Südamerika in 3 Monaten? Indien in 1 Monat? Vergiss es! Schnelles Reisen ist Stress und Du verpasst die Hälfte. Mein Herz schlägt für langsames Reisen.
Schneckentempo Marsch!
Entdeckung der Langsamkeit
Wir kamen gerade von einer sechstägigen Tour durch die mongolische Steppe zurück, da wollten meine 4 Mitreisenden gleich wieder los:
11 Tage in die Wüste Gobi!
Das kam für mich überhaupt nicht in Frage. Nach 1 Monat auf Weltreise, brauchte ich erstmal eine Pause.
2 Wochen in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar klangen wie Musik in meinen Ohren.
Gers am Rand von Ulaanbaatar
Langeweile?
„Ob ich keine Angst habe mich zu langweilen“ fragten mich meine Mitreisenden. Ulaanbaatar ist nicht gerade bekannt für seine Sehenswürdigkeiten und die meisten Touristen verbringen so wenig Zeit wie möglich in der Hauptstadt.
Aber mir stand der Sinn sowieso nicht nach Sehenswürdigkeiten:
- Ich erkundete zu Fuß die Innenstadt, den Schwarzmarkt und einen Zelt-Slum im Außenbezirk.
- Ich ging 2 mal mit dem lokalen Wanderclub/Weinclub ;) in den südlichen Bergen wandern
- Ich war beim wöchendlichen Salsa Tanz mit Expats und Locals.
- Zusammen mit 2 Hostel-Bekanntschaften, besuchte ich für 2 Tage den Terelj-Nationalpark.
Den Rest der Zeit nutzte ich zum Lesen, Schreiben und um alle möglichen mongolischen Gerichte zu probieren. Das ergab sich zwangsläufig so, weil ich die Speisekarten nicht lesen konnte und anscheinend niemand in UB englisch spricht ;)
Kurzum, es war eine tolle Zeit und interessanter, als die Steppentour vorher.
Wandern in der Mongolei
Reisepausen sind mehr als nur Erholung
Diese erste Reisepause war eine sehr gute Entscheidung, genau wie alle anderen seitdem. Mein erstes Jahr auf Reise kommt mir mit mehreren Jahren Langzeitreise-Erfahrung, wie ein Wirbelwind-Trip im halsbrecherischen Tempo vor.
Aber selbst auf dieser Weltreise, machte ich jeden Monat eine 1-2 wöchige Pause, möglichst in einer interessanten Stadt, egal ob Chengdu, Kathmandu, Dhaka, Mumbai, Phuket, Krabi, Bangkok, Chiang Mai, Siem Reap, Hanoi, Dali…
Ich habe zwar eine Gelegenheit verpasst, die Wüste Gobi zu sehen, aber ich hätte das ohne Pause sowieso nicht genießen können. Wenn ich länger am Stück reise, dann interessiert es mich einfach nicht mehr:
Noch ein Wasserfall, noch ein Tempel, ja und? Der Reise-Blues lässt grüssen.
Nachhaltiges Reisen für Körper und Geist, heißt Reisen
- ohne Bucketlist
- ohne viel Sightseeing
- ohne geführte Touren
- ohne ständige Ortswechsel
- ohne tägliche Programmpunkte
Reisen muss ja nicht unbedingt ein Ausnahmezustand sein. Wenn Du eine Langzeitreise planst, wirst Du mehr als 2-3 Monate im ständigen Ausnahmezustand auch gar nicht durchhalten.
Eine Reise-Pause bietet aber nicht nur dringend nötige Erholung: Erst wenn Du länger an einem Ort bleibst, erhältst Du einen besseren Einblick in die Seele eines Landes.
Sehenswürdigkeiten sind austauschbar
Austauschbare Sehenswürdigkeiten
Aber beim Reisen geht es doch darum möglichst viele Sehenswürdigkeiten abzuhaken, oder?
Selbst wenn Du alle Sehenswürdigkeiten abhakst, Du bekommst dadurch kein richtiges Gefühl für Land und Leute. Das ist nicht Deine Schuld. Sehenswürdigkeiten zeigen die Vergangenheit und oft auch nur eine idealisierte Form der Vergangenheit: Stein bleibt, Holz vergeht.
Als Kleopatra vor den Pyramiden stand, hatte sie zu den alten Steinen schon keinen Bezug mehr. Die Pyramiden von Giza wurden 3.000 Jahre vor Kleopatras Zeit gebaut. Das hatte mit ihrem Volk nur noch wenig zu tun und noch weniger mit ihr selbst.
Seitdem sind 2.000 weitere Jahre vergangen und die Pyramiden haben gänzlich ihre Bedeutung für die Gegenwart des ägyptischen Volkes verloren. Das heißt nicht, dass die Pyramiden nicht sehenswert sind, aber sie haben nichts mit dem heutigen Ägypten zu tun.
Die Pyramiden sind ein Extremfall, aber eigentlich jede Sehenswürdigkeit ist so ein „Museum“. Was hat Angkor Wat mit dem heutigen Kambodscha zu tun? Und doch ist Angkor Wat das einzige, was die meisten Touristen von Kambodscha sehen.
Du kannst Dir also aus gutem Grund das Gefühl nicht verkneifen, dass viele Must-Sees austauschbar sind. Schau Dir genug Sehenswürdigkeiten an und Du sehnst Dich schnell nach einem authentischen Erlebnis.
"Authentische" Führung mit Tourgruppe
Touren und Reisepläne
Authentische Erlebnisse werden aber nicht auf dem Silbertablett präsentiert. Sie lassen sich nicht erzwingen und passieren selten zwischen Tür und Angel. Du brauchst genügend Zeit und Flexibilität, um authentischen Erfahrungen eine Chance zu geben.
Wenn Du Deine Reise durchplanst oder durchplanen lässt, dann wirst Du im besten Fall alles so erleben, wie es im Reiseführer oder in der Tour-Brochüre steht – aber eben nur das.
Versuch lieber öfter mal so zu reisen, als müsstest Du selbst einen Reiseführer schreiben oder Dich selbst auf den Beruf eines Tour-Guide vorbereiten. Probiere neue Sachen aus, lass Dich auf Deine Umgebung ein, erforsche die Stadt.
Zugegeben, das geht meistens schief. ;)
Aber genau das, was zuerst wie ein Fehlschlag aussieht, wird oft zu einem authentischen Erlebnis und schließlich im Rückblick zu einem echten Abenteuer. Es sind genau diese Abenteuer, die Dir im Gedächtnis bleiben.
Abenteuer ist nur ein anderes Wort für Unannehmlichkeiten.
Dan Kieran würde sogar so weit gehen zu sagen „Heiße Katastrophen willkommen.“
Abenteuer ist nur ein anderes Wort für Unannehmlichkeiten
Slow Travel – Das Buch
In seinem Buch Slow Travel schreibt Dan Kieran von der Kunst des Langsamreisens. Dan hat wegen seiner Flugangst gar keine andere Wahl als langsam zu reisen.
Langsamreisen scheint ihm aber auch zu gefallen. Oder er unterliegt zumindest einer sehr nützlichen Form von Selbsttäuschung. ;)
Dan geht noch viel weiter, als ich in diesem Text. Er versucht unter anderem die Überlegenheit des Langsamreisens neuropsychologisch zu begründen. Das scheint mir etwas weit hergeholt.
Ich kann deswegen nur die erste Hälfte vom Buch Slow Travel empfehlen*. Die ersten etwa Hundert Seiten sind wirklich inspirierend, aber ich würde die zweiten Hundert Seiten besser auslassen. Wenn Dan erstmal in’s Labern kommt, dann schweift er unglaublich aus.
*Affiliate-Link
Dan Kieran - Slow Travel*
Geld Sparen durch langsames Reisen
Langsam Reisen heißt außerdem bares Geld zu sparen. Wenn Du geldarm aber zeitreich bist, kannst Du trotzdem um die Welt reisen.
- Du fährst Bahn und Bus, statt zu fliegen?
- Du fährst ÖNV statt Taxis?
- Du buchst für 1 Woche statt 2 Tagen?
- Du kennst Dich mit den Marktpreisen aus?
- Du weißt, wo es was günstig gibt?
- Du lernst ein paar Worte der Landessprache?
Genauso wie Du im Beruf Zeit gegen Geld tauschen kannst, kannst Du beim Reisen Geld sparen, indem Du mehr Zeit einplanst.
Ihr wollt unseren Blutdruck messen? Klar haben wir Zeit.
Tipps zum Langsamreisen
Einige Tipps für Deine nächste Langsamreise:
- Mach Dich verletzlich, mache Fehler.
Die Hilfsbereitschaft und Kontaktfreudigkeit ist um so größer, je mehr Du Dich verlaufen hast. - Laufe viel, geh viel raus.
Du machst keine Erfahrungen, während Du im Hotel oder im Taxi sitzt. Laufe so viele Strecken wie möglich. - Lerne Locals und Expats kennen
Gute Adressen sind Meetup.com, wöchentliche Couchsurfing-Meetings und lokale Facebook-Gruppen - Mach das was Locals und Expats machen, nicht das was andere Touris machen
Schau Dir den Eventkalender an, geh in’s Theater, ess im lokalen Restaurant, treibe Sport, geh in’s Kino. - Lass Dich treiben und versuche nicht Listen abzuhaken
Pack den Reiseführer erst am 2. Tag aus oder am 3. Tag oder nach 1 Woche. - Sag im Zweifelsfall ja!
Eine Einladung zum Abendessen? Billiard spielen mit der Dorfjugend? Wenn es keinen Grund gibt misstrauisch zu sein, sag ja. - Reise flexibel, plane nur das Allernötigste.
Buche 1 Tag vorher oder buche gar nichts vorher. In Asien und Lateinamerika kannst Du einfach am (Bus)-Bahnhof oder in der Unterkunft vorbeischneien und bekommst ein Ticket oder ein Zimmer.
Wenn Du Dir gar nicht vorstellen kannst, wie es ist total flexibel zu reisen, schau in meine Infos zum flexiblen Reisen als Backpacker.
Ich buche fast nie im Voraus und empfinde das als ultimative Freiheit.
Dorfkinder "Guides" in Äthiopien
Weitere Infos zum Slow Travel
Zusätzlich zum Buch, kannst Du auch bei der Blogparade von 1 Thing to Do zum Thema Slow Travel vorbeischauen, um zu sehen was andere Reiseblogger zum langsamen Reisen sagen.
Oder vielleicht bist Du schon Langsamreisender? Versuche Dich am 1 Thing to Do Slow Travel Test um zu sehen, ob Du schon im Schneckentempo reist.
Wie reist Du so? Langsam? Flexibel? Individuell? Ganz anders?
Meine Blogparade über Reise-Typen: Deine Reise ist nicht meine Reise läuft nur noch 1 Woche.