahr vom Job her doch sehr anstrengend. Ich hoffe sehr, dass es 2018 besser wird. Und vor allem das ich besser mit dem Stress umgehen kann.
Ich habe einiges gelernt in 2017: Über mich, über andere. Ich habe gelernt was funktioniert und musste schmerzlich lernen, was nicht funktioniert. Jetzt, zwischen den Jahren kann ich endlich abschalten. Das erste Mal in diesem Jahr.
Für 2018 wünsche ich mir, dass ich meine Prioritäten anders setzen kann und mein Kopf nicht ständig um die Arbeit kreist.
Ich wünsche Euch ein paar entspannte Resttage und alles, alles Gute für 2018. Hoffentlich ist auch Euer Sturm vorüber.