Hey, Baby, blow my whistle!
Bisher habe ich ans Thema Frühenglisch nicht viele Gedanken verloren. Zumindest gabs bisher keine Gründe, weshalb ich gegen erste Englischlektionen bereits in der 2. Klasse sein sollte. Doch seit ein paar Wochen beschäftigt mich das Ganze ziemlich fest und ich frage mich, wie ich damit umgehen werde, wenn der Grosse diesen Schlüssel zur grossen weiten Welt, den die englische Sprache bekanntlich darstellt, schon so früh erhält und in der Lage sein wird, die Texte der Chart-Songs, die er im Augenblick noch naiv nachträllert, zu entschlüsseln.
Wie soll ich ihm dann erklären, weshalb Tayo Cruz unbescholten seinen Hang Over besingen und unverfroren bis zum Bersten nach mehr Alkohol verlangen darf? Was soll ich ihm sagen, wenn er den Song von Snoop Dog und Wiz Khalifa übersetzt und erfährt, es sei egal, sich zu betrinken und Gras zu rauchen, da man schliesslich jung, wild und frei sei? Und wird er checken, was Flo Rida wirklich meint, wenn er in seinem Song Frauen auffordert, seine Pfeife zu blasen?
Immerhin ist Frühportugiesisch kein Thema. Sonst bekäme der Grosse gleich auch noch den Schlüssel zum Nossa-Song und ich müsste ihm erklären, weshalb genau Michel Telo das besungene Mädchen am liebsten gleich packen möchte. Obwohl: unter uns gesagt, muss man in diesem Fall nicht einmal portugiesisch verstehen, sondern nur die eindeutig zweideutigen Hüft- und Handbewegungen des Sängers betrachten, um zu deuten, was er genau mit ihr machen würde.
Je länger ich aber darüber nachdenke, umso mehr realisiere ich, dass ich mich nicht in erster Linie vor Fremdsprachen fürchten muss. Denn Erklärungsbedarf weisen auch Mundartlieder auf. Auch wenn Kinder heute mit dem Sexkoffer bereits im Chindsgi aufgeklärt werden, weiss ich nicht, ob der Grosse deshalb wirklich verstehen wird, wie Flöru Asts „I wott Sex, Rock’n‘Roll u Droge, i mach dirs wie ne More“ genau gemeint ist.
Ich rufe jedenfalls jetzt schon den Erklärungsnotstand aus.
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