Am Wochenende war es wieder soweit. Der neue Flughafen Berlin-Brandenburg öffnete für mehr als 3800 Läufer im Rahmen des achten Airport Night Runs kurzzeitig seine Pforten. Wahlweise konnten sich die Teilnehmer zwischen der 10km Distanz und einem Halbmarathon entscheiden. Eine wunderbare Strecke, die nach Abflug und Jagd nach einer Bestzeit schreit. Wenn man nicht gerade vom Wind von der Landebahn gefegt wird oder alles auf die Motivation und Jubelrufe der Zuschauer setzt, die von dem Lauf leider fast nichts mitbekommen haben.
Vor drei Jahren entschied ich mich im Rahmen des Airport Runs meinen ersten Halbmarathon zu laufen, nachdem ich nach einigen Marathons erleben wollte, wie ich mich auf kürzeren Strecken mache. Damals war es noch eine Morgenveranstaltung. Dieses Mal liefen wir immer der untergehenden Sonne hinterher und sahen den Mond etwas verschwommen in der leicht feuchten Luft weiter und weiter aufsteigen.
Das Wetter zeigte sich gewogen stabil, leicht auffrischend zur späten Stunde, aber noch angenehm. Nicht wie damals, als mich der Wind fest im Griff hatte und irgendjemand das Ziel scheinbar weiter und weiter nach hinten verschob. Jetzt herrschten nahezu perfekte Bedingungen und so versammelten sich eine Vielzahl der Läufer bereits mit mir eine Stunde vor dem Lauf im Startbereich. Die ohnehin gute Stimmung unter den Teilnehmern wurde mit der bekannten Animation von der Bühne aus zur Erwärmung weiter angeheizt.
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Ich zog es vor, mich etwas abseits warmzulaufen, mich mit meinem Tee zu erfrischen und damit anzufreunden, was ich eigentlich für ein Tempo anvisieren wollte. Hier und da noch ein paar bekannte Gesichter begrüßt, Zielzeiten ausgetauscht und ehe ich mich versah, befand ich mich im Startblock.
Startschuss. Rasant schicken uns Trommler auf die südliche Start- und Landebahn des zukünftigen Hauptstadtflughafens. Irrsinnig schnell riss das Starterfeld auseinander und ich konnte innerhalb der ersten Meter in mein Tempo finden. Kilometer eins und zwei vergingen wie im Flug. Es war aber nicht die Aufregung und die Konzentration auf die Zielzeit, obwohl ich penibel genau meine Uhr im Blick hatte. Stattdessen eine größere Gruppe, die sich gegenseitig aufpeitschte, die gleichzeitig jammerte und laut schnaufte. Zum Glück trennten sich unsere Wege nach neun Minuten. Noch einen Meter mehr und ich hätte umdrehen müssen.
Umdrehen, das schien so verlockend. Aber warum? Mit welcher Ausrede. Es lief sehr gut, aber der Hammer der Erwartungen pochte unaufhörlich auf meinem Gemüt herum. Wenn und aber, dies und jenes. Es soll eine Bestzeit werden, wenngleich ich mich in den letzten Monaten nicht allein nur auf diesen Lauf vorbereitet habe. Aber irgendwie sollte, musste, durfte und könnte es möglich sein. Dieser grüne Tee am Nachmittag. Der macht immer so einen klaren Kopf, dass ich Bände füllen könnte. Absolut kontraproduktiv, wenn man laufen soll. Ich sehe ständig meine Liste mit Zwischenzeiten vor mir.
Dabei läuft es einfach nur gut. Es gibt gar keinen Grund daran zu zweifeln, dass ich im Zeitlimit bleibe. Beine locker, Luft ohne Ende, kein Hatschi, kein Röcheln, eine yogagestärkte Mitte, die Arme geben das Tempo vor. Aber es hörte nicht auf.
Ich war direkt dankbar, dass ab Kilometer 10 mein rechter Oberschenkel die Lustlosigkeit packte. Ende dieser Quatscherei im Kopf! Konzentration auf den Bewegungsablauf war nun endlich wieder gefragt. Lockerheit behalten. Geschwindigkeit im Blick. Einfach laufen.
Das Vorfeld des Flughafengebäudes, die neuen Terminals und die Fluggastbrücken erschienen wieder vor mir, bleiben aber entfernt. Die zweite Runde begann, bevor mich mein Weg zurück zu den Zuschauern brachte. Dabei freute ich mich auf ein wenig Jubel und darauf, vielleicht auch an den wartenden 10km Startern vorbeizuschrammen.
Die Zuschauer waren aber derweil dazu verdammt, die langen Sachen der Läufer zu halten und sich am Bratwurststand zu verköstigen. Ich weiß nicht, wie es im vergangenen Jahr war, aber habe mitbekommen, dass man wohl etwas näher an die Strecke durfte. Als ich das erste Mal hier gestartet bin, durften die Zuschauer an den Streckenrand und sich frei bewegen. Natürlich verstehe ich das Sicherheitsproblem und dass die 10km Läufer auch irgendwie Platz benötigen. Aber wenn man schon zwei Runden laufen muss, sollte sich doch irgendwie ein Punkt planen lassen, wo sich Läufer und Zuschauer begegnen. Stattdessen konnten uns all jene sehen, die entweder ein großes Objektiv oder ein Fernglas mithatten.
Ich ließ mich von den grünen und roten Lichtern auf die nächste Runde schicken. Der linke Oberschenkel verbündete sich mit dem rechten und die Rache des kalten Schluck Wassers bei Km5 und 10 folgte auf dem Fuße. Es gluckste, es schwappte – und man konnte es hören! Da verging mir direkt die Lust auf mein geplantes Gel, das ich mir aber halb nach dem 16. Kilometer zumutete. Ich hätte es wirklich etwas eher nehmen sollen. Vielleicht hätte mich das auch vor der plötzlichen Panikattacke geschützt. Laufen und Rechnen. Aus den verbleibenden fünf Kilometern werden sechs. So verliere ich binnen Sekunden mehr als vier Minuten auf meine Bestzeit. Wo bitte waren die Minuten geblieben? Minuten!
Immer wieder der Blick zur Uhr. Aber wie eine Maschine konstant 4:33. Bei der Monotonie des strahlenden, grünen Leuchtens, der grauen Laufstrecke und der vor uns liegenden Dunkelheit, kann schon einmal das Gefühl für Geschwindigkeit verschwimmen. Wie auch der Mond am Nachthimmel, wenn die kühle Luft zudem die ein oder andere Träne hinter der Laufbrille zum Kullern bringt. Mit dem nächsten Kilometerschild fliegt dann auch endlich der Irrtum auf und das Ziel rückt wieder in greifbare Nähe. Eine Schleife links. Ein Bogen, rechts, noch ein Mal rechts und wieder links. Trommler.
Letztlich ging das Training mit dem MyGoal Team wieder auf! Ich bin mir ganz sicher, dass auch das Höhentraining einen großen Anteil daran gehabt hat. Ich lief konditionell selten so locker und entspannt, obwohl ich wirklich große Bedenken hatte. So einen Schnitt aus dem vollen Training zu laufen und bis zum Vortag noch den Körper den anscheinend letzten Rest Sauerstoff auf 3000m Höhe aus den Zellen zu ziehen, schien meinem Kopf mehr als bedenklich. Aber Profis machen das auch so und man soll ja offen für Neues sein. Ich redete mir ein, dass dieser Halbmarathon ein großartiges Training für das nächste große Ziel sein würde, wenn es jetzt schon nicht mit der angestrebten Zeit enden sollte.
Aber ich lief. Ich machte das, was ich so gerne mache. Ich war die Läuferin, die schon immer gern läuft. Also lief ich.
Ich lief mit 01:35:43 ins Ziel. Über eine Minute schneller, als meine Bestzeit, die seit zwei Jahren im Raum stand und aus einer Zeit stammte, in der ich “nur“ lief. Also mein Training genau auf diesen einen Tag zugeschnitten hatte. Das war mein erster Halbmarathon seither, der vergleichbar ist und nicht als letzte Disziplin bei einem Triathlon den Abschluss bildete. Die Freude war unglaublich, aber die Zuversicht, den nächsten Schritt in Ruhe angehen zu können, war viel größer.
Getragen habe ich beim Airport Night Run den Asics Gel Super J33 zusammen mit einem Moving Comfort Tank, Nike Running Shirt und der X-Bionic 3/4 Tights. Natürlich wie immer dabei mein Brooks Visor und die Julbo Brille.